VwGH 2002/10/0171

VwGH2002/10/017125.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 2. September 2002, Zl. 21.301-RI-516/30-2002, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Slbg 1999 §24 Abs4 Z3;
NatSchG Slbg 1999 §25 Abs1 lite;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs2 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs4 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs6 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §44 Abs1;
NatSchG Slbg 1999 §50 Abs3 idF 2002/001;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Slbg 1999 §24 Abs4 Z3;
NatSchG Slbg 1999 §25 Abs1 lite;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs2 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs4 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §3a Abs6 idF 2002/001;
NatSchG Slbg 1999 §44 Abs1;
NatSchG Slbg 1999 §50 Abs3 idF 2002/001;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde den Österreichischen Bundesbahnen die naturschutzbehördliche Bewilligung "zur Herstellung des HL-Profiles im Zuge der Streckensanierung mit Untergrundverstärkungen mit geländeverändernden Maßnahmen mit Berührung von drei Biotopen (Bäche und Teiche) im Bereich der Strecke Wien-Salzburg, km 305.881 bis km 310.833 (mit Ausnahme des Streckenabschnittes km 307,150 bis km 307,300) nach Maßgabe des diesem Bescheid zugrundeliegenden und als solches gekennzeichneten Projektes von Dipl. Ing. G." unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen.

Im Beschwerdeverfahren sind folgende Nebenbestimmungen von Bedeutung:

"V. Vorschreibung von Ersatzleistungen (§ 3a NSchG):

Für Renaturierungs- und Besucherlenkungsmaßnahmen im Naturschutzgebiet und Natura 2000 Gebiet Wallersee-Wengermoor ist eine Ersatzleistung in Form eines Geldbetrages in der Höhe von EUR 67.800,-- bis spätestens 31. Dezember 2004 auf das Konto des Naturschutzfonds zu überweisen.

VI. Vorschreibung einer ökologischen Bauaufsicht (§ 50 Abs. 3 NSchG):

...

4. Das zur Bestellung beabsichtigte Bauaufsichtsorgan ist der Naturschutzbehörde namhaft zu machen und darf die Bestellung erst nach vorliegender schriftlicher Zustimmung der Naturschutzbehörde erfolgen.

VII. Vorschreibung einer Sicherheitsleistung (§ 44 NSchG):

Als Sicherheitsleistung für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtungen ist ein Geldbetrag in der Höhe von EUR 1 000 000 über ein halbes Jahr des Fertigstellungszeitraumes hinaus, somit bis 30.11.2005, in Form einer Bankgarantie bei der Naturschutzbehörde zu hinterlegen. Die Sicherheitsleistung wird frei, wenn nach behördlicher Überprüfung schriflich von der Naturschutzbehörde bestätigt worden ist, dass sämtliche Auflagenpunkte bescheidgemäß durchgeführt worden sind. Sie verfällt, wenn nicht spätestens bis 30.5.2005 sämtliche Vorschreibungen erfüllt worden sind."

