VwGH 2000/13/0089

VwGH2000/13/008921.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der B Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Gerhard Schultschik, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Pöckgasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. März 2000, Zl. RV/26-16/13/2000, betreffend Haftung für Lohnsteuer und Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlag für den Zeitraum vom 1. Februar 1997 bis zum 31. Juli 1998, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 23. Juli 1998 erstattete das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten gegen Helmut S., den handelsrechtlichen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft Anzeige wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch die Beschwerdeführerin, welche zwei polnische Arbeiter im Zeitraum von Februar 1997 bis Juli 1998 entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes als Arbeitgeber beschäftigt habe. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe angegeben, die beiden polnischen Staatsangehörigen zu einem Stundenlohn von S 50,-

- für alle anfallenden Arbeiten an Kraftfahrzeugen des Unternehmens der beschwerdeführenden Gesellschaft eingesetzt zu haben, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung der Anzeige. Mieter des Betriebsgeländes sei ein Danilo M., welcher das Betriebsgrundstück unter anderem auch an die beschwerdeführende Gesellschaft weitervermietet habe. Nach Angabe des Danilo M. seien die beiden polnischen Arbeitnehmer seit Jahren in dem auf dem Betriebsgelände abgestellten Container wohnhaft und würden für diverse anfallende Arbeiten herangezogen.

Mit Schreiben vom 27. August 1998 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis darauf zur Erklärung ihres Lohnaufwandes auf, dass ihm auf Grund von Mitteilungen anderer Behörden bekannt geworden sei, dass im Betrieb der Beschwerdeführerin während des Zeitraumes von Februar 1997 bis Juli 1998 Personen tätig gewesen seien, die über keine Beschäftigungsbewilligung in Österreich verfügt hätten. Die Erfassung der Gehälter dieser Personen in der Lohnverrechnung möge bekannt gegeben, ein allenfalls unterlassener Lohnsteuerabzug möge unter Mitteilung der berichtigten Lohnabgaben nachgeholt werden. Die Namen der Dienstnehmer, die Höhe der Bezüge, der Lohnzahlungszeitraum und die Höhe der errechneten Lohnabgaben mögen binnen gesetzter Frist bekannt gegeben werden. Andernfalls würde der Lohnaufwand im Schätzungswege ermittelt werden.

Nachdem auf diese Aufforderung des Finanzamtes eine Reaktion der beschwerdeführenden Gesellschaft ausgeblieben war, zog das Finanzamt mit zwei Bescheiden vom 20. November 1998 die Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer hinsichtlich der beiden polnischen Arbeiter für den Zeitraum der Kalendermonate Februar 1997 bis Juli 1998 heran und setzte den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag fest.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die betroffenen Dienstnehmer nur gelegentlich stundenweise am späteren Nachmittag beschäftigt worden seien, wobei sich ihre Tätigkeit auf die Mithilfe beim Reifenwechsel, Ölwechsel und auf ähnliche Hilfsdienste beschränkt habe. Tagsüber seien die beiden polnischen Arbeiter im Regelfall gar nicht am Betriebsgelände anwesend gewesen und es hätte die Beschwerdeführerin für sie auch gar keine Verwendung gehabt, weil ihre Kraftfahrzeuge sich tagsüber nicht auf dem Betriebsgelände befunden hätten. Es hätten die beiden Arbeiter auch nicht als Beifahrer eingesetzt werden können, weil die Beschwerdeführerin nur über Betonmischfahrzeuge und Kipper verfügt habe, bei welchen Beifahrer sinnlos wären. Der ausbezahlte Gesamtlohn für das Jahr 1997 betrage etwa S 5.000,-- pro Person und für den Zeitraum der Monate Jänner bis Juli 1998 seien etwa S 3.000,-- pro Person ausbezahlt worden, weshalb um dementsprechende Reduktion der festgesetzten lohnabhängigen Abgaben ersucht werde.

Mit Schreiben vom 28. Jänner 1999 ersuchte das Finanzamt die Beschwerdeführerin um Vorlage der Ablichtung der Entscheidung auf Grund der Anzeige wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und um Nachweis der Beträge, welche an die beiden polnischen Arbeitnehmer tatsächlich ausbezahlt worden seien.

