VwGH 2003/08/0061

VwGH2003/08/006113.8.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Bürgerstraße 62, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 18. Februar 2003, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1283/0061/2003-1, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2 idF 1989/388;
AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2 idF 1989/388;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 2. Dezember 2002 beim Arbeitsmarktservice Linz die Gewährung von Notstandshilfe und gab bekannt, dass er zwar verheiratet sei, es bestünden jedoch getrennte Wohnsitze.

Mit Bescheid vom 16. Jänner 2003 gab das Arbeitsmarktservice Linz dem Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung keine Folge, dass das anrechenbare Einkommen seiner Ehefrau die zustehende Notstandshilfe übersteige.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, dass "in den gesetzlichen Regelungen zum Bezug der Notstandshilfe eine Einkommensgrenze nicht zahlenmäßig festgelegt" sei. Das Einkommen der Ehefrau könne daher lediglich dazu führen, dass der Auszahlungsbetrag wesentlich vermindert werde, jedoch nicht zu einer völligen Ablehnung des Antrages. Dazu komme, dass seine Ehefrau nicht im gemeinsamen Haushalt wohne (worauf bereits bei der Antragstellung hingewiesen worden sei) und er deshalb auch nicht krankenversichert sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau Eva R., geboren am 8. August 1950, nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Eva R. sei seit 1. Oktober 1973 als Verwaltungsangestellte bei der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft beschäftigt und erziele dabei laut Lohnbescheinigung folgendes Einkommen, wobei sie keine Rückzahlungsverpflichtungen nachgewiesen habe:

Monat:

Bruttoeinkommen:

Abzüge:

September 2002

EUR 3.190, 97

EUR 1.272,60

Oktober 2002

EUR 3.572,11

EUR 1.471,99

November 2002

EUR 3.462,63

EUR 1.425,42

In der rechtlichen Begründung führte die belangte Behörde aus, dass Notlage eine der Voraussetzungen sei, um Notstandshilfe zu beziehen. Bei der Beurteilung der Notlage des Beschwerdeführers ab dem 2. Dezember 2002 sei das von seiner Ehefrau im Zeitraum von September bis November 2002 erzielte durchschnittliche Nettoeinkommen von EUR 2.007,57 (monatliches Werbungskostenpauschale von EUR 11,-- bereits abgezogen) heranzuziehen. Die errechnete Notstandshilfe des Beschwerdeführers würde ohne Berücksichtigung des Einkommens der Ehefrau täglich EUR 31,63 betragen. Gemäß § 6 Abs. 2 Notstandshilfe-Verordnung sei vom Nettoeinkommen des Ehepartners die gesetzliche Freigrenze von EUR 435,-- für die Ehefrau in Abzug zu bringen. Für die getrennte Haushaltsführung könne eine Freigrenze von monatlich EUR 73,-- gewährt werden. Selbst bei einer maximalen Erhöhung der gesetzlichen Freigrenze des § 6 Abs. 2 Notstandshilfe-Verordnung um 50 % (= EUR 217,50) verbleibe nach Abzug der Gesamtfreigrenze von EUR 652,50 vom Nettoeinkommen der Ehefrau nach wie vor ein anrechenbares Einkommen von EUR 1.355,07 monatlich bzw. EUR 44,55 täglich, welches das Vorliegen von Notlage ausschließe. Da dieser Anrechnungsbetrag die Notstandshilfe von täglich EUR 31,63 bei Weitem übersteige, sei Notlage nicht gegeben und es könne Notstandshilfe nicht gewährt werden.

Dazu nahm die belangte Behörde folgende Berechnung vor:

"mtl. Nettoeinkommen

EUR 2.018,57

Werbungskostenpauschale

- EUR 11,--

gesetzliche Freigrenze

- EUR 435,--

Freigrenzenerhöhung

- EUR 217,50

mtl. Anrechnung

EUR 1.355,07

  

täglicher Anrechnungsbetrag

EUR 44,55

  

Notstandshilfe ohne Anrechnung

EUR 31,63

täglicher Anrechnungsbetrag

- EUR 44,55

Ihr Anspruch

EUR 0,--"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich der Sache nach gegen die Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau auf den Notstandshilfebezug und die daraus resultierende Abweisung seines Antrages auf Notstandshilfe.

§ 2 Abs. 2 der insoweit auf § 36 Abs. 2 AlVG beruhenden Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 388/1989, lautet:

"(2) Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort uä.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Gleiches gilt, wenn der (die) Arbeitslose die Hausgemeinschaft mit dem Ehepartner (Lebensgefährte bzw. der Lebensgefährtin) nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen."

Eine Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Arbeitslosen setzt demgemäss voraus, dass der Arbeitslose im relevanten Zeitraum mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt oder ein solcher gemeinsamer Haushalt zwar nicht besteht, der Arbeitslose aber die Hausgemeinschaft mit seiner Ehefrau nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung ihres Einkommens auf die ihm gebührende Notstandshilfe zu entgehen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau Eva R. nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Nicht festgestellt wurde dagegen, dass ein gemeinsamer Haushalt nur deshalb nicht besteht, um die Anrechnung des Einkommens der Ehefrau zu vermeiden. In ihrer Gegenschrift konkretisierte die belangte Behörde ihre Feststellung noch dahingehend, dass die Eheschließung des Beschwerdeführers erst "einige Zeit" vor der Antragstellung auf Notstandshilfe erfolgt sei und weiterhin zwei Wohnsitze bestünden, da die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Haus nicht aufgeben wolle.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift durch einen Hinweis auf § 2 Abs. 2 letzter Satz NHV anzudeuten scheint, es könnte der Tatbestand dieser Bestimmung vorliegen, so ist ihr (erstens) entgegenzuhalten, dass sie dazu im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen getroffen hat (und diese auch in ihrer Gegenschrift nicht nachholen kann); sie ist aber auch (zweitens) darauf hinzuweisen, dass der Umstand der erst "vor einiger Zeit" erfolgten Eheschließung (genauere Feststellungen zum Datum der Eheschließung liegen weder vor noch sind sie den vorgelegten Akten zu entnehmen; der Beschwerdeführer hat bei vorangegangenen Anträgen jeweils angegeben, alleinstehend zu sein) für sich allein noch keinen Schluss dahin zulässt, dass der Beschwerdeführer der (noch gar nicht begründeten) Haushaltsgemeinschaft mit seiner Ehefrau nur deshalb ferngeblieben wäre, um der Anrechnung von deren Einkommen auf die Notstandshilfe zu entgehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. August 2003

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