Normen
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §50 Abs1;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §50 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat mit Bescheid vom 20. Jänner 1998 das der Beschwerdeführerin zuerkannte Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom 6. November bis zum 31. Dezember 1997 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes in der Höhe von S 10.388,-- verpflichtet, weil sie ab 6. November 1997 Wochenhilfe erhalten habe und bis zum 31. Dezember 1997 Karenzurlaubsgeld bezogen habe. In der dagegen erhobenen Berufung vom 11. Februar 1998 führte die Beschwerdeführerin aus:
"Weder durch unwahre Angaben, noch durch Verschweigung maßgebender Tatsachen wurde der Bezug des Karenzurlaubsgeldes herbeigeführt. Im Gegenteil: Alle verlangten Informationen wurden nach bestem Wissen gemacht; sowohl dem Arbeitsmarktservice als auch der Wiener Gebietskrankenkasse stehen die gleichen Komputer-Daten zur Verfügung, welche dort jederzeit aufgerufen werden können. Es liegt also im Wirkungsbereich des AMS bzw. der WGKK Bescheide rechtzeitig und richtig auszustellen. Einer Mutter, mit den Sorgen einer Frühgeburt noch zusätzlich belastet, kann wohl nicht zugemutet werden, diese Bescheide und Überweisungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit anzuzweifeln.
Die Anwendung des § 25 Abs. 1 AlVG ist daher nicht gegeben. Darüber hinaus wurden die erhaltenen Gelder für dringendste Aufwendungen (Spital- und Arztrechnungen u.s.w.) verbraucht, wodurch eine Rückzahlung, gar nicht möglich wäre.
Ein Einbehalten von mir zustehenden Ansprüchen aus dem Leistungsbezug ist jedoch abzulehnen, da dies eine ernsthafte Gefährdung meiner Familie darstellt."
In ihrem den Erstbescheid bestätigenden Berufungsbescheid vom 31. Juli 1998 führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe bei ihrem Antrag auf Karenzurlaubsgeld "sämtliche Meldepflichten" zur Kenntnis genommen. Sie habe durch die Nichtmeldung der Schwangerschaft und des Wochengeldbezuges Meldepflichten verletzt, von welchen sie "auch eine Frühgeburt nicht entbinden" könne. Dadurch habe sie "dem Arbeitsmarktservice maßgebliche Tatsachen verschwiegen", weshalb die Rückforderung zu Recht erfolge.
Dieser Berufungsbescheid ist mit hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 99/03/0015, mit der Begründung aufgehoben worden, die belangte Behörde habe zum Ausdruck gebracht, dass sie die Rückforderung im Grunde des zweiten Tatbestandes des § 25 Abs. 1 AlVG annehme. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht erfüllt, weil dafür dolus eventualis, somit zumindest mittelbarer Vorsatz der Beschwerdeführerin erforderlich sei. Derartige Feststellungen fehlten im angefochtenen Bescheid.
Im fortgesetzten Verfahren gab die Beschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung vom 9. August 2002 Folgendes an:
"Mein erstes Kind Julian kam am 29.2.96 zur Welt. Meine Tochter Vanessa am 10.11.97. Gefragt zur Meldung der Schwangerschaft verweise ich auf die Berufung. Es steht alles in der Berufung. Ich habe alles gemeldet. Darauf angesprochen, dass dem Arbeitsmarktservice keine Meldung vorliegt und gefragt, ob ich es telefonisch oder schriftlich gemeldet habe, gebe ich an, dass ich das jetzt nicht sagen kann. Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe sicher alles gemeldet.
Meine Tochter war ein siebeneinhalb Monatskind. Gefragt nach den Meldungen nach der Geburt meiner Tochter gebe ich an, dass ich mich nicht erinnern kann. Es scheint alles im Akt auf. Es ist alles zusammengekommen. Ich war auch längere Zeit im Spital. Gefragt wie lange, gebe ich an, dass es ca. 2-3 Wochen waren.
Wenn mir vorgehalten wird, dass auf allen Anträgen des Arbeitsmarktservice festgehalten wird und auch unterschriftlich bestätigt wird bei Antragsabgabe, dass alle Änderungen dem Arbeitsmarktservice unverzüglich anzuzeigen sind (insbesondere wird auf den Antrag auf Karenzurlaubsgeld vom 16.7.1996 hingewiesen), gebe ich an mich nicht erinnern zu können. Ich war im Spital. Das Arbeitsmarktservice hätte die Daten ja abfragen können.