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere der Wiedergabe der Stellungnahmen des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen und der Salzburger Landesumweltanwaltschaft, und Zitat der §§ 24, 25 des Salzburger Naturschutzgesetzes dargelegt, die von den Österreichischen Bundesbahnen in einem Streckenabschnitt der Strecke Wien-Salzburg in einem Bereich von ca. 5 km vorgesehenen Maßnahmen zum Streckenausbau (Hochleistungsstrecke) und zur Streckensanierung fielen unter den Bewilligungstatbestand des § 25 NSchG. Die Erneuerung der Streckengleise, die Erstellung eines Regelprofils unter Berücksichtigung der HL-Richtlinien und die Errichtung eines ca. 3 m breiten Bedienungsweges parallel zur Trasse bedinge Aufweitungen, die sich auf die Bahnböschungen auswirkten. Im Zusammenhang mit der Sicherung der Hangböschungen würden über eine gesamte Längserstreckung von ca. 1200 m Steinsätze (entspreche ca. 25 % der Hangfußabschnitte) mit bis zu 4,70 m Höhe errichtet. Des Weiteren würden zwei Bäche und Teiche berührt, sodass § 24 NSchG zur Anwendung käme. Die Bäche und Teiche blieben "grundsätzlich" erhalten, der zwischen Bahndamm und den Teichen liegende Bruchwald werde jedoch durch Anschüttungen zerstört. Es sei nicht festzustellen, dass die Teiche und Bäche erheblich beeinträchtigt würden; dafür sei daher keine Ersatzleistung vorzuschreiben. Die Maßnahmen im Zuge der Streckensanierung und Trassenverbreiterung, insbesondere die Errichtung des Begleitweges mit wassergebundener Schotterdecke und der zur Hangsicherung notwendigen Steinsätze seien vom Sachverständigen in schlüssiger und nachvollziehbarer Form als erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Charakters der Landschaft im Sinne des § 25 NSchG bewertet worden. Durch die Neugestaltung der Böschungsbereiche und die Errichtung eines Begleitweges entstehe "logischerweise eine Veränderung zum Istzustand, auch wenn sich natürlich am grundsätzlichen Trassenverlauf nichts ändert". Es sei festzustellen, dass insgesamt die Bahnanlage samt Nebenanlage nach Durchführung der Maßnahmen anders in Erscheinung trete als bisher. Da seit dem Ausbau im Jahr 1902 doch ein erheblicher Zeitraum vergangen sei, habe sich durch die vom Sachverständigen dargestellten Faktoren (intensiver Bewuchs an den Böschungen, Braunfärbung des Bahnkörpers, geringer Flächenverbrauch) eine gute Einbindung der Bahnanlage in die Landschaft eingestellt. Durch die beabsichtigten Maßnahmen werde nun "sicherlich erheblich" in das bestehende Landschaftsbild eingegriffen, wobei sich "natürlich auch wiederum im Laufe der Jahrzehnte durch entsprechenden Bewuchs etc. ein günstigeres Bild entwickeln wird". Zu den Hinweisen der Beschwerdeführerin betreffend die Bewilligung vergleichbarer Maßnahmen im Landschaftsschutzgebiet Wallersee werde bemerkt, dass "im verfahrensgegenständlichen Abschnitt doch 1.200 m Steinsätze mit einer Höhe bis zu 4,70 m und der Begleitweg doch anders zu beurteilen" seien. Die mit Verordnung der Bundesregierung vom 19. Dezember 1989, BGBl. Nr. 675/1989, erfolgte Erklärung des Streckenabschnittes Attnang/Puchheim - Staatsgrenze bei Salzburg zur Hochleistungsstrecke umfasse auch den gegenständlichen Streckenabschnitt. Es werde von der Naturschutzbehörde als öffentliches Interesse anerkannt, dass dieser Streckenausbau als dem Stand der Technik entsprechend notwendig sei und auch keine weniger beeinträchtigenden Alternativlösungen bestünden. Der Ausbau der bestehenden Bahnstrecke sei auch im Zusammenhang mit Nahverkehrsprogrammen, Klimaschutz etc. als öffentliches Interesse zu sehen. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3a NSchG werde festgestellt, dass im gegenständlichen Fall dem Ausbau bzw. der Adaptierung des verfahrensgegenständlichen Streckenabschnittes ein höheres öffentliches Interesse zukäme als der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Charakters der Landschaft in diesem Bereich. Nach § 3a Abs. 4 NSchG sei - außer im Fall des Abs. 6 - die durch den Eingriff zu erwartende Beeinträchtigung durch entsprechende Ersatzleistungen auszugleichen. Der Ausnahmetatbestand des § 3a Abs. 6 NSchG, wonach Ersatzleistungen für Maßnahmen nicht vorzuschreiben seien, die 1. wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig und unvermeidlich sind und 2. keine Auswirkungen auf Europaschutzgebiete haben, liege nicht vor. Gemäß § 44 Abs. 1 NSchG könne eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe der voraussichtlichen Kosten der bescheidmäßigen Verpflichtungen vorgeschrieben werden. Soweit die Beschwerdeführerin die Notwendigkeit der Vorschreibung einer Sicherheitsleistung mit dem Hinweis auf die Bundeshaftung anzweifle, werde erwidert, dass eine mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 19. Juli 1999 vorgeschriebene Sicherheitsleistung als solche akzeptiert worden sei. Bei Vorhaben dieser Größenordnung und auf Grund der beabsichtigten Maßnahme erscheine es auch in diesem Einzelfall gerechtfertigt und geboten, zur finanziellen Sicherstellung der fristgerechten Einhaltung der Vorschreibungen eine Sicherheitsleistung vorzuschreiben. Da gegen die Höhe der Sicherheitsleistung in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin keine Einwendungen erfolgt seien, erübrigten sich weitere Ausführungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid in seinen Punkten V., VI.4. und VII., in eventu zur Gänze, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Erteilung der Bewilligung ohne Vorschreibung der bekämpften Nebenbedingungen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 24 Abs. 1 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999, LGBl. Nr. 73/1999, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 1/2002 (im Folgenden: Sbg NatSchG), sind nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs 3 bis 6 geschützt: a) Moore, Sümpfe, Quellfluren, Bruch- und Galeriewälder und sonstige Begleitgehölze an fließenden und stehenden Gewässern; b) oberirdische fließende Gewässer einschließlich ihrer gestauten Bereiche und Hochwasserabflussgebiete; c) mindestens 20 und höchstens 2.000 m2 große oberirdische, natürliche oder naturnahe stehende Gewässer einschließlich ihrer Uferbereiche und der Schilf- und Röhrichtzonen; d) das alpine Ödland einschließlich der Gletscher und deren Umfeld.

