VwGH 2002/01/0438

VwGH2002/01/04388.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des 1968 geborenen K in S, vertreten durch Dr. Gerhard Othmar Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 2002, Zl. 214.866/0-XII/37/00, betreffend §§ 7 und 8 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 9. August 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl.

Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, am 6. Dezember 1999 gab er als Grund für seine Flucht an, er habe am 2. August 1999 als Student gemeinsam mit anderen Studenten gegen das Regime des Präsidenten Kabila und gegen Mängel an der Universität demonstriert und sei deshalb von der Polizei festgenommen, einvernommen und wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zu einer Rebellenbewegung inhaftiert worden. Am 7. August 1999 sei ihm die Flucht gelungen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er die Festnahme und die Behandlung gleich anderen Verdächtigen, die "eliminiert" worden seien.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 wies das Bundesasylamt (die Erstbehörde) den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend führte die Erstbehörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtweg seien nicht glaubwürdig. Betreffend das im Jahr 1998 angeblich begonnene Studium sei anzumerken, dass er im Zuge der Aufnahme seiner "Familienanamnese" ausführlich über seine Schulbildung sowie berufliche Qualifikation befragt worden sei. Hiebei habe er nichts von einem Universitätsstudium erwähnt. Nach Beendigung der Einvernahme habe der Beschwerdeführer ein Abschlusszeugnis aus dem Jahr 1990, jedoch keinerlei Dokumente über sein angebliches Universitätsstudium vorgelegt, was indiziere, dass er gar keine Universität besucht habe. Selbst wenn man ihm Glauben schenken würde, könnten die während seines Studiums stattgefundenen Ereignisse nicht für ihn sprechen. Dass einschreitende Sicherheitskräfte die Teilnehmer der Demonstration vorerst festgenommen und sie zu den Hintergründen dieser Aktion befragt hätten, sei legitim und auch in anderen Staaten mit demokratischer Gesellschaftsstruktur durchaus vorstellbar. Betreffend den Ausspruch nach § 8 AsylG führte die Erstbehörde aus, dass der Beschwerdeführer Fluchtgründe nicht glaubhaft gemacht habe. Die bloße Behauptung einer unmenschlichen Behandlung oder "Eliminierung" reiche ebenso wenig wie Vermutungen aus, eine Bedrohung im Sinn des § 57 FrG darzutun.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er seine neuerliche Einvernahme beantragte, um seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) am 3. Dezember 2001 wurde der Beschwerdeführer zu Gegebenheiten an der Universität in Lubumbashi sowie zum Vorfall vom 2. August 1999 befragt (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführer):

"VL: Wie hat die Universität genau geheißen?

BW: Campus von Lubumbashi.

VL: Gibt es für die Universität eine nähere Adresse?

BW: Nein sie wird nur Campus von Lubumbashi genannt. Es gibt

keinen Straßennamen.

VL: Welches Studium haben Sie angefangen?

BW: Wirtschaft.

VL: Wann waren Sie genau inskribiert?

BW: Ich habe im November 1998 begonnen.

VL: Weshalb haben Sie nur ein Jahr studiert?

BW: Ich habe das Studium nicht beendet, wegen der Situation,

die dann eingetreten ist.

VL: Können Sie mir einige Professoren nennen, die an der Universität unterrichtet haben, besonders für Ihren Studienzweig?

Der BW schreiben die Namen auf die Beilage A.

BW rätselt herum.

BW: Ich habe nur 5 aufgeschrieben. Ich habe nur allgemein die Professoren genannt, die an dieser Universität unterrichtet haben.

VL: Bitte schreiben Sie die Namen der Professoren auf, die Wirtschaft unterrichtet haben, auf die Beilage A auf.

BW: Ich kann mich nicht an alle erinnern. Das ist schon ziemlich lange her. Ich kann keine Namen aufschreiben.

VL: Haben Sie einen Studentenausweis?

BW: Der ist im Land geblieben.

VL: Wie hat der Studentenausweis ausgesehen? Können Sie mir

diesen näher beschreiben?

BW: Man schreibt den Namen und die Fakultät und den Hörsaal drauf.

VL: Wo haben Sie während Ihres Studiums gewohnt?

BW: Die Adresse, die ich aufgeschrieben habe, war meine ständige Adresse in Kinshasa. Während des Studiums habe ich in einem Zimmer auf dem Campus gewohnt. Ich habe es mit anderen geteilt. Wir waren zu viert im Zimmer.

