VwGH 2002/09/0061

VwGH2002/09/006127.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des Dr. M in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Jänner 2002, Zl. LAD1-DIS-415/5, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:

Normen

DPL NÖ 1972 §100;
DPL NÖ 1972 §113 Abs1;
DPL NÖ 1972 §114 Abs1;
DPL NÖ 1972 §4 Abs6;
DPL NÖ 1972 §96 Abs1 Z1;
DPL NÖ 1972 §96 Abs1;
DPL NÖ 1972 §98 Abs1;
DPL NÖ 1972 §100;
DPL NÖ 1972 §113 Abs1;
DPL NÖ 1972 §114 Abs1;
DPL NÖ 1972 §4 Abs6;
DPL NÖ 1972 §96 Abs1 Z1;
DPL NÖ 1972 §96 Abs1;
DPL NÖ 1972 §98 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 2002 wurde der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich stehende Beschwerdeführer (der sich nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens mit Ablauf des 29. September 1998 im Ruhestand befindet) schuldig erkannt, durch folgende Handlungen und Unterlassungen Dienstpflichten verletzt zu haben:

"1. a) Er hat es bis zur Auflösung der Abteilung Rechtsbüro am 15. September 1998 als Abteilungsleiter unterlassen, dafür zu sorgen, dass die Schriftstücke und Aktenteile, die in der Disziplinaranzeige vom 27. November 1998, LAD1-Pers, unter Nr. 1 - 26 der Beilage E erwähnt werden, ordnungsgemäß im Sinne der Dienstanweisung 'Kanzleiordnung', 01-01/00-0150, protokolliert werden,

b) er hat es unterlassen, diese Aktenteile und Schriftstücke trotz Weisung vom 25. September 1998, LAD1-KA-20/23, der Abteilung Landesamtsdirektion/Kanzleiaufsicht bis spätestens 2. Oktober 1998 vorzulegen und

c) er hat es weiters unterlassen, trotz Aufforderung vom 6. Oktober 1998, LAD1-KA-23/23, ein an Frau H gerichtetes Schreiben vom 13. Juli 1998 samt 2 Vermerken als Originalaktenteil bis spätestens 20. Oktober 1998 der Landesamtsdirektion/Kanzleiaufsicht zurückzugeben bzw. über dessen Verbleib eine Stellungnahme abzugeben.

2. Er hat es bis zur Auflösung der Abteilung Rechtsbüro am 15. September 1998 als Abteilungsleiter unterlassen, dafür zu sorgen, dass entsprechend der Dienstanweisung 'Führungsrichtlinien', 01-01/00-2700, jährlich ein Arbeitsverteilungsplan samt Organigramm der Abteilung Rechtsbüro der Landesamtsdirektion vorgelegt wird, obwohl er auf diesen Umstand mit Schreiben vom 5. März 1997, LAD1-VI-150/004-97, ausdrücklich hingewiesen und um ehestmögliche Vorlage ersucht wurde.

3. Er hat es bis zur Auflösung der Abteilung Rechtsbüro am 15. September 1998 als Abteilungsleiter unterlassen, entsprechend der Weisungen vom 17. Juli 1998, LAD1-IR-2013/021-98, und vom 21. Juli 1998, LAD1-IR-2013/021-98, an die Mitarbeiterin Frau H und an andere Mitarbeiter der Abteilung, bei denen dies seit seinem Amtsantritt als Abteilungsleiter unterblieben ist, Stellenbeschreibungen auszufolgen.

4. Er hat es bis zur Auflösung der Abteilung Rechtsbüro am 15. September 1998 als Abteilungsleiter unterlassen, dafür zu sorgen, dass im Sinne der Dienstanweisung 'Dienstreisen', 01-01/00- 0350, auswärtige Dienstverrichtungen nur auf Grund von schriftlichen Dienstreiseaufträgen durchgeführt werden.

5. Er hat die Dienstanweisung 'Runderlässe', 01-01/00-0100, und § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Amtes der NÖ Landesregierung 0002/1, missachtet, weil er ein von ihm am 19. Mai 1998 unterfertigtes Schreiben an alle Mitglieder der NÖ Landesregierung, Gruppen und Abteilungen ausgesendet hat, ohne dafür einen Einsichtsvermerk der Landesamtsdirektion eingeholt bzw. den Landesamtsdirektor als Gruppenleiter über diese wichtige Sache vorher informiert zu haben.

6. Er hat es unterlassen, die Weisung der Landesamtsdirektion vom 25. August 1998, LAD-IR-2013/23, wonach der Schriftverkehr der Abteilung Rechtsbüro in nichtfachlichen Angelegenheiten vor Abfertigung dem Landesamtsdirektor vorzulegen war, zu befolgen, weil dessen ungeachtet zwei Schriftstücke, nämlich vom 31. August 1998 und 10. September 1998, in nichtfachlichen Angelegenheiten abgefertigt wurden.