Nach § 24 Abs. 3 Sbg NatSchG sind Maßnahmen, die Eingriffe in diese Lebensräume bewirken können, nur mit naturschutzbehördlicher Bewilligung zulässig.

Nach § 24 Abs. 4 Z. 3 Sbg NatSchG gelten der Betrieb und die Instandhaltung rechtmäßig bestehender Anlagen nicht als Eingriff.

Nach § 25 Abs. 1 lit. e Sbg NatSchG bedarf die Errichtung und wesentliche Änderung von Haupt- und Nebenbahnen einer Bewilligung der Naturschutzbehörde.

Die Beschwerde macht zunächst geltend, bei den antragsgegenständlichen Maßnahmen handle es sich nicht um einen Neubau, sondern um eine "Streckensanierung mit Herstellung eines HL-Profiles". Der Verlauf der bestehenden Bahnlinie würde nicht geändert und es würden keine zusätzlichen Gleise errichtet. Es handle sich daher um die Instandhaltung einer rechtmäßig bestehenden Anlage im Sinne des § 24 Abs. 4 Z. 3 Sbg NatSchG sowie andererseits um eine Maßnahme, die nicht als Errichtung oder wesentliche Änderung von Haupt- und Nebenbahnen im Sinne des § 25 Abs. 1 lit. e Sbg NatSchG zu qualifizieren sei. Die Maßnahme sei daher weder nach § 24 noch nach § 25 Sbg NatSchG bewilligungsbedürftig.

Damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Nach dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Befund des Amtssachverständigen, dem die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, bringt das Projekt eine Aufweitung der Bahntrasse um ca. 5 m mit sich und beinhaltet die Errichtung eines Bedienungsweges parallel zur Bahnanlage in der Breite von ca. 3 m. Die Böschungen würden neu errichtet, zur Sicherung der bergseitigen Hangböschung seien Steinschlichtungen bzw. Steinsätze aus Großblocksteinen vorgesehen, die in Grundbeton verlegt werden. Die Längenerstreckung der Steinsätze betrage 1.156 m, wobei durchschnittliche Höhen von bis zu 4,70 m erreicht werden. Mit dem erheblichen Erd- und Felsabtrag sei eine restlose Entfernung des derzeit vorhandenen Baum- und Strauchbestandes verbunden. Schon dadurch - so das Gutachten - verändere sich das Landschaftsbild wesentlich. Die über eine Länge von 1.156 m errichteten Steinsätze träten als künstliches technisches Bauwerk im Landschaftsbild in Erscheinung. Auch die Verbreiterung der Bahntrasse verändere das Landschaftsbild erheblich.