VL: Wie lauten die Namen Ihrer Zimmergenossen? Der BW schreibt die Namen auf die Beilage A.

BW: Die Namen lauten Blaise Toko, Kizimbukidi Fiston, Tembila

Francis.

VL: Was haben Ihre Kollegen studiert?

BW: Sie haben Wirtschaft, das gleiche wie ich studiert.

VL: Welche Farbe hatte Ihr Studentenausweis?

BW: Weiß.

VL: Muss man in Ihrem Land Studiengebühren bezahlen und wie

bezahlt man?

BW: Ja, man muss bezahlen. Zunächst zahlt man die Inskriptionsgebühr und dann für jedes Semester.

VL: Wie hoch ist die Inskriptionsgebühr?

BW: Der Betrag war immer gleichwertig, nämlich 100 Dollar.

VL: Wie viel hat das Semester gekostet?

BW: 100 Dollar sind die Semestergebühren,

Inskriptionsgebühren sind andere.

VL: Wie hoch ist die Inskriptionsgebühr?

BW: 20 Dollar.

VL: Man zahlt in Dollar?

BW: In kongolesische Franc im Gegenwert zu den Dollarbeträgen, weil sich der Kurs immer ändert. Es muss sich

immer auf 100 bzw. 20 Dollar ausgehen.

...

VL: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen? Was war der

ausschlaggebende Grund?

BW: Wir haben bei der Universität die Rechte für die Studenten verlangt.

VL: Wer hat die Rechte verlangt?

BW: Wir Studenten selbst.

VL: Alle Studenten?

BW: Grundsätzlich waren es alle Studenten. Die Demonstration

wurde nur von einigen durchgeführt.

VL: Wann war die Demonstration?

BW: Am 2. August 1999.

VL: Wie viele Studenten haben an dieser Demonstration

teilgenommen?

BW: Ich schätze, es waren etwa 50.

VL: Wann hat diese Demonstration stattgefunden?

BW: Am Vormittag.

VL: Was ist genau passiert?

BW: Als wir auf die Straße hinuntergingen, sangen wir, um unsere Unzufriedenheit mit dem System Ausdruck zu verleihen.

Daraufhin wurden wir von Soldaten und Militärs festgenommen.

VL: Wurden alle Demonstranten festgenommen?

BW: Als die Soldaten kamen brach eine Panik aus, einige

konnten flüchten, einige wurden verhaftet.

VL: Wurden Sie verhaftet?

BW: Ich war in einem Folterhaus, ich kann es nicht anders

benennen, es war ein Haus, wo Leute festgehalten und gefoltert wurden."

Mit Note vom 30. Jänner 2002 ersuchte die belangte Behörde die "Österreichische Botschaft in Kinshasa/DR Kongo" - im Wege des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten - um Beantwortung der folgenden Fragen:

"1. War der Asylwerber an der Universität in Lubumbashi im Jahr 1998 inskribiert?

2. Heißt die Universität in Lubumbashi "Campus von Lubumbashi"? Wie lautet die Adresse dieser Universität?

3. Wie hoch ist die Studiengebühr und die Inskriptionsgebühr? Ergibt die Studiengebühr immer 100 Dollar und die Inskriptionsgebühr immer 20 Dollar?

4. Wie schaut der Studentenausweis aus? Den Angaben des Asylwerbers zufolge ist der Studentenausweis weiß. In diesem ist der Namen, die Fakultät und der Hörsaal vermerkt.

5. Hat es am 2.8.1999 in Lubumbashi eine Studentendemonstration gegeben? Wurden Studenten verhaftet?

6. Gibt es an der Universität in Lubumbashi Professoren mit folgenden Namen: Kazadi, Kabongo, Ntumba, Mbata Nsiala und Tshikudi?"

Mit Erledigung vom 29. April 2002 übermittelte die Österreichische Botschaft in Nairobi "das Erhebungsergebnis der Vertrauensperson M. Etienne Mwanatambwe", aus dem hervorgehe, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht der Wahrheit entsprächen. Das angeschlossene "Dossier" führte einleitend aus, dass das vom Beschwerdeführer angegebene Wohnviertel nicht in seiner Gemeinde, sondern in einer anderen Gemeinde liege. Im Anschluss daran sind zu den jeweiligen sechs Fragen die Antworten und abschließend eine würdigende Schlussfolgerung des Verfassers angeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2002 wurde dem Beschwerdeführer das "Ermittlungsergebnis" wie folgt vorgehalten:

"VL: In der letzten VH haben Sie mitgeteilt in Kinshasa, Stadtteil Masina, Bezirk Fer Bois, Straße Kongolo Nr. 30 gewohnt zu haben.

