VwGH 2001/06/0119

VwGH2001/06/011922.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der B in B, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1 gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 2001, Zl. 03-12.10 W 27-01/110, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: 1. J in B, und 2. Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs12;
BauG Stmk 1995 §19 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litf idF 1986/039;
VwGG §41 Abs1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs12;
BauG Stmk 1995 §19 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litf idF 1986/039;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark insgesamt Aufwendungen in Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das der Beschwerdeführerin gehörige Grundstück Nr. 2243/2, KG W, ist nordwestlich zu dem vorliegenden Baugrundstück Nr. 2260, KG W, der erstmitbeteiligten Partei gelegen. Beide Grundstücke werden durch den Weg Nr. 2463/1, KG W, getrennt, wobei das Grundstück der Beschwerdeführerin nur zum Teil dem Baugrundstück an dem Weg gegenüberliegt. Im Flächenwidmungsplan ist das Baugrundstück als Dorfgebiet ausgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 16. Juli 1987 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung eines Hühnerstalles auf dem Grundstück Nr. 2260, KG W, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass der Bauwerber die Errichtung eines Stallgebäudes für 3600 Legehühner plane. Das Stallgebäude habe die Ausmaße 42 m x 15,50 m.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 18. August 1988 wurde die Benützungsbewilligung für diesen Stall erteilt.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 (am selben Tag bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangt) beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Bewilligung einer Nutzungsänderung für diesen Stall von der Haltung von 3600 schweren Legehennen auf 6300 leichte Legehennen.

In der Folge stellte die erstmitbeteiligte Partei einen Devolutionsantrag vom 8. Juni 2000 an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde (eingelangt am selben Tag).

Mit Schreiben des Gemeinderates vom 15. Dezember 2000 wurde den Nachbarn (u.a. der Beschwerdeführerin) unter Anschluss des verfahrensgegenständlichen Ansuchens und des mit diesem vorgelegten Privatgutachtens von Dr. G vom 19. April 1999 (betreffend die Frage, wie viel leichte "weibliche" Legehennen statt schwerer Mastelterntiere bei gleicher Emission in Bezug auf Luftveränderungen in dem Stallgebäude gehalten werden können) und der umwelthygienischen Stellungnahme von Univ.-Prof. Ing. Dr. K vom 17. Juli 2000 (gleichfalls zu der Frage der Geruchsbelästigung durch das Vorhaben) gemäß § 45 Abs. 3 AVG die Möglichkeit der Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.

In der Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom 3. Jänner 2001 wurde das Gutachten von Dr. G und die umwelthygienische Stellungnahme von Univ.- Prof. Ing. Dr. K in verschiedenster Hinsicht kritisiert. Die Beschwerdeführerin sei durch den Betrieb der Hennenzucht des Erstmitbeteiligten in Zusammenhang mit der von diesem auch betriebenen Maistrocknungsanlage und dem Betonsilo samt Beschickungsanlage gesundheitsbeeinträchtigenden und -gefährdenden Immissionen ausgesetzt, die in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssten. Durch den vorliegenden Antrag auf Einzelgenehmigung versuche der Erstmitbeteiligte wiederum eine Beurteilung der Gesamtimmissionsbelastung zu umgehen.

In der weiteren Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom 26. März 2001 ging die Beschwerdeführerin auf das weitere vom Gemeinderat zur Frage der durch das Vorhaben zu erwartenden Geruchsbelästigung eingeholte Gutachten des Sachverständigen u.a. für Veterinärwesen Dr. med. vet. D ein.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. April 2001 wurde die beantragte Bewilligung unter Auflagen erteilt. Die Einwendungen u.a. der Beschwerdeführerin "hinsichtlich Geruchs-, Lärm- und Staubimmissionen" wurden abgewiesen, nicht nähere bestimmte "weitere Einwendungen" wurden zurückgewiesen.

Begründend führte der Gemeinderat nach Anführung des § 26 Abs. 1 und des § 29 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) aus, Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, seien von den Nachbarn hinzunehmen. Steige durch eine Änderung einer bewilligten und damit zulässigen Nutzung das Ausmaß der Emissionen nicht, so sei diesbezüglich eine Verletzung von Nachbarrechten zu verneinen. Hinsichtlich von Abänderungen an bereits bewilligten Betrieben stehe den Nachbarn ein Schutzanspruch lediglich gegen eine Vermehrung von Emissionen bzw. Immissionen zu. Sämtliche vorliegenden Gutachten kämen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass es durch die beantragte Nutzungsänderung zu keiner Steigerung der nach den vorliegenden "Bau- bzw. Bewilligungsbescheiden" als zulässig anzusehenden Emissionen kommen werde. Eine Verletzung von Nachbarrechten im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG könne durch das gegenständliche Vorhaben ausgeschlossen werden. Die vorliegenden Gutachten erschienen - entgegen der Meinung der Nachbarn - als durchwegs "gut fundiert, klar nachvollziehbar und richtig".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Z. 2 Steiermärkisches Baugesetz, BGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), sind Nutzungsänderungen bewilligungspflichtig, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluss sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des jeweils geltenden Raumordnungsgesetzes, des Flächenwidmungsplanes, des Bebauungsplanes oder der Bebauungsrichtlinien berührt werden können.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  3. 4. ...
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

    Gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG muss der Abstand zweier Gebäude, die nicht unmittelbar aneinander gebaut werden, mindestens so viel Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl vermehrt um 4.

    § 13 Abs. 12 leg. cit. sieht folgende Ausnahme u.a. von Abs. 1 vor:

"(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben."