7. Er hat die Weisung vom 29. Juni 1998, LAD1-IR-2013/021-98, nicht befolgt und wiederholt im Zuge der Einschau vom 6. Juli bis 4. September 1998 der Innenrevision den Zugang und die Sichtung von Akten verweigert.

8. Er hat es trotz Aufforderung der Innenrevision am 6. Juli 1998 unterlassen, Aufzeichnungen über geleistete Überstunden vorzulegen.

9. Er hat es als Abteilungsleiter unterlassen im Sinne der Dienstanweisung 'Abwesenheit vom Dienst', 01-03/00-0252, ganztägige Abwesenheiten vom Dienst am 12. Juni 1998, 1. Juli 1998 und 8. Juli 1998 der Landesamtsdirektion zu melden.

Durch diese Handlungen bzw. Unterlassungen gemäß Ziffer 1a),

1b) und 2 bis 9 hat der Beschuldigte gegen die Allgemeinen Dienstpflichten (§ 26 DPL 1972) und die Dienstpflicht des Dienstgehorsams (§ 27 DPL 1972) sowie gemäß Ziffer 1b) und 1c) gegen die ihm im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen gröblich verstoßen.

II

Wegen dieser im Dienststand begangenen Dienstpflichtverletzungen und der gröblichen Verletzung der ihm im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen wird w. Hofrat Dr. M als Disziplinarstrafe ein Verweis erteilt.

III

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Erkenntnis bestätigt.

IV

Von einer Ersetzung von Verfahrenskosten des Verfahrens vor der Behörde II. Instanz wird Abstand genommen.

Rechtsgrundlagen:

Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), LGBl. 2200

Zu I. §§ 114m, 114o, 114v, 114w i.V.m. §§ 26, 27 und § 96 Abs. 1 Z. 1 DPL 1972, § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 109 DPL 1972

zu II. §§ 114o, 114v, 114w DPL 1972

zu III. § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 109 DPL 1972 zu IV. § 114g Abs. 2 DPL 1972"

Der angefochtene Bescheid enthält eine umfangreiche Begründung zu den einzelnen Schuldsprüchen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Der Beschwerdeführer wendet "Unzuständigkeit der belangten Behörde" (zusammengefasst) dergestalt ein, dass der Landesamtsdirektor (LAD) nicht Dienststellenleiter im Sinne des § 113 Abs. 1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten (DPL 1972) sei und dem gemäß zur Erstattung einer Disziplinaranzeige unzuständig gewesen sei. Ohne (gültige) Disziplinaranzeige dürfe aber kein Disziplinarverfahren durchgeführt werden.

§ 113 Abs. 1 DPL 1972, LGBl. für Niederösterreich Nr. 93/72, lautet:

"Der Dienststellenleiter hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen durchzuführen und sodann unverzüglich dem Amt der Landesregierung Disziplinaranzeige zu erstatten."

§ 114 Abs. 1 DPL 1972 lautet:

"Auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des Dienststellenleiters oder wenn der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zur Kenntnis gebracht wurde, hat das Amt der Landesregierung

  1. a) eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder
  2. b) die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten."

    § 4 Abs. 6 DPL 1972 lautet:

    "Dienststellenleiter im Sinne dieses Gesetzes sind: die Leiter einer Gruppe hinsichtlich der unmittelbar der Gruppe zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten und die Leiter einer Abteilung des Amtes der Landesregierung, der Amtsvorstand der Agrarbezirksbehörde, die Leiter einer Anstalt, einer Bezirkshauptmannschaft und die ihnen nach der internen Organisation der Landesverwaltung gleichgestellten Leiter."

