VwGH 2000/03/0285

VwGH2000/03/028520.7.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der S GmbH (nunmehr T GmbH) in W, vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 31. Juli 2000, Zl. Z 24/99-27, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: U AG in W, vertreten durch Schneider & Wagesreiter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Seilerstätte 13), zu Recht erkannt:

Normen

31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art7;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs1;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs5;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs6;
TKG 1997 §41 Abs2;
TKG 1997 §41 Abs3;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art7;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs1;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs5;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art9 Abs6;
TKG 1997 §41 Abs2;
TKG 1997 §41 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde auf Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 Abs. 3 iVm § 111 Z. 6 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 26/2000, eine Anordnung für die Zusammenschaltung des öffentlichen festen Telekommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei mit dem öffentlichen Mobiltelekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin. Diese Zusammenschaltungsanordnung enthält unter anderem im Anhang 6 eine Festlegung der verkehrsabhängigen Zusammenschaltungsentgelte. Demnach ist für die Verkehrsart V 25 (Terminierung vom Netz der mitbeteiligten Partei in das Netz der Beschwerdeführerin) folgendes Entgelt pro Minute (exklusive Umsatzsteuer) festlegt:

"ATS 2,20 vom 24. November 1999 bis zum 31. Juli 2000 ATS 1,90 vom 1. August 2000 bis zum 30. Juni 2001"

Das für die Verkehrsart V 26 (Zugang vom Netz der Beschwerdeführerin zu 0800-Rufnummern der mitbeteiligten Partei) festgesetzte Entgelt beträgt ATS 1,81/min.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdefall ist im Wesentlichen jenem gleich gelagert, der dem hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2004, Zl. 2000/03/0287, zugrunde lag. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die dortigen Entscheidungsgründe zu verweisen. Soweit die Beschwerdeführerin im vorliegenden Beschwerdefall die vermeinte Unzuständigkeit der belangten Behörde auch damit zu begründen versucht, dass zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei ein aufrechter Zusammenschaltungsvertrag bestehe, der die subsidiäre Zuständigkeit der belangten Behörde ausschließe, kann dem nicht gefolgt werden: Wohl ist die Festlegung von Bedingungen für die Zusammenschaltung durch die Regulierungsbehörde subsidiär gegenüber einer privatautonomen Vereinbarung zwischen den Zusammenschaltungspartnern und würde eine solche die Zuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 41 Abs. 2 TKG ausschließen. Im Verfahren vor der belangten Behörde war das Fehlen einer Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei über die Zusammenschaltung aber unstrittig, wie die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei in ihren Stellungnahmen zu Recht aufzeigen. Demgemäss handelt es sich beim gegenteiligen Einwand der Beschwerdeführerin um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung.

Die Beschwerdeführerin regt im Übrigen an, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Auslegungsfragen zu Art. 7 und 9 der Zusammenschaltungsrichtlinien 97/33/EG vorzulegen. Diese Fragen sind insoweit nicht präjudiziell, als sie Art. 7 RL 97/33/EG betreffen, da unstrittig weder die Beschwerdeführerin noch die mitbeteiligte Partei über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Zusammenschaltungsmarkt verfügen. Aber auch im Übrigen - betreffend Art. 9 RL 97/33/EG - kann in den von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Fragen eine dem Europäischen Gerichtshof vorzulegende Auslegungsfrage des Gemeinschaftsrecht nicht erkannt werden. Die Beschwerdeführerin regt - zusammengefasst - an, dem Gerichtshof Fragen nach der Vereinbarkeit insb. des Art. 9 Abs. 1, Abs. 5 und Abs. 6 RL 97/33/EG mit einer Entgeltsfestsetzung für ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen in gleicher Höhe wie für ein marktbeherrschendes Unternehmen vorzulegen. Nach der insofern klaren Aussage des Art. 7 RL 97/33/EG findet der Grundsatz der Kostenorientierung nur bei der Festlegung der Höhe des Entgelts von marktbeherrschenden Unternehmen Anwendung. Grundsätze für die Ermittlung des Zusammenschaltungsentgelts von nicht marktbeherrschenden Unternehmen hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2002/03/0164, dargestellt. Danach soll durch die Festlegung angemessener Bedingungen - unter Berücksichtigung der Gesetzes- bzw. Regulierungsziele des TKG und der RL 97/33/EG - ein fairer Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien herbeigeführt werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Festsetzung von gleich hohen Zusammenschaltungsentgelten nicht marktbeherrschender und marktbeherrschender Unternehmen nicht als per se rechtswidrig. Doch sind die konkreten Kosten eines (auch nicht marktbeherrschenden) Unternehmens ein Parameter für die Ermittlung des "angemessenen" Entgelts, weshalb bei Festsetzung des Entgelts für die Zusammenschaltungsleistung auch auf diese Kosten einzugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2004, Zl. 2000/03/0287). Die Kosten für Zusammenschaltungsleistungen eines Unternehmens werden regelmäßig auch vom Verkehrsvolumen, letztlich also auch von der Marktposition des jeweiligen Unternehmens beeinflusst. Ausgehend davon, dass die Marktposition eines Anbieters wesentlich auch durch den Zeitpunkt seines Markteintritts bestimmt wird, sind die Ausführungen der belangten Behörde, wonach für neu in den Markt eingetretene Mobilfunkanbieter eine "Schutzfrist" anzunehmen ist, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die "relative Marktstellung" ist gemäß Art. 9 Abs. 5 RL 97/33/EG eines von mehreren unterschiedlichen Kriterien zur Erreichung des durch Art. 9 Abs. 5 RL 97/33/EG gesteckten Zieles, einen "fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien" zu erreichen. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Art. 9 Abs. 5 RL 97/33/EG , der die (beispielsweise) Berücksichtigung einer Reihe von Kriterien anordnet, kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass deren Heranziehung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dazu führen kann, dass in einem konkreten Fall die Zusammenschaltungsentgelte von marktbeherrschenden und nicht marktbeherrschenden Unternehmen in gleicher Höhe festzusetzen sind (so schon die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2004, Zlen. 2002/03/0084 und 2002/03/0125). Die Anregung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war daher nicht aufzugreifen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - ohne dass es im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung bedurft hätte - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II/333.

Wien, am 20. Juli 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte