VwGH 2002/16/0276

VwGH2002/16/027630.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in Wien I, Dominikanerbastei 4, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 26. September 2002, ABK-M 42/2000, betreffend Haftung für Getränkesteuer für Jänner 1997 bis Mai 1997, zu Recht erkannt:

Normen

31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
GetränkesteuerV Wr 1992 §5 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
GetränkesteuerV Wr 1992 §5 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Offene Gemeindeabgabenverbindlichkeiten der H. GmbH waren uneinbringlich; über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 23. März 1998 das Konkursverfahren eröffnet.

Mit einem Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Februar 2000 wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, er habe mit einem Kaufvertrag vom 27. Mai 1997 den Gastgewerbebetrieb der H. GmbH übernommen. Als Nachfolger dieses Betriebes hafte er für näher angeführte Steuerschulden aus dem Betrieb dieses Unternehmens.

In einem Schriftsatz vom 21. Februar 2000 wurden Einwendungen gegen die Annahme einer Betriebsübertragung an den Beschwerdeführer erhoben.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. März 2000 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 12 WAO unter anderem zur Haftung für Getränkesteuer der H GmbH für die Monate Jänner bis Mai 1997 herangezogen. Der Haftungsbescheid wurde am 7. März 2000 zugestellt. In der Begründung des Bescheides wurde die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer habe mit dem Kaufvertrag vom 27. Mai 1997 das Unternehmen der H. GmbH erworben.

In der am 4. April 2000 eingebrachten Berufung gegen diesen Haftungsbescheid wurde vorgebracht, es seien mit dem Vertrag vom 27. Mai 1997 keine Mietrechte (an dem Geschäftslokal) übertragen worden. Außerdem widerspreche die Einhebung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke der Verbrauchsteuer-Richtlinie.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde hinsichtlich der Haftung für Getränkesteuer darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer vor Ergehen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 die Getränkesteuerschuld nicht bestritten habe. Trotz des Vorhaltes vom 3. Februar 2000 sei die Rechtmäßigkeit der Getränkesteuer im Schreiben vom 21. Februar 2000 nicht in Frage gestellt worden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht für Getränkesteuervorschreibungen zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Punkt 2. 2. Satz des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000, C 437/97 , steht

Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 der Beibehaltung einer auf alkoholische Getränke erhobenen Steuer entgegen. Nach Punkt 3. des Urteils kann sich niemand auf Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Nach § 171 Wiener Abgabenordnung (vergleichbar mit § 224 BAO) werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. Darin ist der Haftungspflichtige aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Nach § 5 Abs 1 der Wiener Getränkesteuer-Verordnung 1992, LGBl. Nr. 6/1992, hat der Steuerpflichtige bis zum 15. Tag eines jeden Monats die Steuer für den Vormonat zu entrichten.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten seien ihm gegenüber als Haftungspflichtigen erst nach dem Urteil des EuGH (entsprechend dem am 7. März 2000 zugestellten Haftungsbescheid) fällig geworden. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift demgegenüber darauf, dass es sich bei der Geltendmachung der Haftung um eine Einbringungsmaßnahme handle und somit die bereits einmal eingetretene Fälligkeit nicht mehr verändert werden könne. Im Schrifttum wird die Frage, ob die Heranziehung zur Haftung für den Haftungspflichtigen eine eigene Fälligkeit begründet, unterschiedlich beantwortet (zustimmend Stoll, BAO-Kommentar, 2353, und Ritz, BAO2, § 224, Rz 8; ablehnend Bartosch, ÖStZ 1972, 231, unter Berufung auf Reeger/Stoll, BAO (1966) N 6 zu § 224). Bei Lösung der Frage, ob es sich bei der Vorschrift des § 171 WAO um die Bestimmung eines Fälligkeitstages oder aber um die Angabe einer Zahlungsfrist (vgl hinsichtlich der bundesrechtlich geregelten Abgaben § 217 Abs 3 BAO) handelt, wird auch darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die Heranziehung zur Haftung nicht voraussetzt, dass die Abgabenschuld gegenüber dem Primärschuldner bereits geltend gemacht wurde. In Fällen, in denen nicht schon in einer materiellen Abgabenvorschrift ein Fälligkeitszeitpunkt festgesetzt ist, - insbesondere also bei den bescheidmäßig vorzuschreibenden Abgaben - würde bei Erlassung des Haftungsbescheides demnach eine fällige Abgabe noch gar nicht bestehen. Diese von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgeworfene Frage kann aber dahin stehen:

Durch Spruchteil 3. des Urteils des EuGH vom 9. März 2000 erfährt die im Spruchteil 2. ausgesprochene Unanwendbarkeit der innerstaatlichen Getränkesteuervorschriften eine Einschränkung hinsichtlich der Steuer auf alkoholische Getränke, die vor dem 9. März 2000 entrichtet oder fällig geworden sind. Dieser Spruchteil wird in den RNr 55 - 60 der Begründung mit den Einwendungen der Bundesregierung begründet, wonach die Rückzahlung der rechtsgrundlos entrichteten Steuer durch die Gemeinden deren Finanzierungssystem rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttern würde. Für die Einbeziehung der fällig gewordenen - aber allenfalls noch nicht entrichteten - Steuer in den Anwendungsbereich des Spruchteils 3. wird im Urteil keine explizite Begründung gegeben. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beruft sich aber insbesondere auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit. Ein solcher Grundsatz, aber auch das - am Gleichheitssatz orientierte -

Erfordernis der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebieten es aber, die Wirkungen des Urteils zeitlich nicht nur hinsichtlich solcher Abgaben zu begrenzen, die bereits entrichtet wurden und damit zurückgefordert werden könnten, sondern auch hinsichtlich solcher Abgaben, die entgegen den Abgabenvorschriften nicht entrichtet wurden und damit dem Haushalt des Abgabengläubigers noch gar nicht zugeflossen waren. Die grundsätzliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Spruchteil 2. des Urteils steht somit im Hinblick auf die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereiches im Spruchteil 3. der Erlassung eines Bescheides über die Haftung für die Steuer auf alkoholische Getränke nicht entgegen, mit der eine bisher nicht selbst bemessene und vom Abgabenschuldner nicht entrichtete Steuer dem Haftungspflichtigen gegenüber geltend gemacht wird. Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof unter dem Begriff der Fälligkeit den Zeitpunkt gemeint hat, der in den jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften über die Getränkesteuer - die eine selbst zu bemessende Abgabe ist - als Zahlungszeitpunkt genannt ist.

Die dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Getränkesteuerschulden für Jänner bis Mai 1997 sind nach der grundsätzlichen Bestimmung des § 5 Abs 1 WrGetrStVO bereits vor dem 9. März 2000 fällig geworden; Einbringungsversuche waren erfolglos. Da vor diesem Tag kein Rechtsbehelf gegen die Heranziehung zur Haftung für diese Abgabenschulden eingelegt worden ist, konnte sich der Beschwerdeführer auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Abgabe auf alkoholische Getränke nicht berufen. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 30. April 2003

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