Zum Begriff der Instandsetzung gehört es, dass schadhafte Teile durch Ausbesserung der Schäden oder durch Ersetzung einzelner Bausubstanzen wieder in einen den Anforderungen entsprechenden Zustand versetzt werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 22. März 1991, Zl. 90/10/0132, vom 22. März 1999, Zl. 95/10/0004, und vom 29. Jänner 2001, Zl. 99/10/0037). Darüber gehen die unstrittig vom Projekt umfassten Maßnahmen weit hinaus; angesichts des Umfanges der vom Projekt umfassten Maßnahmen und unter dem Gesichtspunkt ihrer Eignung, die naturschutzgesetzlichen Schutzgüter zu beeinträchtigen, entspricht es dem Gesetz, dass die belangte Behörde zum einen (nicht von den Rahmen der Instandsetzung nicht überschreitenden Erhaltungsmaßnahmen an den Eisenbahnanlagen, sondern) vom Tatbestand "wesentliche Änderung von Haupt- oder Nebenbahnen" im Sinne des § 25 Abs. 1 lit. e Sbg NatSchG ausging, zum anderen den Ausnahmetatbestand nach § 24 Abs. 4 Z. 3 Sbg NatSchG als nicht verwirklicht ansah.

Gegen die Vorschreibung einer Ersatzleistung nach § 3a Abs. 4 Sbg NatSchG (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides) wendet die Beschwerde ein, es liege ein Anwendungsfall des § 3a Abs. 6 Z. 1 Sbg NatSchG vor, wonach Ersatzleistungen für Maßnahmen nicht vorzuschreiben sind, die wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen notwendig und unvermeidlich sind. Der Begleitweg diene der Abwendung einer Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen, insbesondere von ÖBB-Bediensteten, die zur laufenden Wartung und Erhaltung des Gleises immer wieder Arbeiten im Gefahrenbereich der Gleisanlage durchführen müssten, und zwar auch mit Arbeitsmaschinen, die einen entsprechenden Platzbedarf aufwiesen. Gemäß §§ 3, 4 und 7 AschG sowie § 2 bis 5 Eisenbahn-Arbeitnehmerinnenschutzverordnung bestehe eine Rechtspflicht zur Herstellung von Begleitwegen. Der Auffassung der belangten Behörde, dass § 3a Abs. 6 Z. 1 Sbg NatSchG eine konkrete Gefährdung voraussetze, sei entgegenzuhalten, dass die Maßnahme in diesem Fall vom Anwendungsbereich des Sbg NatSchG nach dessen § 3 Abs. 1 lit. b überhaupt ausgenommen sei. Dies könne für den Tatbestand des § 3a Abs. 6 Z. 1 Sbg NatSchG nur bedeuten, dass bereits eine abstrakte Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen ausreiche, um Maßnahmen zu deren Abwehr von Ersatzleistungen zu befreien.

Darin ist der Beschwerde nicht zu folgen.

§ 3a Abs. 4 Sbg NatSchG lautet:

"Kommt nach einer Interessenabwägung gemäß Abs. 2 oder 3 den Interessen des Naturschutzes nicht der Vorrang zu, ist - außer im Fall des Abs. 6 - die durch den Eingriff zu erwartende Beeinträchtigung durch entsprechende Ersatzleistungen auszugleichen. Der Ausgleich ist durch Bescheid vorzuschreiben. Bei Eingriffen in besondere Lebensräume und Lebensgemeinschaften von Tieren oder Pflanzen kommt als Ersatzleistung vor allem die Schaffung von Ersatzlebensräumen in Frage. Diese Ersatzlebensräume sind möglichst in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort zu schaffen. Wenn keine Ersatzlebensräume geschaffen werden können, ist dem Antragsteller durch Bescheid die Entrichtung eines Geldbetrages in einer Höhe vorzuschreiben, die annähernd den Kosten einer angemessenen Ersatzleistung entspricht. Wenn die Schaffung von Ersatzlebensräumen nur unzureichend möglich ist, ist ein entsprechend verringerter, ersatzweise zu leistender Geldbetrag vorzuschreiben.