Gefragt nach meinen Angaben, dass mein Lebensgefährte die Meldung bei der Kasse vorgenommen hat und warum keine Meldung beim Arbeitsmarktservice erfolgt ist, gebe ich an mich nicht erinnern zu können. Weitere Informationen gebe ich dazu nicht.
Wir leben im Zeitalter der Computer und verstehe ich nicht, dass das Arbeitsmarktservice sich nicht die nötigen Daten besorgt.
Es werden mir die Auszahlungsdaten der Zahlungen der Kasse und des Arbeitsmarktservice zur Kenntnis gebracht. Es erfolgte die Anweisung der Zahlung der Kasse für 11 und 12/97 mit 23.12.1997. Die Zahlung des Arbeitsmarktservice für November 97 wurde mit 2.12.1997 angewiesen und die Anweisung des Bezuges für 12/97 erfolgte mit 2.1.1998. Gefragt, was ich mir dabei dachte, als ich für die gleichen Zeiträume sowohl Geld von der Kasse, als auch vom AMS bekam, verweise ich wieder auf meine Berufung. Ich war im Spital.
Ich werde darauf hingewiesen, dass ich laut eigenen Angaben 2- 3 Wochen im Spital war, d.h. zum Zeitpunkt der Auszahlungen wieder zu Hause war.
Ebenso wird mit vorgehalten, dass in der Berufung dazu nichts steht. Ich gebe an, dass es sicher drin steht. Man müsste den Anwalt fragen, der mich vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten hat.
Ich kann nichts dafür, wenn die AMS Mitarbeiter nicht sorgfältig arbeiten und die Daten nicht abfragen.
Ich weiss nicht mehr, warum mir nicht aufgefallen ist, dass ich von 2 Stellen Zahlungen für den gleichen Zeitraum erhielt."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz)Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge und bestätigte den Widerruf der Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes für den Zeitraum vom 6. November bis zum 31. Dezember 1997 sowie die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen in der Höhe von EUR 754,93.
Die Beschwerdeführerin habe vom 16. Juni 1996 bis zum 31. Dezember 1997 Karenzurlaubsgeld bezogen und bereits ab 7. November 1997 Wochengeld erhalten. In den Unterlagen des Arbeitsmarktservice fänden sich weder eine Meldung der Schwangerschaft der Beschwerdeführerin noch eine Meldung der Geburt ihres zweiten Kindes. Die Angaben der Beschwerdeführerin bezüglich der Meldungen stellten Schutzbehauptungen dar, "da sonst nicht ersichtlich ist, warum Sie so beharrlich darauf verweisen, dass es Sache des Arbeitsmarktservice gewesen wäre sich die erforderlichen Daten zu besorgen." Aus ihren Angaben sei abzuleiten, dass sie die Möglichkeit eines verspäteten Bekanntwerdens der Geburt sowie einer Fehlanweisung des Arbeitsmarktservice in Kauf genommen bzw. für möglich gehalten habe. Die Geburt des Kindes hätte nicht nur der Gebietskrankenkasse, sondern auch dem Arbeitsmarktservice gemeldet werden müssen. Der regelmäßige Datenaustausch mit der Gebietskrankenkasse entbinde die Beschwerdeführerin nicht von den Meldepflichten gemäß § 50 AlVG. Dem Einwand ihrer Inanspruchnahme durch die Frühgeburt könne nicht gefolgt werden, da auch zu keinem späteren Zeitpunkt eine Meldung erfolgt sei. Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG sei somit verwirklicht. Auch der Rückforderungstatbestand des "Erkennenmüssens" gemäß § 25 Abs. 1 AlVG sei erfüllt. Die Zahlung (des Wochengeldes) durch die Gebietskrankenkasse für den gegenständlichen Zeitraum (lt. Aktenvermerk Stk. 51 des Verwaltungsaktes für den Zeitraum vom 6. November 1997 bis 4. Jänner 1998) sei am 23. Dezember 1997 (als Gesamtüberweisung) erfolgt. Die Zahlungen des Arbeitsmarktservice für November bzw. Dezember 1997 seien am 2. Dezember 1997 bzw. am 2. Jänner 1998 erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe Doppelzahlungen fast zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes erhalten. Sie hätte erkennen müssen, dass ein ungerechtfertigter Doppelbezug vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 24 Abs. 2 AlVG lautet:
"Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen."
§ 25 Abs. 1 AlVG lautet:
"Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. ..."
