VwGH 2002/10/0195

VwGH2002/10/01955.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. Erwin Senoner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Alserstraße 21, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. September 2002, Zl. MA 15-II-J 23/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §1 Abs1;
SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §1 Abs1;
SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der angeschlossenen Ausfertigung des angefochtnen Bescheides und weiteren Beilagen ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Der im Jahre 1955 geborene Beschwerdeführer steht seit mehreren Jahren im Bezug der Sozialhilfe. Mit Schreiben vom 21. Februar 2002 beantragte er beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialreferat, die Übernahme von Telefonkosten für den Zeitraum vom 30. November 2001 bis 31. Jänner 2002 in Höhe von EUR 41,59.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 28. Februar 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers unter Berufung auf das Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 11/1973, sowie der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 (Richtsatzverordnung), abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Telefonkosten nicht im Richtsatz enthalten seien. Die Behörde erster Instanz behaupte lediglich, dass der gegenständliche Sonderbedarf von Richtsatz gedeckt sei, was jedoch mangels einer "euromäßigen Auflistung" keiner Verifizierung zugänglich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

Nach der Begründung habe der Sozialhilfebedarf des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 24. November 2001 bis 22. Jänner 2002 dessen Einkommen überstiegen. In dieser Zeit habe daher grundsätzlich ein Anspruch auf Sozialhilfe bestanden. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 2002 sei ihm unter Berücksichtigung der Mietbeihilfe für die Monate Dezember 2001 und Jänner 2002 sowie der Heizkostenbeihilfe für den Monat Jänner 2002 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in der Höhe von EUR 1.135,37 gewährt worden. Bei der Berechnung seines Sozialhilfeanspruches sei der Richtsatz für einen Erwachsenen und zwei Kinder für das Jahr 2002 in Höhe von S 9452,-- und für das Jahr 2002 von EUR 706,82 zugrunde gelegt worden. Dieser Richtsatz sei ein gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhter Richtsatz, der bei Familien mit Kindern im Einzelfall herangezogen werden könne. Nach Auffassung der belangten Behörde decke der herangezogene Richtsatz auch den geltend gemachten Bedarf an Telefonkosten, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so zu bemessen sei, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Dieser Bedarf sei bereits bei der Richtsatzbemessung zu berücksichtigen und nicht durch anlassbezogene Einzelleistungen zu decken. § 13 Abs. 6 WSHG, der den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf an Lebensunterhalt zum Inhalt habe, sei nicht anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973, von Bedeutung:

"Aufgaben und Leistungen der Sozialhilfe

§ 1. (1) Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

...

Rechtsanspruch

§ 7. Auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat der Hilfe Suchende einen Rechtsanspruch. Die Zuerkennung hat durch Bescheid zu erfolgen.

Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes

Anspruch

§ 8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

...

Einsatz der eigenen Mittel

§ 10. (1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

...

Lebensbedarf

§ 11. (1) Zum Lebensbedarf gehören

1. Lebensunterhalt,

...

Lebensunterhalt

§ 12. Der Lebensunterhalt umfasst insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

Geldleistungen

§ 13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind folgende Arten von Richtsätzen vorgesehen:

1. Richtsatz für den Alleinunterstützten,

  1. 2. Richtsatz für den Hauptunterstützten,
  2. 3. Richtsatz für den Mitunterstützten.

Der in Z. 1 bezeichnete Richtsatz hat im Umfang des Abs. 3 den Lebensunterhalt eines Hilfe Suchenden zu decken, der keine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen hat. Die in Z. 2 und 3 bezeichneten Richtsätze haben zusammen den Lebensunterhalt eines Hilfe Suchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen im Umfange des Abs. 3 zu decken. Bezieht ein mit dem Hilfe Suchenden in Familiengemeinschaft lebender unterhaltsberechtigter Angehöriger von einem außerhalb der Familiengemeinschaft lebenden Dritten eine Unterhaltsleistung, die die Höhe des Richtsatzes für einen Mitunterstützten übersteigt, so ist dieser Angehörige bei der Bedarfsermittlung nicht zu berücksichtigen. Dies gilt sinngemäß auch für Lehrlingsentschädigungen oder für ein allfälliges sonstiges Einkommen dieses Angehörigen.

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. ...

...

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Telefonkosten des Beschwerdeführers seien bereits im allgemeinen Richtsatz nach § 13 Abs. 3 WSHG im Rahmen des Aufwandes für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt enthalten und daher nicht durch "anlassbezogene Einzelleistungen" zu finanzieren.

