VwGH 2003/07/0111

VwGH2003/07/011111.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der M GmbH in Wien, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Juli 2003, Zl. 61 3572/29-VI/1/03-Ga betreffend Feststellung nach § 6 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §6 Abs4;
VwRallg;
AWG 2002 §6 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 stellte die Bezirkshauptmannschaft L (BH) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102 (AWG 2002) über Antrag der beschwerdeführenden Partei fest, dass die am 22. Mai 2003 am Zollamt S gestellte Ware, nämlich Zinkbadabschöpfung in einer Menge von 22.170 kg, zur Einfuhr nach Österreich transportiert mit einem näher bezeichneten LKW, kein notifizierungspflichtiger Abfall ist.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Juli 2003 änderte die belangte Behörde den Bescheid der BH vom 23. Mai 2003 gemäß § 6 Abs. 4 AWG 2002 dahin ab, dass festgestellt wurde, dass die im Spruch des Bescheides der BH angeführte Ware (Zinkabschöpfung) notifizierungspflichtiger Abfall ist.

Dieser Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 22. Juli 2003 zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei bringt u.a. vor, der Bescheid der BH vom 23. Mai 2003 sei ihr am selben Tag mit Telefax zugestellt worden, was sich aus der von ihr vorgelegten Ausfertigung dieses Bescheides ergebe. Die der belangten Behörde durch § 6 Abs. 4 AWG 2002 eingeräumte sechswöchige Frist zur Abänderung dieses Bescheides sei daher am 4. Juli 2003 abgelaufen. Erst vier Tage nach Ablauf der sechswöchigen Änderungsfrist, nämlich am 8. Juli 2003, habe die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei eine Aufforderung zur Stellungnahme zu einem Sachverständigengutachten übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Bescheid der BH aber schon rechtskräftig und die belangte Behörde zu seiner Abänderung nicht mehr befugt gewesen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die belangte Behörde führt zur Frage der Zustellung des Bescheides der BH an die beschwerdeführende Partei in der Gegenschrift aus, mit Schreiben vom 6. Juni 2003 sei die BH zur Aktenvorlage aufgefordert worden. Am 7. Juli 2003 sei die Aktenvorlage fernmündlich urgiert worden. Die Frage, wann der Bescheid der BH vom 23. Mai 2003 der beschwerdeführenden Partei zugestellt worden sei, habe seitens der BH nicht beantwortet werden können. Mit Fax vom 9. Juli 2003 sei schließlich der Verwaltungsakt übermittelt worden, aus dem hervorgehe, dass der Bescheid der BH laut handschriftlichen Vermerken auf der letzten Seite dieses Bescheides sowie auf den Sendeberichten sowohl an die belangte Behörde als auch an das Zollamt S per Fax und an die beschwerdeführende Partei gemäß Übernahmebestätigung vom 27. Mai 2003 auf dem Postweg zugestellt worden sei. Ein Hinweis auf eine Fax-Zustellung auch an die beschwerdeführende Partei lasse sich dem Akt nicht entnehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der mit "Feststellungsbescheide" überschriebene § 6 AWG 2002 lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

  1. 1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,
  2. 2. welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

    3. ob eine Sache gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 30 vom 06. 02. 1993, S. 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

    hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z. 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

(2) ...

(3) Örtlich zuständige Behörde erster Instanz für Feststellungsbescheide gemäß Abs. 1 ist die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Wirkungsbereich sich die Sache zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens befindet.

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der diesbezüglichen Akten unverzüglich an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestelt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen."

Erlassen ist der Feststellungsbescheid, wenn er dem Antragsteller zugestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die sechswöchige Frist des § 6 Abs. 4 AWG 2002 zur Abänderung oder Aufhebung des Bescheides zu laufen.

Die Bestimmung des § 6 Abs. 4 letzter Satz AWG 2002, dass die Zeit des Parteiengehörs nicht in die Frist einzurechnen ist, kommt nur zum Tragen, wenn das Parteiengehör innerhalb der Sechswochenfrist gewährt wird. Ist diese Frist einmal abgelaufen, wird sie auch durch Gewährung des Parteiengehörs nicht wieder in Gang gesetzt.

§ 6 Abs. 4 AWG 2002 enthält eine Zuständigkeitsordnung mit zeitlicher Begrenzung. Nach Ablauf der Sechswochenfrist ist die Oberbehörde zur Aufhebung oder Abänderung eines Feststellungsbescheides nicht mehr zuständig (zur "Zuständigkeitsordnung mit zeitlicher Begrenzung" vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Februar 1979, 965/77 = VwSlgNF 9761/A)

Nach § 18 Abs. 3 zweiter Satz AVG können schriftliche Erledigungen zugestellt oder telegraphisch, fernschriftlich oder mit Telefax übermittelt werden. Solche Übermittlungen gelten nach § 1 Abs. 2 ZustG als Zustellung.

Die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Ausfertigung des Bescheides der BH vom 23. Mai 2003 weist die Fax-Absenderdaten der BH auf und zeigt, dass diese Ausfertigung der beschwerdeführenden Partei von der BH mit Telefax am 23. Mai 2003 zugestellt wurde. Entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift wird dies auch durch den Akteninhalt bestätigt. Im Akt erliegt ein "Sendebericht" über eine Faxsendung der BH vom 23. Mai 2003, der die per Telefax am 23. Mai 2003 erfolgte Übermittlung des Bescheides der BH vom 23. Mai 2003 an die Faxnummer xy betrifft. Das aber ist die Faxnummer der beschwerdeführenden Partei. Es ist daher davon auszugehen, dass der erstinstanzliche Bescheid der beschwerdeführenden Partei am 23. Mai 2003 zugestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt begann die sechswöchige Frist des § 6 Abs. 4 AWG 2002 zu laufen. Die am 27. Mai 2003 erfolgte Übermittlung einer Ausfertigung des Bescheides der BH auf dem Postweg konnte die Frist nicht neuerlich in Gang setzen (§ 6 ZustG).

Die sechswöchige Frist des § 6 Abs. 4 AWG 2002 endete am 4. Juli 2003. Erst am 8. Juli 2003 übermittelte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei eine Aufforderung zur Stellungnahme zu einem Sachverständigengutachten. Da diese Gewährung von Parteiengehör erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist des § 6 Abs. 4 AWG 2002 erfolgte, konnte sie den Lauf der Frist nicht mehr neu in Gang setzen.

Der erst am 22. Juli 2003 zugestellte angefochtene Bescheid erging somit außerhalb der der Behörde für eine Abänderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zur Verfügung stehenden Frist. Nach Ablauf dieser Frist aber war die belangte Behörde zur Abänderung des Bescheides nicht mehr zuständig.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 11. Dezember 2003

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