§ 23 Abs. 5 lit. f Steiermärkisches Raumordnungsgesetz (Stmk. ROG), LGBl. Nr. 127/1974 i.d.F. LGBl. Nr. 39/1986, sieht für die Widmung "Dorfgebiet" Folgendes vor:

"f) Dorfgebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt sind, wobei auch Wohngebäude und Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner dienen, errichtet werden können."

Zunächst ist festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof die sich implizit aus dem angefochtenen Bescheid ergebende Auffassung teilt, dass es sich bei dem vorliegenden Vorhaben betreffend das verfahrensgegenständliche Stallgebäude um eine Nutzungsänderung handelt. Im Lichte der Begründung des Baubewilligungsbescheides vom 16. Juli 1987 ist davon auszugehen, dass die Errichtung des vorliegenden Hühnerstalles für die Benützung von 3600 Legehennen bewilligt wurde. Indem nunmehr die Nutzung des Stallgebäudes für 6300 leichte Legehennen geplant ist, ist eine Nutzungsänderung des Stallgebäudes beabsichtigt. Diese Nutzungsänderung ist auch gemäß § 19 Z. 2 Stmk. BauG bewilligungspflichtig, da sie auf die hygienischen Verhältnisse der baulichen Anlage von Einfluss sein kann bzw. Nachbarrechte gemäß § 26 Abs. 1 BauG berühren kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0069), wie z.B. die Einhaltung eines größeren Abstandes gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG oder das Recht auf Einhaltung des § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG betreffend den Schallschutz.

Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde zwar die Verletzung von Rechten gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 3 Stmk. BauG und insbesondere die Verletzung in ihrem "Recht, durch das genannte Bauvorhaben keinen gesundheitsgefährdenden Immissionen ausgesetzt zu sein" geltend, die Beschwerdegründe betreffen aber einzig und allein die im vorliegenden Verfahren zur Frage der durch das Vorhaben bewirkten Geruchsbelästigung herangezogenen Gutachten und Stellungnahmen. Es ist daher zu klären, ob sich die Beschwerdeführerin im Verfahren auf ein Nachbarrecht berufen hat, auf dessen Grundlage ihr in Bezug auf die Frage des Ausmaßes der Geruchsbelästigung ein Mitspracherecht und somit auch ein Mitspracherecht betreffend die diesbezüglich erstatteten Gutachten und Stellungnahmen zustand. Die belangte Behörde hat sich - wie der Gemeinderat - mit dieser Frage nicht auseinander gesetzt.

Auf die Einhaltung der vorliegenden Widmung "Dorfgebiet" stand der Beschwerdeführerin kein Nachbarrecht zu, da in dieser Widmung im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG kein Immissionsschutz enthalten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 2000/06/0081).

Unzumutbare Geruchsimmissionen können vom Nachbarn auch im Zusammenhang mit der Abstandsbestimmung des § 13 Abs. 12 i.V.m.

§ 26 Abs. 1 Z. 2 Stmk. BauG geltend gemacht werden. Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten, hat die Behörde nach dieser Bestimmung größere Abstände vorzuschreiben. Den angeführten, im Verfahren erstatteten Äußerungen der Beschwerdeführerin vom 3. Jänner 2001 und 26. März 2001, in denen auf die von der Behörde herangezogenen Gutachten und Stellungnahmen zur Geruchsbelästigung eingegangen wird, ist die Geltendmachung von durch die Nutzungsänderung befürchteten erhöhten Lärm- und Geruchsimmissionen zu entnehmen. Diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin kann nichts entnommen werden, was eine Deutung dahingehend zuließe, dass sie die Einhaltung größerer Abstände im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG wegen zu großer befürchteter Immissionen forderte. Gemäß der hg. Judikatur zu der gleichartigen Vorgängerbestimmung in der Stmk. Bauordnung 1968 (§ 4 Abs. 3; vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 90/06/0025, und die in diesem angeführte Vorjudikatur, insbesondere das Erkenntnis vom 11. September 1986, Zl. 85/06/0013) kann ein allgemeines Vorbringen in die Richtung unzumutbarer Lärmbelästigung nicht als (Eventual)Begehren auf Festsetzung größerer Abstände gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG gedeutet werden (vgl. auch zu der vergleichbaren Rechtslage in Vorarlberg das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 91/06/0020). Auch ein allgemeines Vorbringen betreffend eine unzulässige Geruchsbelästigung kann nicht als Einwendung, mit der größere Abstände des Vorhabens im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG verlangt werden, gedeutet werden.

Die Beschwerdeführerin hat sich im vorliegenden Verfahren somit auf kein Nachbarrecht berufen, das ihr ein Mitspracherecht zur Frage der Geruchsbelästigung oder einer allenfalls daraus resultierenden Gesundheitsgefährdung und somit zu den von der Behörde dazu herangezogenen Gutachten und Stellungnahmen eingeräumt hätte. Auf das diesbezügliche umfängliche Beschwerdevorbringen war daher nicht einzugehen.

Zu den in den Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren angesprochenen erhöhten Lärmimmissionen, die als Einwendung in Bezug auf die Regelung des § 43 Abs. 2 Z. 5 i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG (Schallschutz) zu qualifizieren sind, wurde in der Vorstellung der Beschwerdeführerin nichts vorgetragen. Die belangte Behörde hatte sich somit mit allfälligen für unzulässig erachteten Lärmimmissionen gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG bei der Entscheidung über die Vorstellung der Beschwerdeführerin nicht auseinander zu setzen, sie betrafen mangels entsprechenden Vorbringens der Beschwerdeführerin in der Vorstellung nicht mehr den Gegenstand ihrer Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 94/06/0072, zu einer in der Berufung nicht mehr aufrecht erhaltenen Einwendung) und konnte auch nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 22. Jänner 2004

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