Die in Rede stehende Bewilligung wurde auf Grund einer Interessenabwägung nach § 3a Abs. 2 Sbg NatSchG erteilt; die Behörde hatte somit - im Sinne des ersten Halbsatzes von § 3a Abs. 4 Sbg NatSchG - nach der zuletzt angeführten Vorschrift vorzugehen.

§ 3a Abs. 6 Sbg NatSchG lautet:

"Ersatzleistungen sind für Maßnahmen nicht vorzuschreiben, die

1. wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig und unvermeidlich sind und

2. keine Auswirkungen auf Europaschutzgebiete haben."

Die Beschwerde vertritt der Sache nach die Auffassung, das Vorhaben stelle eine "Maßnahme, die wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen notwendig und unvermeidlich" sei, dar. Dabei übersieht sie, dass das Gesetz eine unmittelbare (finale) Beziehung zwischen der "Maßnahme" und deren Zweckrichtung, eine Gefahr von Leben und Gesundheit von Menschen abzuwehren, voraussetzt (arg. "wegen").

Das im Ausbau der bestehenden Eisenbahnstrecke zu einer dem Stand der Technik entsprechenden Hochleistungsstrecke bestehende Vorhaben dient, ausgehend von den Darlegungen der Beschwerdeführerin in Richtung des öffentlichen Interesses, vor allem der Erhöhung der Durchlässigkeit der Strecke und der zulässigen Achslast sowie der Verringerung der Lärmbelästigung. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, dass es sich um eine Maßnahme handle, die im Sinne des § 3 Abs. 6 Z. 1 Sbg NatSchG "wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von

Menschen ... notwendig und unvermeidlich" wäre. Die Merkmale des

Ausnahmetatbestandes des § 3a Abs. 6 Sbg NatSchG sind daher nicht verwirklicht.

Zu Recht macht die Beschwerde jedoch im Zusammenhang mit der Vorschreibung einer Ersatzleistung Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerde bringt vor, das Gesetz schreibe die Entrichtung eines Geldbetrages nur für den Fall vor, dass Ersatzlebensräume nicht geschaffen werden können. Mit der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Form Ersatzlebensräume geschaffen werden könnten, habe sich die Behörde jedoch nicht auseinandergesetzt. Sie habe lediglich ausgeführt, es seien als Ersatzmaßnahme Renaturierungs- und Besucherlenkungsmaßnahmen im Naturschutzgebiet Wallersee-Wengermoor vorgesehen, ohne dies in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Es sei daher nicht klar, ob es sich dabei um die Schaffung von Ersatzlebensräumen handle. Die Behörde lege auch nicht dar, auf welcher Grundlage sie zur Vorschreibung eines Betrages von EUR 67.800,-- gelangt sei. Der Sachverständige begründe dies damit, dass "ein Betrag von EUR 50,-- je Laufmeter für Steinsätze und Hangabtragungen festgelegt wurde". Hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von EUR 10.000,-- werde lediglich ausgeführt, dass dieser Betrag "für die Beeinträchtigung erwähnter Biotope, insbesondere des Grafenholzes, festgelegt" worden sei. Es könne somit nicht beurteilt werden, inwiefern dem gesetzlichen Gebot, die Entrichtung eines Geldbetrages in jener Höhe vorzuschreiben, die annähernd den Kosten einer angemessenen Ersatzleistung entsprächen, entsprochen worden sei.

