VwGH 2002/10/0203

VwGH2002/10/02035.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des N N in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. September 2002, Zl. MA 15-II-J 28/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
SHG Wr 1973 §3;
SHG Wr 1973 §31 Abs1;
SHG Wr 1973 §4;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
SHG Wr 1973 §3;
SHG Wr 1973 §31 Abs1;
SHG Wr 1973 §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und weiteren Beilagen ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Der im Jahre 1955 geborene Beschwerdeführer steht seit mehreren Jahren im Bezug der Sozialhilfe. Mit Schreiben vom 27. Februar 2002 stellte er beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, den Antrag auf Übernahme der Kosten für zwei CD's inklusive einem 100-seitigen Buch (Latein:

Vokabel- und Grammatiktrainer; Lernpaket Englisch) in Höhe von je EUR 6,99. Diese Kosten seien im Richtsatz nicht enthalten, weshalb die gesonderte Zuerkennung beantragt werde.

Dem Antrag war ein Kassabon der Hofer KG vom 2. Februar 2002 angeschlossen.

Mit Bescheid vom 1. März 2002 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Beschwerdeführers gemäß den §§ 12 und 13 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) ab. Nach der Begründung sei die angemessene Teilnahme am kulturellen Leben bereits im Richtsatz enthalten. Sie umfasse (nach Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 435) etwa ein Radio- oder Fernsehgerät, Bücher oder gelegentliche Kino- oder Konzertbesuche. Da auch das Erlernen einer Fremdsprache unter den Tatbestand der Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben zu subsumieren sei, sei keine zusätzliche Unterstützung zu gewähren.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Behörde stelle eine bloße Behauptung auf, die keiner Verifizierung zugänglich sei. Sie bleibe die "euromäßige Auflistung" all der aufgezählten monatlichen Bedürfnisse, die im Richtsatz enthalten sein sollten, schuldig. Die Behörde vertrete (auch in Parallelverfahren) die irrige Auffassung, dass Strom- und Gaskosten, Telefongebühren sowie die Kosten der Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen im Richtsatz enthalten seien. Eine Berechnung all dieser Bedürfnisse zeige jedoch, dass dann fast nichts mehr für Essen übrig bleibe. Der Richtsatz sei nicht so bemessen, dass er gemäß § 13 Abs. 3 WSHG den monatlichen Bedarf an Nahrung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Es liege vielmehr eine willkürliche Richtsatzfestsetzung vor. Die Behörde hätte sich im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufstellung seiner Kosten auseinandersetzen müssen. Sie übersehe auch, dass der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist, zu decken sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers sei der ab 1. Jänner 2002 geltende Richtsatz für einen Erwachsenen und zwei Kinder in Höhe von EUR 706,82 zugrunde gelegt worden. Dieser Richtsatz sei gemäß § 13 Abs. 4 WSGH ein erhöhter Richtsatz, der bei Familien mit Kindern im Einzelfall herangezogen werden könne. Nach Auffassung der belangten Behörde decke der herangezogene Richtsatz den im Antrag vom 27. Februar 2002 geltend gemachten Sonderbedarf für Lern- bzw. Weiterbildungs-CD's, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so zu bemessen sei, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Dieser Bedarf sei bereits bei der Richtsatzbemessung zu berücksichtigen und folglich nicht durch anlassbezogene Einzelleistungen zu decken. § 13 Abs. 6 WSHG, der den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf an Lebensunterhalt zum Inhalt habe, sei nicht anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung seines Antrages vom 27. Februar 2002 die geltend gemachten Kosten bereits beglichen hatte.

Bei der Hilfegewährung nach dem Wiener Sozialhilfegesetz ist grundsätzlich situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen. Dem gemäß scheidet im Regelfall die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln finanziert worden sind, aus. Die Abwendung eines akuten Notfalles ist im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer getätigten Aufwendungen nicht ersichtlich (vgl. z.B. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0238).

Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war somit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei Abweisung der Beschwerde nach § 35 VwGG kann von der Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages abgesehen werden (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 533 wiedergegebene Rechtsprechung ).

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

2. Im Hinblick auf ähnlich gelagerte Anträge des Beschwerdeführers sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgenden Ausführungen veranlasst:

Die vom Beschwerdeführer getätigten Aufwendungen sind im vorliegenden Fall der Pflege der Beziehungen zur Umwelt bzw. der Teilnahme am kulturellen Leben gemäß § 13 Abs. 3 WSHG zuzurechnen und im Sinne der zitierten Gesetzesstelle bei der Richtsatzbemessung berücksichtigt. Nun kommt eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG nur in Betracht, wenn auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht beim Hilfe Suchenden eine Situation besteht, die sich von der im Allgemeinen bei Hilfe Suchenden bestehenden Bedarfslage deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten Bedarf begründet. Dass dies im Falle des Beschwerdeführers so wäre und daher bei ihm auf Grund seiner persönlichen Verhältnisse ein (im Vergleich zu anderen Sozialhilfebeziehern) erhöhter Bedarf nach Pflege der Beziehungen zur Umwelt bzw. nach Teilnahme am kulturellen Leben bestünde, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht behauptet. Eine Berücksichtigung kultureller Ausgaben bzw. von Ausgaben für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt als Sonderausgaben nach § 13 Abs. 6 WSHG kommt nicht in Frage, da es sich dabei um einen Richtsatzbedarf nach § 13 Abs. 3 WSHG handelt (vgl. dazu etwa die den Beschwerdeführer betreffenden

Erkenntnisse vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0050, und vom heutigen Tag, Zl. 2003/10/0017).

Wien, am 5. Mai 2003

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