VwGH 2001/08/0127

VwGH2001/08/012726.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 14/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juni 2001, Zl. Ge- 600132/3-2001-Pan/Neu, betreffend Haftung für Zuschläge gemäß § 25a Abs. 7 BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §2;
ASVG §67 Abs10;
BAO §9 Abs1;
BUAG §21a;
BUAG §25 Abs1;
BUAG §25 Abs2;
BUAG §25a Abs7;
BUAG §32 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9;
ABGB §2;
ASVG §67 Abs10;
BAO §9 Abs1;
BUAG §21a;
BUAG §25 Abs1;
BUAG §25 Abs2;
BUAG §25a Abs7;
BUAG §32 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer am 3. Mai 1997 mit seinem Bruder und einer weiteren Person den Gesellschaftsvertrag über die Gründung der G. GmbH in der Form eines Notariatsaktes abgeschlossen. Zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers wurde im Notariatsakt von diesem Tag festgehalten, dass er der serbokroatischen, nicht aber der deutschen Sprache kundig sei. Im Gesellschaftsvertrag wurden der Beschwerdeführer sowie sein Bruder zu jeweils gemeinsam mit dem dritten Gesellschafter vertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt.

Mit Rückstandsausweis vom 25. August 2000 stellte die mitbeteiligte Partei gemäß § 25a Abs. 7 BUAG fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der G. GmbH verpflichtet sei, ordnungsgemäß vorgeschriebene rückständige und vollstreckbare Zuschläge zum Lohn gemäß den §§ 21 und 21a BUAG samt Nebengebühren in der Höhe von S 336.955,-- für den Zeitraum August 1999 bis März 2000 zu entrichten.

Gegen diesen Rückstandsausweis erhob der Beschwerdeführer Einspruch beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz und führte begründend aus, den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden an dem Umstand, dass die vorgeschriebenen Zuschläge von der Gesellschaft und deren sonstigen Vertretern nicht entrichtet worden seien. Die G. GmbH sei gegründet worden, um dem Beschwerdeführer und seinem Bruder eine Beschäftigungs- und Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu ermöglichen; dem Beschwerdeführer sei erklärt worden, dass diese Bewilligungen erteilt würden, wenn er Gesellschafter und gleichzeitig Dienstnehmer einer GmbH sei. Der Beschwerdeführer sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe bei der Gründung der G. GmbH, deren Gesellschafter er gewesen sei, nicht gewusst, dass er zum Geschäftsführer bestellt worden sei und welche rechtlichen Konsequenzen diese Bestellung habe. Der Beschwerdeführer und sein Bruder seien die "Arbeiter" gewesen, der österreichische Hauptgesellschafter der "Chef". Als "Dienstnehmer" der G. GmbH habe der Beschwerdeführer monatlich S 15.000,-- netto erhalten; er habe keinerlei Kenntnis von seiner Funktion als Geschäftsführer bzw. der damit zusammenhängenden Verpflichtungen gehabt. Da er dies mangels Kenntnissen der deutschen Sprache auch nicht hätte erkennen können, könne ihm kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Zuschläge angelastet werden.

Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz gab dem Einspruch mit Bescheid vom 2. Februar 2001 keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer ungeachtet fehlender Sprachkenntnisse und einer Aufgabenteilung bei der Besorgung der Geschäfte der G. GmbH seiner Beaufsichtigungs- und Überwachungspflichten nicht hätte entziehen dürfen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und wiederholte im Wesentlichen die bereits im Einspruch vorgetragenen Argumente.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach einer zusammengefassten Wiedergabe des Berufungsvorbringens aus, der Beschwerdeführer hätte mit der Übernahme der Geschäftsführerfunktion auch sämtliche damit verbundenen Rechte und Pflichten übernommen. Berufe sich der Beschwerdeführer auf mangelhafte Sprachkenntnisse, treffe ihn eine "Einlassungsfahrlässigkeit", weil er sich eines Dolmetschers hätte bedienen können. Habe er dies nicht gemacht, habe er die ihn treffenden Rechtsfolgen in Kauf genommen. Der Beschwerdeführer hätte sich vergewissern müssen, wofür er seine Unterschrift geleistet habe. Im Übrigen werde bezweifelt, dass der Beschwerdeführer keinerlei Kenntnisse der deutschen Sprache hätte, zumal er es zu Wege gebracht habe, mit der vorliegenden Konstellation als Arbeitnehmer und Geschäftsführer in Österreich bleiben zu dürfen. Damit sei die Haftung des Beschwerdeführers "eindeutig klar gelegt". Die Höhe des Rückstandes sei nicht bestritten worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25a Abs. 7 BUAG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Zuschlagsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Zuschläge insoweit, als die Zuschläge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 25a Abs. 7 BUAG ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Zuschläge beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 98/08/0332).

Im Beschwerdefall ergibt sich aus einem im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Firmenbuchauszug der G. GmbH, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 27. März 2000 über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und dieser mit Beschluss vom 20. Juli 2000, somit vor Erlassung des Rückstandausweises, wieder aufgehoben wurde. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar keine Feststellungen über die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Forderung getroffen; der Beschwerdeführer selbst führt in der Beschwerde aber aus, dass die Forderung mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich geworden sei. Damit zieht er der Sache nach nicht in Zweifel, dass der strittige Betrag zum Zeitpunkt der Erlassung des Rückstandsausweises am 25. August 2000 bei der Gesellschaft bereits uneinbringlich war.