Gemäß § 29 Abs. 1 AlVG, aufgehoben mit BGBl. I Nr. 47/1997 und außer Kraft getreten mit 30. Juni 1997, waren § 16 Abs. 1 lit. a, b, c, e, f und j (Ruhen des Arbeitslosengeldes) sowie § 24 und § 25 (Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes) sinngemäß anzuwenden. Nach der Übergangsbestimmung des § 80 Abs. 6 AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 47/1997 hängt die Anwendbarkeit von § 29 Abs. 1 AlVG von einer Geburt vor dem 1. Juli 1997 ab. Das Kind der Beschwerdeführerin (Julian) war am 29. Februar 1996 geboren worden.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie sei davon ausgegangen, die Gebietskrankenkasse und die belangte Behörde würden über dieselben Daten verfügen. Ausschließlich deshalb sei eine zusätzliche Meldung bei der belangten Behörde verabsäumt worden. Eine Absicht, zu Unrecht das Karenzurlaubsgeld zu beziehen, sei nicht vorgelegen.
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a AlVG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 AlVG ruht der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld unter anderem während des Bezuges von Wochengeld. Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, insbesondere verpflichtet, jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Die Beschwerdeführerin hätte daher die Geburt ihres zweiten Kindes Vanessa und den Umstand, dass ihr Lebensgefährte auf Grund der ihm von ihr erteilten Vollmacht den Antrag auf Gewährung des Wochengeldes bei der Wiener Gebietskrankenkasse gestellt hat, der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice melden müssen, zumal es für die Annahme einer Verletzung der Meldepflicht nicht darauf ankommt, ob die Änderung den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nach Auffassung des Arbeitslosen zu beeinflussen vermag oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 97/08/0611).
Die Meldepflicht wird nicht etwa erst durch das Einlangen des Wochengeldes auf dem Konto der Beschwerdeführerin (im vorliegenden Fall am 23. Dezember 1997) ausgelöst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0244). Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Wiener Gebietskrankenkasse und die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bzw. die belangte Behörde hätten ohnehin "über dieselben Daten" verfügt, ist nicht stichhältig, weil die Meldeverpflichtung nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG nicht dadurch aufgehoben wird, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wird oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können. Ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug wäre im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0208). Auch die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe nicht erkannt, "dass ein Doppelbezug vorlag", und es könne ihr in Anbetracht der Umstände einer Frühgeburt nicht ernstlich vorgeworfen werden, "dass ihr die Bezahlung durch die belangte Behörde nicht auffiel", ist für die von der belangten Behörde in erster Linie angenommene Verletzung der Meldepflicht ohne Bedeutung, denn hat die Beschwerdeführerin durch Verschweigung maßgebender Tatsachen einen Überzug bewirkt, so kommt es nur darauf an, ob sie die Umstände, die zu melden gewesen wären, gekannt hat, nicht aber darauf, ob sie auch das Vorliegen eines Überbezugs gekannt hat oder hätte kennen müssen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0208). Es spielt daher - anders als die Beschwerdeführerin meint - für diesen Rückforderungstatbestand keine Rolle, ob und wann ihr der Doppelbezug aufgefallen ist.
Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice von der Geburt ihres zweiten Kindes nicht verständigt hat. Umstände, die der Beschwerdeführerin eine solche Meldung unmöglich gemacht hätten, wurden im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Bei dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei auf Grund des Krankenhausaufenthaltes und der Pflege ihrer zu früh geborenen Tochter Vanessa nicht in der Lage gewesen zu sein, "etwaige Behördenerledigungen wahrzunehmen", handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Die für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 25 Abs. 1 erster Satz, zweiter Fall, AlVG erforderliche subjektive Komponente (vgl. das den Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung des vorliegenden Ersatzbescheides bindende hg. Vorerkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 99/03/0015) ist im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Beschwerdeführerin selbst einräumte, dass sie davon ausgegangen sei, die belangte Behörde würde ohnedies durch den Datenabgleich mit der Gebietskrankenkasse von diesen Umständen informiert werden. Daraus konnte die belangte Behörde schlüssig ableiten, dass der Beschwerdeführerin die Meldepflicht bewusst gewesen ist und dass diese von ihr vorsätzlich nicht erfüllt worden ist. Auf das Motiv für die Unterlassung kommt es nicht an.
Da die Rückforderung des Karenzurlaubsgeldes schon nach dem zweiten Fall des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG begründet ist, erübrigt sich eine Prüfung, ob auch der von der belangten Behörde angenommene Rückforderungstatbestand gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz, dritter Fall, AlVG vorliegt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2003
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