Dem hält die Beschwerde entgegen, bei den Richtsätzen handle es sich um schematisierte Durchschnittsbeträge, durch die eine "Außerstreitstellung" eines bestimmten Mindestbedarfes bewirkt werden solle. Es handle sich dabei um eine verwaltungsökonomische Vorgangsweise, welche die Behandlung von "Routinefällen" erleichtern solle. Nach den Bestimmungen der §§ 1, 3, 7 und 8 WSHG habe der Sozialhilfeempfänger aber einen Rechtsanspruch darauf, dass sein gesamter Lebensbedarf nach seinen individuellen Bedürfnissen gesichert werde. Die belangte Behörde hätte daher eine Prüfung des individuellen Bedarfes des Beschwerdeführers vornehmen müssen. Die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen darüber getroffen, wie hoch der monatliche Bedarf des Beschwerdeführers insgesamt sei und ob überhaupt Geld zur Abdeckung der Telefonkosten vorhanden sei. Hätte die Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, so hätte er durch Vorlage einer Aufstellung seiner Ausgaben nachweisen können, dass der gewährte Richtsatz seinen gewöhnlichen monatlichen Aufwand nicht decke und die angesprochenen Telefonkosten darin nicht enthalten sein könnten. Die belangte Behörde habe auch in keiner Weise bedacht, dass die Pflege der Beziehungen zur Umwelt im Wege der Telekommunikation nicht nur zur Kontaktpflege mit Bekannten, sondern auch und vor allem der "Daseinsvorsorge" diene, so etwa zur Koordination von Arztterminen für die beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers, der Kinderbetreuung (Hort), sowie dem Verkehr mit Ämtern und Behörden (Magistratsabteilung 12, Arbeitsmarktservice, Wiener Gebietskrankenkasse, etc.). Der Umstand, dass tatsächlich der größte Teil der angefallenen Telefonkosten der Daseinsvorsorge gedient habe, könne der der Beschwerde angeschlossenen, vom Beschwerdeführer angelegten Telefonliste unschwer entnommen werden. Da § 13 Abs. 3 WSHG nur den Bedarf an Pflege der Beziehungen zur Umwelt regle, bleibe ungeklärt, ob die "Aufrechterhaltung einer Telekommunikationsleitung für die Notwendigkeit der Daseinsvorsorge" nicht vielmehr unter § 13 Abs. 6 WSHG zu subsumieren sei.

Auf dieses Vorbringen ist zu erwidern, dass § 1 Abs. 1 WSHG festlegt, dass die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen hat, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Auf welche Weise dies erreicht wird, konkretisiert sich in den weiteren Bestimmungen des Gesetzes bzw. der Richtsatzverordnung. In diesem Zusammenhang ist auf § 12 WSHG zu verweisen, der eine Aufzählung der maßgebenden Bestandteile des Lebensunterhaltes enthält. Schon allein daraus ist erkennbar, dass Sozialhilfeleistungen lediglich existentielle Grundbedürfnisse zu befriedigen haben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 93/08/0181), zu denen allerdings - im Gegensatz zum früheren Armenrecht - in einem angemessenen Ausmaß auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben gehört; insofern geht der Lebensunterhalt hier also über die Sicherung des physischen Existenzminimums hinaus (vgl. dazu die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Regelung der Sozialhilfe, Beilage Nr. 17/72).

Nach § 13 Abs. 3 WSHG ist der Richtsatz so zu bemessen, dass er im angemessenen Ausmaß auch den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt deckt.

Gemäß § 13 Abs. 4 WSHG kann der Richtsatz im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen sind dem Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt zuzurechnen, der im Sinne des § 13 Abs. 3 WSHG bei der Richtsatzbemessung berücksichtigt ist (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0050). Nun kommt eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG nur in Betracht, wenn auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht beim Hilfe Suchenden eine Situation besteht, die sich von der im Allgemeinen bei Hilfe Suchenden bestehenden Bedarfslage deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten Bedarf begründet. Dass dies im Falle des Beschwerdeführers so wäre und daher bei ihm auf Grund seiner persönlichen Verhältnisse ein (im Vergleich zu anderen Sozialhilfebeziehern) erhöhter Bedarf nach Pflege der Beziehungen zur Umwelt bestünde, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf die "oftmalige Erkrankung" seiner Kinder bzw. mit häufigen Behördenwegen und -vorsprachen wird ein erhöhter Bedarf nach § 13 Abs. 4 WSHG nicht dargetan (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 31. März 2003). Für eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG besteht daher kein Raum.

Bei der vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Telefonliste handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung gemäß § 41 VwGG. Aus dieser Liste ergibt sich im Übrigen kein Umstand, der geeignet wäre, darzutun, dass die Lebenssituation des Beschwerdeführers von der im Allgemeinen bestehenden Bedarfssituation von Hilfe Suchenden in einem Ausmaß abweiche, das einen erhöhten Bedarf begründe.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Wien, am 5. Mai 2003

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