BW: Ja, das stimmt.

VL: Ist Masina gleichzusetzen mit Gemeinde?

BW: Ja, das ist eine Gemeinde.

Dargetan und erörtert wird das von der österreichischen

Botschaft übermittelte Ermittlungsergebnis.

VL: Dem BW wird mitgeteilt, dass es in der Gemeinde Masina kein Viertel namens Fer Bois gibt.

BW: Das Viertel Fer Bois gibt es sowohl in der Gemeinde Kimbanseke aber auch in der Gemeinde Masina. Es ist ein neues Stadtviertel, was in alten Stadtplänen nicht angeführt ist. Es entstehen immer neue Viertel, auf Grund der Landflucht.

VL: Dem BW wird mitgeteilt, dass er nicht an der Universität Lubumbashi als Student inskribiert war. Auch die von ihm genannten Zimmergenossen konnten nicht gefunden werden.

BW: Ich habe Ihnen gesagt, dass ich sehr wohl an der Universität von Lubumbashi inskribiert war. Ich weiß, dass ich das Jahr nicht fertig gemacht hatte. Ich hatte Probleme im Bereich der Universität. Wir leben in einem diktatorischen Staat. Es ist ganz normal, jemand der Probleme hat, dass dessen Namen der ausländischen Behörden nicht genannt wird, weil sie wissen, dass wir den Staat bei den ausländischen Behörden schlecht machen.

VL: Dem BW wird mitgeteilt, dass der richtige Name der Universität "Universität Lubumbashi" heißt. Weiters wird mitgeteilt, dass es eine exakte Adresse der Universität gibt. Demnach sind die vom BW angegebenen Aussagen in der letzten VH, dass es keinen Straßennamen gebe und auch der Name der Universität nicht richtig.

BW: Ich glaube nicht, dass es falsch ist, wenn man die Universität als Campus von Lubumbashi bezeichnet. Alle Universitäten werden umgangssprachlich mit Campus bezeichnet oder auch beispielsweise mit Abkürzungen wie UNILU.

VL: Wieso konnten Sie uns die genaue Adresse nicht sagen?

BW: Ich habe nie ein Dokument gesehen, auf dem diese Adresse angeführt ist. Der Platz, auf dem die Universität errichtet ist, heißt Kasapa. Dieser Name geht auf die Geschichte zurück. Früher gab es dort einen Wald und dort lebte eine gefährliche Schlange, die die Menschen tötete. Ich habe persönlich der Avenue Kasapa keine Beachtung geschenkt.

VL: Wieso haben Sie Kasapa nicht schon in der letzten VH genannt und teilen uns dies erst jetzt nach Verlesung und Übersetzung der Stellungnahme der ÖB mit?

BW: Ich wurde nach der Adresse gefragt und nachdem ich niemals die offizielle Adresse auf dem Dokument gesehen habe, habe ich es auch nicht gesagt. Ich wusste natürlich, dass der Platz Kasapa heißt. Bei uns werden nicht die Adressen angegeben, sondern nur die Plätze, die jedermann bekannt sind, so beispielsweise der Stephansplatz oder der Mirabellplatz, wo jeder weiß, wo die sich befinden.

VL: Dem BW wird bekannt gegeben, wie hoch die Inskriptionsgebühren und die Studiengebühren an der Universität in Lubumbashi auf Grund der Ermittlungsergebnisse der ÖB sind.

BW: Jedermann weiß, dass die Studiengebühren $ 100,-- betragen und vielleicht wollten sie dies gegenüber österreichischen Behörden nicht sagen. Sie wollen nicht zeigen, dass sie den Studenten weh tun. Es gab immer ein Problem zwischen den Professoren und den Studenten oder dem Rektor und den Studenten wegen der Höhe der Gebühren.

VL: Weiters wird dem BW die Ermittlungsergebnisse bezüglich des Aussehens des Studentenausweises an der Universität Lubumbashi mitgeteilt.

BW: Ich habe nicht gesagt der Saal, sondern die Fakultät. Rechts ist das Foto, daneben steht Universität von Lubumbashi darunter der Name, Fakultät und das Studienjahr.

VL: Weiters wird dem BW mitgeteilt, dass auf Grund der Ermittlungsergebnisse keine Demonstration am 2.8.1999 in der Universität stattgefunden hat.

BW: Eine Regierung wie die der DR Kongo kann sich nicht selbst beschuldigen, für etwas schlechtes, das sie den anderen angetan hat. Sie kann ihre eigenen Fehler nicht zugeben, sie verleugnen das. Vor allem weil keine Medien anwesend war, es war keine ausländische Presse da. Es war nur eine Demonstration, die ein paar Minuten gedauert hat, deshalb können sie es leicht abstreiten. Die kongolesische Regierung hat vielen Leuten etwas schlechtes getan. Sie hat es aber nie zugegeben.

VL: Weiters wird der BW aufgefordert, den zweiten Namen bezüglich der von ihm angegebenen Professoren auf die Beilage B aufzuschreiben.

Der BW denkt lange nach und rätselt herum.

Der BW gibt an, dass er nachdenken muss, um alles korrekt niederzuschreiben. Der BW schreibt auf die Beilage: KAZADI Mualaba, NTUMBA Mulumbati, TSHIKUDI Mulunda, KABONGO Radja, MBATA NSIALA Buenzei.

VL: Wo sind diese Professoren tätig?

BW: Diese Professoren sind alle an meiner Fakultät tätig.

VL: Wie heißt Ihre Fakultät genau?

BW: Wirtschaftswissenschaften.

VL: Welche Fächer unterrichten diese Professoren?

BW: KAZADI Mualaba hat politische Economie und Buchhaltung, NTUMBA Mulumbati hat Forschung auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft, TSHIKUDI Mulunda hat bürgerliches Recht der Personen und Sachen, KABONGO Radja hat Psychologie und MBATA NSIALA Buenzei hat Logik an meiner Fakultät unterrichtet.

VL: Dem BW wird vorgehalten, dass dieser lt.

Verhandlungsprotokoll vom 3.12.2001 Professoren namentlich und schriftlich genannt hat, dies aber nur Professoren gewesen seien, die allgemein an der Universität unterrichtet haben. Bezüglich der Aufforderung Professoren namentlich zu nennen, die Wirtschaft unterrichtet haben, teilte er jedoch mit, sich nicht an alle erinnern zu können und er keine Namen aufschreiben könne. Heute teilt er jedoch mit, dass die von ihm genannten Professoren an seiner Fakultät unterrichtet haben. Können Sie mir diesen Widerspruch erklären?

BW: Ich glaube, dass es ein sprachliches Problem war. Ich bin nach Professoren gefragt worden, an die ich mich an meiner Fakultät erinnern kann. Ich habe gesagt, dass es schon sehr lange her ist. Letztes Mal kam die Frage überraschend und es war schwierig für mich. Nach der VH habe ich darüber nachgedacht und habe mich an die Namen erinnern können. Ich erinnere mich nicht an alle Namen, sondern nur an einige.

Der BW schreibt sich die Namen KAZADI KIMBO KABONGO und NTUMBA GAJA, also die von der ÖB angeführten Professoren auf ein eigenes Blatt Papier.

Ich denke über die Ergebnisse der ÖB nach, die Sie bekommen haben. Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen. Bei den Namen, die ich Ihnen gegeben habe, handelt es sich um Professoren meiner Fakultät.

Dem BW wird mitgeteilt, dass die im Ermittlungsergebnis namentlich angeführten Namen des Professoren, Professoren an der Universität von Lubumbashi sind.

BW: Es kann ja sein, dass diese Professoren, die an anderen Fakultäten unterrichten, auch an unserer Fakultät unterrichten. Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben bzw. was ihre Absicht war, wenn sie schreiben, dass KAZADI, KABONGO und NTUMBA gängige Namen sind, diese Namen finden sich an der Universität und ist dies ein Beweis, dass es diese an der Universität gibt. Es gibt noch weitere gängige Namen und die hab ich nicht angegeben. Sie geben deshalb solche Antworten, weil sie jemand beschuldigt und verstehe ich diese Reaktion. Unsere Regierung ist sehr gerissen, wenn es darum geht, auf solche Anfragen zu antworten. Es ist eine Diktatur und die reagieren immer auf solche Weise.

VL: Wie erklären Sie sich, dass Sie nie an dieser Universität inskribiert waren?

BW: Ich glaube, ich habe schon auf die Frage geantwortet. Ich war an dieser Universität inskribiert. Es kann sein, dass mein Name dort nicht aufscheint, weil ich das Studienjahr beendet habe und sie wissen, dass ich sie bei ausländischen Behörden beschuldige.