§ 3a Abs. 4 Sbg NatSchG ordnet (primär) an, dem Antragsteller die Schaffung von Ersatzlebensräumen (in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort) als Ersatzleistung vorzuschreiben. Nur dann, wenn keine Ersatzlebensräume geschaffen werden können, ist dem Antragsteller die Entrichtung eines Geldbetrages, der an die Stelle der Ersatzleistung durch Schaffung von Lebensräumen zu treten hat, vorzuschreiben. Dieser Geldbetrag ist in Höhe jener Kosten zu bemessen, die entstanden wären, wäre die Schaffung von Ersatzlebensräumen in dem nach Lage des Falles entsprechenden Umfang möglich gewesen.

Die gesetzmäßige Begründung eines Bescheides, mit dem im Grunde des § 3a Abs. 4 fünfter Satz Sbg NatSchG ein Geldbetrag vorgeschrieben wird, setzt somit zunächst Feststellungen darüber voraus, dass - und aus welchen Gründen - keine Ersatzlebensräume (in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort) geschaffen werden können. Des Weiteren sind konkrete Feststellungen darüber erforderlich, worin im konkreten Fall eine "angemessene Ersatzleistung" - wäre sie möglich - bestünde, und mit welchen Kosten ihre Durchführung verbunden wäre.

Entsprechende Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlen zur Gänze. Auch die Darlegungen des Amtssachverständigen im Zusammenhang mit der Vorschreibung des Geldbetrages nach § 3a Abs. 4 Sbg NatSchG lassen, wie die Beschwerde mit Recht aufzeigt, keinen Zusammenhang mit den nach dem Gesagten maßgeblichen Bezugsgrößen erkennen.

Der angefochtene Bescheid ist daher im Umfang des Punktes V. rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Gegen die mit Punkt VI. des angefochtenen Bescheides vorgeschriebene Nebenbedingung trägt die Beschwerde vor, sie wende sich nicht gegen den Auftrag zur Bestellung einer ökologischen Bauaufsicht gemäß § 50 Abs. 3 Sbg NatSchG. Es fehle jedoch eine gesetzliche Grundlage für die Vorschreibung, dass die Bestellung erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Naturschutzbehörde erfolgen dürfe (Punkt VI.4. des angefochtenen Bescheides). Nach Auffassung der Beschwerde bleibe die Auswahl der Person, die die ökologische Bauaufsicht wahrnimmt, dem Konsenswerber vorbehalten, der die fachliche Eignung der Person sicherzustellen habe.

Nach § 50 Abs. 2 Sbg NatSchG können im Zusammenhang mit der Erteilung einer Bewilligung oder mit der ausdrücklichen Kenntnisnahme auch Auflagen, Bedingungen und Befristungen vorgeschrieben werden, wenn dadurch abträgliche Auswirkungen auf die Natur oder die Landschaft ausgeschlossen oder auf ein geringeres Maß beschränkt werden können. Ist eine endgültige Beurteilung einzelner Auswirkungen des beantragten Vorhabens zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht möglich, das Vorhaben jedoch grundsätzlich nicht in Frage gestellt, kann die Behörde die Bewilligung oder Kenntnisnahme auch unter dem Vorbehalt späterer Vorschreibungen erteilen.

Nach § 50 Abs. 3 Sbg NatSchG kann in Bewilligungsbescheiden oder Bescheiden nach § 46 auch die Bestellung einer fachlich geeigneten ökologischen Bauaufsicht aufgetragen werden, um die Einhaltung der naturschutzbehördlichen Vorschreibungen sicherzustellen, wenn mit dem bewilligten Vorhaben schwer wiegende Eingriffe in die Natur verbunden sind. Die mit der ökologischen Bauaufsicht beauftragten Personen haben folgende Aufgaben wahrzunehmen:

1. Die laufende Überprüfung der Ausführung des Vorhabens dahingehend, ob die Vorschreibungen der Naturschutzbehörde eingehalten werden;

2. die Beanstandung festgestellter Abweichungen unter Setzung einer angemessenen Frist für die der Bewilligung entsprechende Ausführung des Vorhabens;

3. die Mitteilung an die Naturschutzbehörde, wenn einer Beanstandung (Z. 2) nicht fristgerecht entsprochen wird;

4. die fachliche Beratung bei der Erfüllung behördlicher Vorschreibungen.

