VwGH 2003/08/0110

VwGH2003/08/011015.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, in der Beschwerdesache der S GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Alfred S, dieser vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/V, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 17. März 2003, Zl. 125.453/1-6/03, betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (mitbeteiligte Partei:

Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz-Platz 1, 8011 Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §33 Abs1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 26. April 1999 aus, dass näher bezeichnete Personen auf Grund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin in bestimmt bezeichneten Zeiträumen der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen (Punkt I.) und verpflichtete die Beschwerdeführerin zur Zahlung allgemeiner Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge im Gesamtbetrag von S 3,306.705,14.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Mit gesondertem Schriftsatz vom 25. Mai 1999 begehrte sie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Behauptung, das Rechtsmittel könne auf Grund der dort angeführten Gründe für die Beschwerdeführerin nur positiv behandelt werden.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Einspruchsbehörde vor. Im Begleitschreiben vom 3. August 1999 sprach sie sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung "im Hinblick auf die eingangs angesprochene finanzielle Situation" der Beschwerdeführerin und den Umstand, dass der Einspruch kaum Erfolg versprechend erscheine, aus. Im Vorlageschreiben führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur finanziellen Situation der Beschwerdeführerin aus, mit 18. April 1996 sei das Konkursverfahren über das Vermögen der Beschwerdeführerin eröffnet worden. Das Verfahren sei durch Zwangsausgleich mit einer 30 %igen Quote am 6. März 1997 beendet worden.

Mit Bescheid vom 20. April 2000 gab die Einspruchsbehörde dem Antrag der Beschwerdeführerin, dem Einspruch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe den Einwand der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hinsichtlich der Gefährdung der Einbringlichkeit der Beiträge nicht entkräften können.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie u. a. aus, die Zahlung der zu Unrecht vorgeschriebenen Beiträge in voller Höhe sei für sie unmöglich. Sie sei auf Grund geringer Umsätze nicht in der Lage, die Vorschreibung zum jetzigen Zeitpunkt zu begleichen. Eine Gefährdung der Einbringung sei jetzt und bis zur endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. März 2003 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten ausgeführt, die belangte Behörde schließe sich der Rechtsansicht der Unterinstanzen an, wonach das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge schließen lasse. Weiters werde auf die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 18. Oktober 2000 verwiesen.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten hatte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in dem erwähnten Schreiben vom 18. Oktober 2000 ausgeführt, sie sei der Meinung, dass die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin die Gefährdung der Einbringung von Sozialversicherungsbeiträgen bewirke, weil sie nach ihren eigenen Angaben nicht in der Lage sei, die Forderung zum jetzigen Zeitpunkt zu begleichen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde in ihrem Recht auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verletzt.

Aus dem zur Zl. VH 2003/08/0030 protokollierten Verfahren ergibt sich, dass der Landeshauptmann von Steiermark über den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. April 1999 keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid vollinhaltlich bestätigt hat. Dieser Einspruchsbescheid wurde der Beschwerdeführerin am 4. August 2003 zugestellt.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle einer formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980, darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat. Ob in letzterem Sinn das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen; er ist nicht an die Erklärung des Beschwerdeführers gebunden, dieser habe das rechtliche Interesse an seiner Beschwerde nicht verloren.

Im Hinblick auf die geschilderten Verfahrensabläufe besteht für die Beschwerdeführerin kein rechtliches Interesse mehr an einer Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache. Dies deswegen, weil nach der Beendigung eines Rechtsmittelverfahrens (im vorliegenden Fall: des Einspruchsverfahrens) eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für das Rechtsmittel nicht mehr in Betracht kommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, 97/08/0090). Die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin ist seit der Beendigung des Verfahrens daher keine Verschiedene mehr, je nachdem ob der angefochtene Bescheid aufgehoben wird oder nicht.

Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt zwar die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch an die Beschwerdeführerin gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 leg. cit. in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Dies wird dann, wenn der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht völlig eindeutig ist, zur Rückkehr zum Grundsatz des § 58 Abs. 1 VwGG, mithin zur gegenseitigen Aufhebung der Kosten führen (vgl. den hg. Beschluss vom 7. Oktober 1997, 97/11/0094, Slg. Nr. 14.759/A).

Im vorliegenden Fall hätte der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen gehabt, ob dem Einspruch der Beschwerdeführerin aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gewesen wäre. Dies ist gemäß § 412 Abs. 6 ASVG davon abhängig, ob der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend erscheint (Z. 1) oder wenn das Verhalten des Einspruchswerbers (hier Beschwerdeführerin) nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist (Z. 2).

Die belangte Behörde gründete die Abweisung des Antrages ausschließlich auf Einwendungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, die ihrerseits aber nur auf das seinerzeitige Insolvenzverfahren gegründet waren. Dieses zeitlich zurückliegende Insolvenzverfahren ist aber bezogen auf den Zeitpunkt des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Relevanz für die Frage des (aktuellen) Verhaltens der Beschwerdeführerin im Sinne des § 412 Abs. 6 Z. 2 ASVG. Die belangte Behörde fügte ihrer Entscheidung eine weitere Begründung nicht an, sodass die - notwendigerweise - kursorische Prüfung ergibt, dass der angefochtene Bescheid jedenfalls wegen unzureichender Begründung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben gewesen wäre.

Es liegt daher ein Anspruch auf Kostenzuspruch an die Beschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 VwGG vor.

Wien, am 15. Oktober 2003

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