    Der Beschwerdeführer steht auf dem Standpunkt, der im gegenständlichen Fall für die Erstattung einer Disziplinaranzeige zuständige Dienststellenleiter wäre nach der Auflösung der Rechtsabteilung (deren Leiter der Beschwerdeführer war) am 15. September 1998, und seiner daran anschließenden Versetzung zur Abteilung Agrarrecht der Leiter dieser Abteilung Agrarrecht gewesen und nicht der LAD. (Offen lässt der Beschwerdeführer, welcher Dienststellenleiter ab der Versetzung in den Ruhestand seiner Meinung nach zuständig gewesen wäre.) Der Beschwerdeführer übersieht, dass der für die Erstattung einer Disziplinaranzeige zuständige Dienststellenleiter nicht nur jener Dienststellenleiter ist, bei dessen Dienststelle ein im Verdacht der Begehung von Dienstpflichtverletzungen Stehender zum Tatzeitpunkt bzw. eines Teiles eines Tatzeitraumes Dienst versah (siehe alle Spruchpunkte mit Ausnahme der Punkte 1.b) und 1.c) des angefochtenen Bescheides), sondern auch jener Dienststellenleiter, in dessen Wirkungsbereich Dienstpflichtverletzungen begangen wurden, die sich unmittelbar auf eine Tätigkeit in seiner Dienststelle beziehen (siehe die Spruchpunkte 1.b) und 1.c) des angefochtenen Bescheides). Der Sinn der Vorschrift liegt darin, dass jener Dienststellenleiter zur Erstattung einer Disziplinaranzeige zuständig sein soll, der wegen seiner Leitungsfunktion in einem bestimmten Bereich die Aufklärung einer Dienstpflichtverletzung am effizientesten betreiben kann. Dies ist naturgemäß bei Dienstpflichtverletzungen, die in einem bestimmten Dienststellenbereich begangen wurden, der Leiter eben dieser Dienststelle. Folgte man der Ansicht des Beschwerdeführers, gäbe es bei abgeschlossenen Tathandlungen ab dem Tag der Ruhestandsversetzung überhaupt keinen Dienststellenleiter, welcher zur Anzeige von später zur Kenntnis gelangten Dienstpflichtverletzungen zuständig wäre.

    Handelt es sich beim Verdächtigen selbst um einen der in § 4 Abs. 6 DPL 1972 genannten Dienststellenleiter - wie hier bis zur Auflösung der Rechtsabteilung -, so ist - wie die belangte Behörde richtig ausführt - natürlich dessen Vorgesetzter (im konkreten Fall der LAD) seinerseits als "Dienststellenleiter" im Sinne des § 4 Abs. 6 DPL 1972 anzusehen und "zuständig" gemäß § 113 Abs. 1 DPL 1972, weil dem Gesetz nicht die absurde Konsequenz unterstellt werden darf, dass ein Dienststellenleiter nicht der "Disziplinarhoheit" im Sinne des § 113 Abs. 1 DPL 1972 unterläge, weil sein Vorgesetzter einen ihm zur Kenntnis gelangenden Verdacht von Dienstpflichtverletzungen eines ihm unterstellten Dienststellenleiters nicht selbst (und auch niemand anderer) verfolgen dürfte. Gegenständlich bewirkt die Besonderheit, dass der LAD Vorgesetzter des Beschwerdeführers in den verfahrenswesentlichen Zeiträumen und zugleich Leiter der Disziplinarbehörde "Amt der Landesregierung" ist, lediglich ein Zusammenfallen der in § 113 und § 114 DPL 1972 genannten Pflichten bei der Verfolgung des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen. Die behauptete "Unzuständigkeit" liegt daher im Hinblick auf die gegenständlich dem Beschwerdeführer vor dem Ende seiner Funktion als Dienststellenleiter des Rechtsbüros vorgeworfenen Tathandlungen bzw. in unmittelbarem Zusammenhang damit stehenden Folgehandlungen nicht vor.

    2.) Der Beschwerdeführer wendet Verfolgungsverjährung ein, weil die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen der Disziplinarbehörde "Amt der Landesregierung" durch Kenntnisnahme durch den "Leiter des Amtes einer Landesdirektion, also den LAD, mehr als sechs Monate vor Zustellung des Einleitungsbeschlusses" - diese sei am 15. Februar 1999 erfolgt - bekannt gewesen seien.

    § 98 Abs. 1 DPL 1972 idF LGBl. für NÖ Nr. 90/1995 lautet:

    "1) Ein Beamter darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

    1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, oder

    2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

    eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 114l zweiter Satz), verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate."

    Gemäß § 100 DPL 1972 sind Disziplinarbehörden

  1. 1. das Amt der Landesregierung
  2. 2. die Disziplinarkommission
  3. 3. die Disziplinaroberkommission.

    Nach dem unmissverständlichen Norminhalt des § 98 Abs. 1 DPL 1972 kommt es zwar - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auf die Kenntnis einer der in § 100 DPL 1972 genannten Disziplinarbehörden an, wobei es völlig gleichgültig ist, welche sonstigen Funktionen sie erfüllt. Hätte der die Disziplinaranzeige erstattende LAD tatsächlich zu einem Zeitpunkt Kenntnis von Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers erhalten, der mehr als sechs Monate vor Erlassung des Einleitungsbeschlusses lag, wäre Verfolgungsverjährung eingetreten.

    2.a) Wie sich aus den Spruchpunkten 1., 2., 3. und 4. des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft ergibt, wurde der Beschwerdeführer wegen der Begehung von zum jeweiligen im Spruch genannten Endzeitpunkt noch andauernden - dass der Beschwerdeführer die jeweilige Unterlassung vor diesem Zeitpunkt beendet gehabt hätte, hat er nicht vorgebracht - Dienstpflichtverletzungen wegen näher umschriebener Unterlassungen bestraft. Bei Unterlassungsdelikten ist frühestens der Zeitpunkt der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes für den Beginn des Laufes der Verfolgungsverjährungsfrist entscheidend. Das in diesen Punkten genannte Enddatum der Unterlassungen ist der 15. September 1998 (bzw. in Punkt 1.b) der 2. Oktober 1998 und in Punkt 1.c) der 20. Oktober 1998).