Mit Punkt VI.1. des angefochtenen Bescheides schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Bestellung einer ökologischen Bauaufsicht im Zusammenhang mit dem Vorhaben auf Kosten der Beschwerdeführerin vor Baubeginn vor. Mit Punkt VI.2. wiederholte die belangte Behörde die Worte des Gesetzes über die Aufgaben der ökologischen Bauaufsicht, mit Punkt VI.3. werden Berichtspflichten der Bauaufsicht festgelegt.

Punkt VI.4. des angefochtenen Bescheides lautet:

"Das zur Bestellung beabsichtigte Bauaufsichtsorgan ist der Naturschutzbehörde namhaft zu machen und darf die Bestellung erst nach vorliegender schriftlicher Zustimmung der Naturschutzbehörde erfolgen."

Aus der oben wiedergegebenen Vorschrift folgt, dass für die Vorschreibung der Bestellung einer ökologischen Bauaufsicht durch den Bewilligungswerber eine gesetzliche Grundlage besteht. Im Hinblick auf den Zweck dieser gesetzlichen Anordnung entspricht auch die Vorschreibung der Nebenpflicht, das Bauaufsichtsorgan der Behörde gegenüber zu bezeichnen, dem Gesetz; denn die Überprüfung, ob der Verpflichtung zur Bestellung einer "fachlich geeigneten" ökologischen Bauaufsicht entsprochen wurde, setzt voraus, dass der Behörde die bestellte oder zu bestellende Person namhaft gemacht wird. Keine gesetzliche Grundlage ist aber für die von der belangten Behörde getroffene Anordnung zu erkennen, die Bestellung der ökologischen Bauaufsicht bis zum Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Naturschutzbehörde zu unterlassen. Dem angefochtenen Bescheid ist auch nicht zu entnehmen, aus welchen - im Zusammenhang mit dem Zweck der Regelung des § 50 Abs. 3 Sbg NatSchG stehenden - Gründen dieser Teil der Vorschreibung geboten sein sollte. Insoweit liegt somit Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor.