Dieses Ersuchen wurde von der Beschwerdeführerin mit der Erklärung beantwortet, dass ein schriftlicher Nachweis über die Auszahlung der Beträge mangels Ausstellung von Bestätigungen nicht erbracht werden könne. Eine Ablichtung des Straferkenntnisses des Magistratischen Bezirksamtes für den 17. Bezirk in Wien vom 29. Oktober 1998 wurde vorgelegt. Mit diesem Bescheid war Danilo M. als handelsrechtlicher Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft der Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes wegen Beschäftigung der beiden Polen in Zeiträumen von 1994 (1996) bis 1998 schuldig erkannt und bestraft worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Mai 1999 wies das Finanzamt die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide vom 20. November 1998 mit der Begründung ab, dass die beschwerdeführende Partei an der Sachverhaltsermittlung zur Feststellung der Abgabenbemessungsgrundlagen nicht ausreichend mitgewirkt habe. Da sich der Geldfluss mangels Erfassung im Rechenwerk nicht nachvollziehen lasse, habe sich die Abgabenbehörde an die vorgefundenen Fakten zu halten, welche darin lägen, dass am 13. Juli 1998 zwei polnische Staatsangehörige am Betriebsgelände der Beschwerdeführerin angetroffen worden seien, die nach Wahrnehmung des erhebenden Amtsorganes für die Gesellschaft tätig gewesen seien. Weder im Zuge des Berufungsverfahrens noch im Verlaufe des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe das Gegenteil bewiesen werden können. Zur Höhe der Vergütungen sei zu bemerken, dass auf Grund der Angaben der illegal beschäftigten Personen nicht von dem in der Berufung behaupteten Gesamtlohn ausgegangen werden könne, weil von den dort genannten Beträgen die Arbeiter den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien nicht hätten bestreiten können. Im Zuge der Festsetzung der Lohnabgaben seien jedoch ohnehin die geringst möglichen Gehälter nach dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe, nämlich jene von Bauhilfsarbeitern, als Basis herangezogen worden, sodass eine Änderung der Bemessungsgrundlagen für die lohnabhängigen Abgaben nicht in Betracht komme.

Mit einem beim Finanzamt am 11. Juni 1999 eingelangten Anbringen begehrte die beschwerdeführende Gesellschaft die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, ohne auf die Ausführungen der Berufungsentscheidung Bezug zu nehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Strittig sei, heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, ob die im Zuge der Lohnsteuerprüfung erfolgte Erhöhung der Besteuerungsgrundlagen zu Recht bestehe oder ob die Schätzung der an die nicht gemeldeten Arbeitskräfte ausbezahlten Löhne den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche. Nach Wiedergabe der Anzeige des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten und der Bekundungen der polnischen Arbeiter sowie jener des Helmut S. wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass auf Basis des Kollektivvertrages für Bauhilfsarbeiter der monatliche Bruttobezug der Arbeitnehmer ermittelt worden sei, von welchem ausgehend sich entsprechende Erhöhungen der lohnabhängigen Abgaben ergeben hätten. Der Beschäftigungszeitraum sei nach den Angaben der beiden Arbeitnehmer festgestellt worden. Die amtswegige Ermittlungspflicht finde dort ihre Grenze, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei des Abgabenverfahrens geklärt werden könne, diese Partei aber die gebotene Mitwirkung bei der Wahrheitsfindung nicht leiste. Im vorliegenden Fall ergebe sich schon aus dem rechtskräftigen "Urteil" (gemeint offenbar: "Bescheid"), dass die Beschwerdeführerin nicht ordnungsgemäß angemeldete Dienstnehmer beschäftigt habe, wobei auch im Hinblick darauf, dass die beschäftigten Dienstnehmer mit Wissen der Beschwerdeführerin stets in einem auf dem Betriebsgelände abgestellten Container genächtigt hätten, nicht von einer derart geringfügigen Tätigkeit ausgegangen werden könne, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung darzustellen versuche. Es habe die Beschwerdeführerin ihre Berufungsbehauptungen nicht beweisen können, indem sie den vom Finanzamt geforderten Nachweis der an die beiden Arbeitnehmer ausbezahlten Beträge nicht erbracht habe. Der ihr nach § 119 BAO obliegenden Offenlegungspflicht sei die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen nicht ausreichend nachgekommen. Wer einen unwahrscheinlichen und der Lebenserfahrung widersprechenden Sachverhalt behaupte, sei für einen solchen Sachverhalt beweispflichtig. Wer zur Schätzung Anlass gebe und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirke, müsse die mit jeder Schätzung verbundene Ungenauigkeit hinnehmen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Nach § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Zu schätzen ist ferner nach § 184 Abs. 3 BAO, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die beschwerdeführende Partei stellt auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede, dass sie in den in Rede stehenden Zeiträumen die zwei polnischen Staatsangehörigen als Arbeitnehmer beschäftigt hat, ohne die dafür anfallenden lohnabhängigen Abgaben an das Finanzamt abzuführen. Die Beschwerdeführerin wendet sich nur gegen die Höhe der ihr vorgeschriebenen lohnabhängigen Abgaben, indem sie im Wesentlichen vorträgt, dass die belangte Behörde ihrem Vorbringen über ein bloß geringfügiges Ausmaß einer Beschäftigung dieser Arbeiter durch sie hätte Glauben schenken müssen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese Arbeiter nur von ihrem Unternehmen und nicht auch noch von anderen Unternehmen als Arbeitgeber beschäftigt worden seien.

