VwGH 2002/04/0190

VwGH2002/04/019030.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der I Forschungsges.m.b.H. in T, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 11. Oktober 2002, Zl. 323.572/3-I/9/02, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 358 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §309;
GewO 1994 §358 Abs1;
GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §74;
VwRallg;
ABGB §309;
GewO 1994 §358 Abs1;
GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §74;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 11. Oktober 2002 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Technikumszubau keiner gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfe, gemäß § 358 GewO 1994 iVm § 8 AVG zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 4. Oktober 2001 beantragt habe festzustellen, dass der von ihr beabsichtigte Technikumszubau keine gewerbliche Betriebsanlage i.S. des § 74 Abs. 1 GewO darstelle und daher keiner gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfe. In eventu sei beantragt worden festzustellen, dass der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Umbau zwar eine Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 darstelle, diese aber auf Grund des Nichtvorliegens auch nur eines im § 74 Abs. 2 GewO 1994 aufgezählten Tatbestandmerkmals keiner gewerberechtlichen Genehmigung bedürfe. Nach Darstellung der angewendeten Rechtsvorschriften wurde weiters ausgeführt, dass die genannten Anträge eine Inhaberschaft voraussetzen würden, die jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben sei. So laute es im Antrag:

"Die hier einschreitende Antragstellerin wird wiederum auf Grund des Ihr inhärenten Forschungszweckes dieses Grundstück der neuzugründenden B Gesellschaft m.b.H. unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dieser nunmehr neu zu errichtende Technikumszubau soll als Forschungsstätte für die in Gründung befindliche B Gesellschaft m.b.H., die ihrerseits wiederum im 20%-igen Eigentum der Antragstellerin und im 80%-igen Eigentum der B G Gesellschaft m.b.H. stehen wird, dienen. Hiebei wird der noch zu gründenden B ein unentgeltliches Nutzungsrecht für die Dauer von 5 Jahren an diesem Technikum einräumen wird. Die von der B Gesellschaft m.b.H. auszuübende Forschungstätigkeit wird auf die Erforschung und Herstellung mikrobieller Produkte die in der Lage sind, Pilzgifte, wie sie häufig in Getreide zu finden sind, zu entgiften und dadurch die Qualität von Futtermitteln zu verbessern und auf die Erforschung und Entwicklung neuer Futtermittelzusatzstoffe und mikrobiologischer Pflanzenschutzmittel gerichtet sein."

Hieraus ergebe sich, dass nicht die Beschwerdeführerin, sondern eine noch zu gründende und näher bezeichnete Ges.m.b.H. auf Grund eines Nutzungsrechtes Inhaberin der Anlage gemäß § 358 Abs. 1 GewO 1994 sein werde, sodass es der Beschwerdeführerin an der notwendigen Parteistellung mangle. Darüber hinaus "bemerkt" der angefochtene Bescheid, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls ein auf Gewinn gerichtetes Unternehmen sei und die Forschungszwecke offensichtlich der Erzielung von Erträgen dienen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf inhaltliche Entscheidung über ihre Anträge gemäß § 74 bzw. § 358 Abs. 1 GewO 1994 verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, dass an der Inhabereigenschaft der Beschwerdeführerin an der zu errichtenden Anlage kein Zweifel bestehen könne, zumal in dem zu errichtenden Technikum samt Fermentationsanlage ausschließlich Forschungstätigkeiten durch die Antragstellerin ausgeübt werden sollten und die von der belangten Behörde genannte näher bezeichnete Ges.m.b.H. lediglich in Zukunft möglicherweise als Dienstleister tätig werden, jedoch selbst keine wie immer gearteten Forschungstätigkeiten im zu errichtenden Technikum durchführen sollte. Inhaber der Anlage und Ausüber der Forschungstätigkeit sollte ausschließlich die Beschwerdeführerin sein, sodass an der erforderlichen Parteistellung keine Zweifel bestehen könnte. Weiters sei seitens der Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass das gesamte Gebäude am Gelände des I - Tulln ohne behördliche Betriebsanlagengenehmigung errichtet worden sei, sodass sich durch die Errichtung der geplanten Fermentationsanlage nichts am Charakter des Technikumszubaues als Forschungsstätte ändere. Hätte die Behörde die Grundsätze der Wahrung des Parteiengehörs und der Amtswegigkeit beachtet, hätte sie im Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die näher bezeichnete Ges.m.b.H. lediglich möglicherweise, zu einem späteren Zeitpunkt als Dienstleister tätig geworden wäre und im gegenständlichen Technikum und in der Fermentationsanlage ausschließlich Forschungstätigkeiten der Beschwerdeführerin durchgeführt würden.

Darüber hinaus sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, da das geplante Technikum keine gewerbliche Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 darstelle, da das Merkmal einer gewerblichen Tätigkeit nicht gegeben sei. So mangle es der im Technikum getätigten Forschung an Selbstständigkeit, da diese nicht auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt werde. Weiters fehle ihr auch die Ertragsabsicht, da das Technikum und die in diesem betriebene Forschungsarbeit nicht auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtet sei. Darüber hinaus handle es sich bei Forschungstätigkeiten um keine Angelegenheit des Gewerbes im Sinne des Art. 10 Abs. 1 B-VG, sodass auch aus diesem Grund eine gewerbliche Tätigkeit nicht gegeben sei.

Selbst wenn man annehmen würde, dass der geplante Technikumszubau als gewerbliche Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO 1994 anzusehen sei, sei dieser jedenfalls nicht gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtig, da es sich um eine ausschließliche Forschungsstätte handle, in der eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der im Technikum tätigen Personen, irgendwelcher Nachbarn, Kunden oder sonstiger unbeteiligter Personen nicht möglich sei. Ebenso wenig sei eine Gefährdung fremden Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte, die einer der oben genannten Personen zustünden, möglich.

§ 358 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in der im vorliegenden Fall - auf Grund der Übergangsbestimmung des § 382 Abs. 1 GewO 1994 idF des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002 - maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 88/2000 (GewO 1994), lautet:

"§ 358. (1) Werden Umstände bekannt, die die Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74 begründen könnten, zieht aber der Inhaber der Anlage in Zweifel, dass die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht gegeben seien, so hat der Landeshauptmann auf Antrag des Inhabers der Anlage die Anlage oder das Vorhaben zu prüfen und durch Bescheid festzustellen, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage der Genehmigung bedürfen. Ein Feststellungsbescheid ist jedoch nicht zu erlassen, wenn die Genehmigungspflicht der Anlage offenkundig ist. Ergeben sich im Feststellungsverfahren Zweifel, ob dieses Bundesgesetz auf jene Tätigkeit anzuwenden ist, der die Anlage regelmäßig zu dienen bestimmt ist, so ist dieses Verfahren zu unterbrechen und ein Feststellungsverfahren gemäß § 348 durchzuführen."

Im vorliegenden Fall ist alleine die Frage strittig, ob die Beschwerdeführerin Inhaber der Anlage im Sinne des § 358 Abs. 1 GewO 1994 ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Inhaber", wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (§ 309 ABGB). Zum Unterschied vom Besitzer bedarf der Inhaber des sogenannten Eigentümerwillens nicht. Solcherart ist unter anderem auch der Bestandnehmer vom Inhaberbegriff eingeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2000/04/0197). Zur Bestimmung des § 367 Z 25 GewO 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass diese auf beim Betrieb der Anlage einzuhaltende Auflagen abstellt und es somit darauf ankommt, wer die Betriebsanlage "betreibt". Diese Gesetzesbestimmung spricht daher mit dem "Inhaber" den Fall der unmittelbaren Innehabung (im Wesentlichen Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens) an (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2001).

§ 358 Abs. 1 GewO 1994 unterscheidet im ersten Satz zwischen einer bereits errichteten Anlage ("Anlage") und einer noch nicht errichteten, nur geplanten Anlage ("Vorhaben"). Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ist (je nach Antrag) festzustellen, ob eine (bereits erfolgte) Errichtung und der Betrieb einer bestehenden Anlage oder eine (noch nicht erfolgte) Errichtung und (der beabsichtigte) Betrieb einer geplanten Anlage der Genehmigung bedürfen. Bei einer noch nicht errichteten Anlage ist demnach Inhaber der Anlage gemäß § 358 Abs. 1 GewO 1994 jener Rechtsträger, der beabsichtigt, die möglicherweise gemäß § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtige Anlage zu errichten und die Genehmigungspflicht dieser Anlage in Zweifel zieht. Dabei muss auch - im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung - die Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens gegeben sein.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt der Anträge der Beschwerdeführerin, dass die verfahrensgegenständliche Anlage noch nicht errichtet ist und nach ihrer Errichtung einer näher bezeichneten Ges.m.b.H., die erst in Gründung befindlich ist, als Forschungsstätte dienen soll. Im Zeitpunkt der Antragstellung kam daher nur die Beschwerdeführerin als Inhaberin der Anlage in Betracht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Juni 2004

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