Im Zusammenhang mit der Nebenbestimmung Punkt VII. des angefochtenen Bescheides (Vorschreibung einer Sicherheitsleistung gemäß § 44 Sbg NatSchG in der Höhe von EUR 1 000 000) macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe diese Sicherheitsleistung vorgeschrieben, ohne den Gesetzesauftrag entsprechend zu prüfen, ob diese Vorschreibung aus den besonderen Gründen des Einzelfalles erforderlich erscheine, um die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtungen sicherzustellen. Dies sei hier nicht der Fall, weil bei der Beschwerdeführerin kein Einbringlichkeitsrisiko bestehe. Überdies handle es sich bei dem Vorhaben um Bereitstellung von Eisenbahninfrastruktur, die zur Erfüllung des Betriebszweckes der Beschwerdeführerin notwendig sei und deren Kosten gemäß § 2 Abs. 2 Bundesbahngesetz 1992 der Bund trage. Auch damit stehe ein Haftungsfonds in ausreichender Größe zur Verfügung, der die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 44 Sbg NatSchG entbehrlich mache. Es sei auch der Ausspruch gesetzwidrig, dass diese Sicherheitsleistung verfalle, wenn nicht bis spätestens 30. Mai 2005 sämtliche Vorschreibungen erfüllt seien. Dieser starre Verfallstermin berücksichtige nicht die Möglichkeit der Fristverlängerung für die Fertigstellung gemäß § 45 Abs. 2 Sbg NatSchG. Weiters sei gesetzwidrig, dass nach dem Wortlaut der Vorschreibung die Sicherheitsleistung auch dann zur Gänze verfalle, wenn nur ein unter Umständen auch marginaler Teil der bescheidmäßigen Verpflichtungen nicht rechtzeitig oder vollständig erfüllt werde. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird im erwähnten Zusammenhang geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zur Höhe der aufgetragenen Sicherheitsleistung von EUR 1 000 000 gelangt sei. In der Bescheidbegründung werde hiezu lediglich die Äußerung des Amtssachverständigen wiedergegeben, wonach als Sicherheitsleistung ein Geldbetrag von EUR 1 000 000 zu hinterlegen sei; eine Auseinandersetzung mit der Höhe der Sicherheitsleistung fehle zur Gänze. Gemäß § 44 Abs. 1 Sbg NatSchG habe sich die Sicherheitsleistung nach der Höhe der voraussichtlichen Kosten der bescheidmäßigen Verpflichtungen oder der Maßnahmen zu richten, die nach dem Ablauf bzw. Erlöschen der Bewilligung zu treffen sind. Dazu habe die belangte Behörde weder Erhebungen angestellt noch Feststellungen getroffen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Sbg NatSchG kann, wenn in einem Bescheid, mit dem eine Bewilligung oder Kenntnisnahme nach diesem Gesetz oder nach einer auf dessen Grundlage erlassenen Verordnung unter Auflagen, Bedingungen oder Befristungen, unter der Vorschreibung von Ersatzleistungen (§ 3 Abs. 6), Ausgleichsmaßnahmen (§ 51) oder der Ausführung eines Landschaftspflegeplanes erteilt bzw. ausgesprochen wird, soweit dies aus den besonderen Gründen des Einzelfalles erforderlich erscheint, um die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtungen sicherzustellen, eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe der voraussichtlichen Kosten der bescheidmäßigen Verpflichtungen oder der Maßnahmen vorgeschrieben werden, die nach dem Ablauf bzw. Erlöschen der Bewilligung zu treffen sind (Anmerkung: der Verweis auf § 3 Abs. 6 ist als Verweis auf § 3a Abs. 4 zu lesen; offenbar wurde bei der Novelle 2001 - hier und an anderer Stelle - übersehen, die Verweise an die Neufassung der §§ 3 und 3a anzupassen).

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der angefochtene Bescheid unter Beifügung von Auflagen, Bedingungen oder Befristungen erlassen werden durfte; ungeachtet des Umstandes, dass die Voraussetzungen der Vorschreibung von Ersatzleistungen (§ 3a Abs. 4 Sbg NatSchG) nicht abschließend festgestellt wurden, ist somit davon auszugehen, dass es sich um einen Bescheid handle, der der in § 44 Abs. 1 erster Halbsatz umschriebenen Kategorie zuzuordnen ist. Wird in einem solchen Bescheid eine Sicherheitsleistung vorgeschrieben, setzt seine gesetzmäßige Begründung Feststellungen über jene besonderen Gründe des Einzelfalles voraus, aus denen die Vorschreibung einer Sicherheitsleistung erforderlich erscheint, um die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtungen sicherzustellen; zum anderen sind Feststellungen zur Höhe der voraussichtlichen Kosten der bescheidmäßigen Verpflichtungen oder der Maßnahmen erforderlich. Solche Feststellungen fehlen zur Gänze. Der Hinweis auf in anderen Fällen vorgeschriebene und von der Beschwerdeführerin "akzeptierte" Sicherheitsleistungen ist als Begründung ebenso untauglich wie die weiteren Darlegungen der Bescheidbegründung, die sich auf die Sicherheitsleistung beziehen. Die Vorschreibung der Sicherheitsleistung ist somit rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Auf das Vorbringen der Beschwerde im Zusammenhang mit Nebenbestimmungen, die der Vorschreibung der Sicherheitsleitung beigefügt wurden, war daher nicht mehr einzugehen.

Im vorliegenden Fall bilden die Nebenbestimmungen mit dem Hauptinhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides eine untrennbare Einheit. Die Rechtswidrigkeit eines Teiles der Nebenbestimmungen zieht daher die Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides und dessen Aufhebung nach sich, wobei die in Ansehung der Nebenbestimmung Punkt VI. gegebene Rechtswidrigkeit des Inhaltes der in Ansehung weiterer Nebenbestimmungen gegebenen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 25. Februar 2003

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