    2.b) Mit Spruchpunkt 7. wurde der Beschwerdeführer der Begehung eines fortgesetzten Deliktes für schuldig erkannt. Bei solchen Delikten beginnt die Verfolgungsverjährungsfrist frühestens zu laufen, wenn auch der letzte Teilakt abgeschlossen ist (vgl. zum Ganzen Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, 1996, S 51 mwH.). Nach dem Spruch wurden die Teilakte zwischen 6. Juli und 4. September 1998 gesetzt.

    2.c) Abgeschlossene Tathandlungen enthalten nur die Spruchpunkte 5., 6., 8. und 9. Bei der in § 98 Abs. 1 DPL 1972 geforderten "Kenntnis" kommt es nicht darauf an, dass die Disziplinarbehörde bereits mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass das Verhalten eines Beamten unter einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand fällt und keine Umstände vorliegen, die die Tat gerechtfertigt erscheinen lassen. Umgekehrt reichen weder bloße Gerüchte, Vermutungen Dritter oder bloßes Kennenmüssen aus. Erst das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen bewirkt die "Kenntnis" (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, 1996, S 51, und die darin zitierte hg. Rechtsprechung). Im gegenständlichen Fall ist kein Umstand zu ersehen, aus dem die Disziplinarbehörde "Amt der Landesregierung" (in concreto in der Person des LAD) zu einem früheren Zeitpunkt als dem Ende der "Innenrevision" (4. September 1998) "Kenntnis" im obigen Sinne von den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen erlangt haben könnte. Auch der Beschwerdeführer zeigt nicht konkret auf, aus welchen Gründen und zu welchem früheren Zeitpunkt als dem 4. September 1998 die Disziplinarbehörde "Kenntnis" erlangt hätte.

    Hinsichtlich aller in den vorgenannten Punkten 2.a), 2.b) und

    2. c) behandelten Dienstpflichtverletzungen war die sechsmonatige Frist des § 98 Abs. 1 DPL 1972 bei Erlassung des Einleitungsbeschlusses (zur Erinnerung: 15. Februar 1999) demnach noch offen.

    3.) Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass die am 19. September 2001 durchgeführte mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde vertagt worden und nicht innerhalb von drei Monaten fortgesetzt worden sei. Gemäß § 114n DPL 1972 sei die Verhandlung zu wiederholen, wenn zwischen den beiden Verhandlungsterminen mehr als drei Monate liegen. Der Beschwerdeführer bringt unter anderem mit näheren Ausführungen vor, der Sachverhalt sei nicht ausreichend geklärt und die Protokollierung sei unvollständig erfolgt (insbesondere fehle seine Stellungnahme).

    Im angefochtenen Bescheid werden das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2001und das Schreiben des Beschwerdeführers vom 25. September 2001 wörtlich wiedergegeben. Mit diesem Schreiben hat der Beschwerdeführer das Verhandlungsprotokoll als unvollständig gerügt und in seiner Stellungnahme ("Schlusswort") auch inhaltliche Vorbringen insbesondere gegen die Vollständigkeit der Beweisaufnahme erstattet. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid auch aus, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Jänner 2002 auf die seiner Ansicht nach gegebene Notwendigkeit der Wiederholung der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.

    Gemäß § 114n DPL 1972 ist eine vertagte mündliche Verhandlung zu wiederholen, wenn sich die Zusammensetzung des Senates geändert hat oder seit der Vertagung mehr als drei Monate verstrichen sind.

    Die belangte Behörde führt dazu im angefochtenen Bescheid aus, es sei richtig, dass die mündliche Verhandlung vom 19. September 2001 nicht innerhalb von drei Monaten fortgesetzt worden sei. Somit wird das Vorliegen des Verfahrensmangels von der belangten Behörde gar nicht in Abrede gestellt. Sie setzt allerdings fort: "Jedoch ist dies im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht so schwerwiegend, dass die Kommission bei Beachtung dieser Vorschrift zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können."

    Mit dieser Begründung verkennt die belangte Behörde den Inhalt der im Verwaltungsverfahren nach der Verhandlung vom 19. September 2001 erstatteten Schriftsätze des Beschwerdeführers. Auch mit dem Vorbringen in der Beschwerde zeigt der Beschwerdeführer die Relevanz dieses Verfahrensmangels auf, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Wiederholung der mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

    Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

    Wien, am 27. März 2003

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