Der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde erhobenen Forderung, wegen der inhaltlichen Identität der Regelungen des § 25a Abs. 7 BUAG mit der Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG müssten die auf Grund des Erkenntnisses des verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191 und 0192, nur mehr eingeschränkt bestehenden Vertreterpflichten auch auf die Fälle der Vertreterhaftung nach § 25a Abs. 7 BUAG angewendet werden, steht die im Zusammenhang mit dem erwähnten Erkenntnis des verstärkten Senates entwickelte Judikatur zu § 25a BUAG entgegen, wonach zu den die Vertreter selbst im Außenverhältnis treffenden Pflichten - auf Grund der Blankettstrafnorm des § 32 Abs. 1 BUAG und anders als nach der Rechtslage, die sich für Sozialversicherungsbeiträge aus dem ASVG ergibt - auch die Zahlung der Zuschläge gehört. Aus dem Umstand, dass die Nichtentrichtung von Abgaben hier unter Strafsanktion steht und diese den Vertreter trifft, ergibt sich daher insoweit - ausgehend von einem gleichen Verständnis der Haftungsnorm - im Unterschied zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG auf Grund des hier weiterreichenden Ausmaßes der den Vertretern im Außenverhältnis "auferlegten Pflichten", dass die Mithaftung des Vertreters für die Zuschläge nach dem BUAG an die Verletzung einer ihn gegenüber der Kasse treffenden Pflicht, für die Entrichtung der Zuschläge zu sorgen, anknüpfen kann (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 97/08/0568, mit zahlreichen Nachweisen).

Zu dieser Verpflichtung hat die Rechtsprechung zur Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG (vor dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates) Haftungsvoraussetzungen entwickelt, die auch für die im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG von Bedeutung sind. So ist die Haftung des Geschäftsführers ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen (hier: Zuschlägen) schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat (vgl. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 22. Jänner 2003, Zl. 99/08/0151, mit weiteren Nachweisen)

Der vom Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens und auch in der Beschwerde vorgebrachte zentrale Einwand gegen die Annahme einer Pflichtverletzung bzw. eines Verschuldens ist die Behauptung, er habe mangels deutscher Sprachkenntnisse weder von seiner Funktion noch von den mit dieser Funktion einhergehenden Verpflichtungen Kenntnis gehabt. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil der Beschwerdeführer die Funktion eines Geschäftsführers durch den von ihm abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag erlangt hat und allfällige Willensmängel bei Abschluss dieses Gesellschaftsvertrages nur zur Vertragsanfechtung vor den Zivilgerichten berechtigen, nicht aber in einem Verwaltungsverfahren eingewendet werden können, in dem es um die Erfüllung der Pflichten des Geschäftsführers geht.

Der Beschwerdeführer kann sich aber auch nicht darauf berufen, dass die Kenntnis von rechtlichen Verpflichtungen keinesfalls von jedermann, insbesondere von der deutschen Sprache nicht mächtigen Personen, verlangt werden könne. Es ist nämlich jedermann verpflichtet, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzen zu verschaffen; diese Verpflichtung gilt auch für Ausländer (vgl. Bydlinski in Rummel a.a.O. Rz 4 zu § 2 ABGB). Die Rechtsunkenntnis ist nur dann nicht vorwerfbar, wenn die Rechtskenntnis unzumutbar war (vgl. a.a.O. Rz 3). Tatsachen, die auf eine solche Unzumutbarkeit schließen ließen, wurden im vorliegenden Fall weder behauptet noch ist sie in Anbetracht der klaren Gesetzeslage zu sehen. Zum angeblichen Fehlen von deutschen Sprachkenntnissen ist auf das eben Gesagte zu verweisen; bei gehöriger Sorgfalt hätte der Beschwerdeführer auch Kenntnis von den seine Haftung als Geschäftsführer regelnden Rechtsvorschriften erlangen können.

Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerde weiter, dass die belangte Behörde keine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers, aus der sich seine Haftung ergebe, festgestellt habe.

Zu diesem Argument ist auszuführen, dass ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung trifft, darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (vgl. das Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 98/08/0368).

Die belangte Behörde hat den eben behandelten Einwand der mangelnden Sprachkenntnis zutreffend als die Haftung des Beschwerdeführers nicht hindernden Umstand beurteilt und durfte auch - mangels sonstigen konkreten Vorbringens - im Einklang mit der oben wieder gegebenen Rechtsprechung ohne weitere Feststellungen davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Zahlung der Zuschläge schuldhaft nicht nachgekommen ist.

Verweist der Beschwerdeführer noch auf den Umstand, er sei "lediglich Arbeiter ohne irgendeiner sonstigen Funktion" gewesen, und darauf, er sei an der Geschäftsführung nie beteiligt gewesen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zur Behinderung des Geschäftsführers bei der Erfüllung seiner Pflichten zu verweisen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0117). Das Vorbringen des Beschwerdeführers lässt nicht erkennen, dass er sich nach der Übernahme der Geschäftsführerfunktion in der von einem Geschäftsführer einer GmbH zu erwartenden Weise davon überzeugt habe, dass die Zuschläge entrichtet würden.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe sich mit den Beweismitteln zur Frage des schuldhaften Verhaltens des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt, allerdings ohne die Beachtlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen. Da somit unklar bleibt, welches Ergebnis die Beweismittel erbracht hätten, kann es der belangten Behörde nicht als Verfahrensfehler angelastet werden, wenn sie ihr Ermittlungsverfahren ohne Einvernahme der beantragten Zeugen und ohne nähere Auseinandersetzung mit bestimmten Urkunden durchgeführt hat.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Mai 2004

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