VwGH 2003/10/0243

VwGH2003/10/024324.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 12. August 2003, Zl. 61 3550/21-VI/1/03-Pa, betreffend Zwangsvollstreckung, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §18 Abs1 idF 2002/I/059;
ForstG 1975 §18 idF 2002/I/059;
VVG §1 Abs1;
ForstG 1975 §18 Abs1 idF 2002/I/059;
ForstG 1975 §18 idF 2002/I/059;
VVG §1 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 19. Februar 1971 wurde den Eigentümern bestimmter näher bezeichneter Grundstücke, darunter dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 2135/12 KG A., und der Gemeinde A., auf Grund ihres Antrages die Bewilligung zur Rodung näher bezeichneter Flächen zum Zwecke der Errichtung eines Müllablagerungsplatzes durch die Gemeinde A. unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Die Nebenbestimmungen Nr. 9 und Nr. 10 lauten:

"9. Die Ablagerungsstätte ist laufend einzuzäunen, nach beendeter Aufschüttung und Planierung mit Fichten und Lärchen aufzuforsten und notfalls mehrmals zu düngen.

10. Die Aufschüttungshöhe darf 8 m nicht überschreiten."

Am 13. Mai 2002 begehrte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, "die Zwangsvollstreckung des Bescheides vom 19. Februar 1971, insbesondere (auf dem Grundstück Nr. 2135/12 KG A.) die Ersatzvornahme der von der Gemeinde A. nicht erfüllten Auflagen, nämlich den Rückbau der Deponie auf 8 m Aufschüttungshöhe (derzeitige Deponiehöhe ca. 20 m) auf Kosten der verpflichteten Partei vornehmen zu lassen und sodann ebenfalls auf Kosten der verpflichteten Partei eine fachgerechte Aufforstung auf der Aufschüttung durchführen zu lassen".

Mit Bescheid des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Landeshauptmannes von Tirol vom 1. April 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Die Behörde vertrat die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer keine Antragslegitimation betreffend die Zwangsvollstreckung der in Rede stehenden Nebenbestimmungen zukäme.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie vertrat die Auffassung, Vollstreckungsverfahren seien grundsätzlich von Amts wegen einzuleiten. Ein Antragsrecht sei (nur) zu bejahen, soweit der zu vollstreckende Bescheid subjektivöffentliche Rechte des Antragstellers individualisiere, und somit ein rechtliches Interesse des Antragstellers am Vollstreckungsverfahren bestehe. Im vorliegenden Fall würden durch die in Rede stehenden Nebenbestimmungen keine subjektivöffentlichen Rechte des Antragstellers individualisiert. Dies werde auch nicht behauptet; vielmehr bringe der Antragsteller selbst vor, dass die in Rede stehenden Nebenbestimmungen zwischen der Gemeinde und den anderen Grundeigentümern abgeschlossene privatrechtliche Vereinbarungen wiedergäben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie vertritt die Auffassung, der Bescheid vom 19. Februar 1971 stelle einschließlich seiner Nebenbestimmungen einen Leistungsbescheid dar und sei rechtskräftig. Er sei daher ein Vollstreckungstitel im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, "und zwar unabhängig davon, ob die darin enthaltenen und nicht erfüllten Bedingungen bzw. Auflagen teils privatrechtlicher bzw. teils öffentlichrechtlicher Genese sind". Dem Beschwerdeführer kämen Parteistellung und Antragsrecht im Vollstreckungsverfahren zu. Im angefochtenen Bescheid fehlten Feststellungen zur "Qualität" der Auflagen Nr. 9 und 10. Diese Auflagen seien "zumindest überwiegend auch im öffentlichen Interesse in den Bescheid mit aufgenommen worden und natürlich die Grundeigentümer und somit auch der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse daran hat, dass diese Auflagen auch eingehalten werden". Die Bedingung (Auflage) Nr. 9 (fachgerechte Aufforstung nach beendeter Aufschüttung) erweise sich einerseits als Vorschreibung im Sinne des § 18 Abs. 4 ForstG und sei somit im öffentlichen Interesse, andererseits aber die Verpflichtung zur Düngung eine Verpflichtung, die den Waldparzelleneigentümer als primär Aufforstungspflichtigen treffe. Gemäß der Zustellverfügung im Bescheid vom 19. Februar 1971 sei diese Verpflichtung der Gemeinde übertragen worden und insofern habe der Beschwerdeführer ein "höchst subjektives" Interesse, dass die Gemeinde der Verpflichtung nachkäme, weil der Beschwerdeführer ansonsten einem Schreiben des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 27. Juni 2002 zufolge sogar als primär Verpflichteter zur Erfüllung dieser Bedingung verhalten werden könne. Die Wiederaufforstungspflicht durch die Gemeinde und die Festlegung der Schüttungshöhe, also die Auflagen Nr. 9 und Nr. 10, seien vollstreckbare Bescheidteile, die subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers individualisierten, sodass also ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers am Vollstreckungsverfahren bestehe. Es sei offenkundig, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers durch die Nichteinhaltung der Auflage Nr. 10 hinsichtlich der Schütthöhe erheblich beeinträchtigt seien. Auf dem nahezu ebenen Gelände sei ein über 20 m hoher Müllkegel aufgesetzt worden. Je höher der Müllkegel sei, umso schlechter seien die Bewirtschaftungsmöglichkeiten infolge der Steilheit der Böschungsflächen und der Kontamination des Grundstückes. Der Beschwerdeführer habe auch Anspruch auf gänzliche Überschüttung seiner Grundparzelle, damit wieder eine nahezu ebene Waldparzelle für ihn entstehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Vollstreckungsverfahren ist grundsätzlich von Amts wegen einzuleiten; ein Rechtsanspruch einer Partei auf Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens bzw. Antragslegitimation besteht im Allgemeinen nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1994, Zl. 92/05/0156;

Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 987; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 Anm. 7 zu § 1 VVG;

Hauer/Leukauf, HdB des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 1138). Ein Rechtsanspruch einer Partei auf Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens bzw. Antragslegitimation betreffend die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens sind lediglich insoweit in Betracht zu ziehen, als sich dies aus den Verwaltungsvorschriften ergibt. Eine in diese Richtung gehende ausdrückliche Regelung, die auf die in Rede stehenden Verpflichtungen anwendbar wäre, besteht nicht. Insbesondere dann, wenn ein Titelbescheid einer Partei - wie hier -

Verpflichtungen (zB Auflagen) auferlegt, deren Erfüllung die Behörde von Amts wegen wahrzunehmen hat, ist die Vollstreckung (nur) von Amts wegen einzuleiten (vgl. Walter/Thienel, aaO).

Die im Beschwerdefall behauptete, im Innenverhältnis mehrerer Antragsteller getroffene privatrechtliche Vereinbarung über die Erfüllung der Verpflichtungen durch einen Antragsteller konnte den anderen Antragstellern keine Antragslegitimation im verwaltungsbehördlichen Zwangsvollstreckungsverfahren verschaffen. In einem solchen Fall wären Ansprüche auf Erfüllung oder aus Nichterfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Soweit öffentlich-rechtliche Verpflichtungen in Rede stehen, ist es im übrigen Sache der Verwaltungsbehörde, die Vollstreckung der im Titelbescheid festgelegten Verpflichtungen von Amts wegen zu bewirken.

Kann ein Verfahren nur von Amts wegen eingeleitet werden, sind diesbezügliche Anträge von Beteiligten durch Bescheid zurückzuweisen (vgl. Walter/Mayer, aaO, Rz 264). Schon aus den genannten Gründen wurde der Antrag des Beschwerdeführers daher zu Recht zurückgewiesen.

Im übrigen ist zu bemerken, dass die Nebenbestimmungen des Bescheides Pkt. 9 und 10 keine subjektiv-öffentlichrechtlichen Ansprüche des Beschwerdeführers festlegen.

Gemäß § 184 Z. 3 ForstG 1975 gilt der Bescheid vom 19. Februar 1971 als Rodungsbewilligung im Sinne des § 18 ForstG 1975. § 18 Abs. 1 ForstG (gemäß § 179 Abs. 5a idF der Forstgesetz-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 59/2002) umschreibt den Zweck der einer Rodungsbewilligung erforderlichenfalls beizugebenden Bedingungen, Fristen oder Auflagen ausdrücklich damit, zu gewährleisten, dass die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt werde. Soweit die in Rede stehenden Vorschreibungen auf dem Forstgesetz beruhen, konkretisieren sie somit das öffentliche Interesse an der Walderhaltung. § 18 ForstG räumt keine subjektiv-öffentlichen Rechte ein. Auch sonst enthält das ForstG keine Vorschrift, die dem Waldeigentümer (unabhängig davon, ob im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 1 ForstG er selbst oder im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 2 bis 6 ein anderer Berechtigter den Antrag auf Rodungsbewilligung eingebracht hat) den Nebenbestimmungen Punkte 9 und 10 des Bescheides vom 19. Februar 1971 korrespondierende subjektiv-öffentliche Rechte einräumte.

Da schon die Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. November 2003

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