Die Beschwerdebehauptung, andere Unternehmen hätten die beiden polnischen Staatsangehörigen (auch) beschäftigt, verstößt gegen das Neuerungsverbot, wie die belangte Behörde zutreffend einwendet.

Ob die beiden polnischen Staatsangehörigen von der beschwerdeführenden Gesellschaft allein oder auch von anderen Rechtssubjekten als Arbeitnehmer beschäftigt worden waren und ob eine Beschäftigung dieser Personen durch die beschwerdeführende Gesellschaft in einem Ausmaß anzunehmen war, welches den im Schätzungswege vorgenommenen Ansatz von Löhnen nach dem Kollektivvertrag für Bauhilfsarbeiter als der Wirklichkeit nahe kommend ansehen ließ, stellten Fragen dar, deren Beantwortung den Abgabenbehörden auf der Sachverhaltsebene durch Wahrnehmung ihrer Pflicht zur freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO aufgetragen war. Zu ihrer Bekämpfung der von der belangten Behörde im Beschwerdefall vorgenommenen Beweiswürdigung ist die Beschwerdeführerin daran zu erinnern, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Tatsacheninstanz, sondern zur Rechtskontrolle berufen ist, weshalb er eine Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung nur dann aufgreifen kann, wenn sie zufolge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut das Ausmaß einer Rechtsverletzung in der behördlichen Ermittlung der Sachverhaltsgrundlagen angenommen hat (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, 98/13/0119, mit weiteren Nachweisen).

Ein solcherart qualifizierter Beweiswürdigungsfehler liegt im Beschwerdefall nicht vor. Hat die beschwerdeführende Partei mit ihrer gesetzwidrigen Vorgangsweise die gebotene Dokumentation des Ausmaßes einer Beschäftigung der beiden Arbeiter unterlassen, welche es ihr ermöglicht hätte, das behauptete Ausmaß einer geringer als von der belangten Behörde angenommenen Beschäftigung der beiden Arbeiter zu erweisen, dann muss sie es hinnehmen, dass die nachteiligen Folgen ihrer Handlungsweise mit den von den Abgabenbehörden gefundenen Schätzungsergebnissen auf sie zurückfallen. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung des Sachverhaltes nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit auch dann hinnehmen (siehe die bei Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar2, § 184 Tz 3), wenn er sich im Bestreben der Verheimlichung eines abgabepflichtigen Sachverhaltes vor der Abgabenbehörde der Möglichkeit zu nachträglicher Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung mangels Beweisvorsorge selbst begeben hat.

Entgegen der Behauptung der beschwerdeführenden Partei liegt ein Mangel der Begründung des angefochtenen Bescheides, der die Beschwerdeführerin an der Rechtsverfolgung oder den Verwaltungsgerichtshof an der Prüfung des Bescheides auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz gehindert hätte, nach Lage des Falles nicht vor.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof, weil die Rechtsfrage des Beschwerdefalles besonders einfach war, in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat beschließen konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Oktober 2004

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