BW: Ich möchte zu meiner Adresse in Kinshasa noch etwas angeben: Ich glaube, sie haben meine Adresse nicht akzeptiert. Ich habe einen österreichischen Führerschein, in dem zwar diese Adresse nicht steht, aber die österreichische Polizei hat das betreffende Dokument (kongolesischen Führerschein) und die Adresse verifiziert. Meine Adresse von Kinshasa steht im Führerschein der DR Kongo. Diesen Führerschein habe ich nicht mit, er befindet sich im Büro für Führerscheine in Salzburg. Ich möchte damit beweisen, dass meine angeführte Adresse in Kinshasa richtig ist und auch seitens der Polizei überprüft wurde."

Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte in dieser Verhandlung vor, es sei nicht unwahrscheinlich, dass ein missliebiger Student aus Inskriptionslisten gestrichen werde. Unrichtig sei, dass die Bezeichnung Campus Lubumbashi nicht gebräuchlich sei, auf der Homepage dieser Universität werde dieser Begriff mehrfach verwendet. Zum Beweis dafür legte der Beschwerdeführervertreter einen Ausdruck vor, der dem Verhandlungsprotokoll als Beilage angeschlossen wurde. Weiters brachte der Beschwerdeführervertreter vor, die Ermittlung über die Höhe der Studiengebühren stehe im Widerspruch zu Angaben auf der Homepage der Universität. Es wäre Aufgabe des Vertrauensanwaltes gewesen, genau zu recherchieren und mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen, dass es am 2. August 1999 eine allenfalls auch nur kurze Demonstration von 50 Studenten gegeben habe. Der Stellungnahme (der Österreichischen Botschaft) liege keine Liste der Lehrbeauftragten an der Universität bei. Zur gesamten Stellungnahme des Vertrauensanwaltes sei anzumerken, dass diese äußerst tendenziös gehalten sei, sodass nicht von einer objektiven Recherche ausgegangen werden könne.

Weiters erörterte der Verhandlungsleiter mit dem Beschwerdeführer Berichte über die Demokratische Republik Kongo und räumte ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme ein. In seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2002 erstattete der Beschwerdeführer Vorbringen zur humanitären Lage und zur Lage der Menschenrechte in der Demokratischen Republik Kongo.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 die Feststellung aus, dass die Zurückweisung, die Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Ermittlungsergebnisse traf die belangte Behörde die Feststellung, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe würden mangels Glaubwürdigkeit nicht zu Grunde gelegt. Entgegen seinen Behauptungen sei er nicht Student der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lubumbashi gewesen. Auch die von ihm genannten Zimmergenossen seien nicht Studenten dieser Universität gewesen. Der Beschwerdeführer, der in Kinshasa gewohnt habe, sei von 1994 bis 1995 Mitglied der Partei UDPS gewesen. Weiters traf die belangte Behörde allgemeine Feststellungen über die Universität Lubumbashi und über die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Die Feststellungen über den Beschwerdeführer begründete die belangte Behörde folgender Maßen:

"Dazu ist zunächst auszuführen, dass die erkennende Behörde im Wege der Österreichischen Botschaft in Nairobi bei der Universität Lubumbashi angefragt hat, ob der Berufungswerber - seinen Behauptungen entsprechend - im Jahr 1998 an der Universität Lubumbashi, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät inskribiert war. Aus der von der Österreichischen Botschaft mit Schreiben vom 29.4.2002 übermittelten Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes ergibt sich zweifelsfrei, dass dies nicht zutrifft und der Berufungswerber 1998 nicht als Student inskribiert war. Dies wurde vom Vertrauensanwalt durch Rückfrage bei dem Studiensekretariat festgestellt. Das Studiensekretariat überprüfte für die Jahre 1997, 1998 und 1999 die Listen aller Fakultäten, insbesondere der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät , die Studentenlisten sind computerisiert. Im Ergebnis steht fest, dass der Berufungswerber nicht Student der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät war, demnach nicht an einer angeblich am 2.8.1998 durchgeführten Studentendemonstration teilgenommen haben kann. Diesbezüglich ist auch festzuhalten, dass es am 2.8.1998 keine Studentendemonstration gegeben hat, was sich zweifelsfrei aus der Anfragebeantwortung ergibt. Dies wurde vom Vertrauensanwalt durch Rückfrage bei einer namentlich bezeichneten Person, einem Studenten, der zu dieser Zeit auf dem Campus lebte, festgestellt. Es erweist sich sohin das gesamte, auf das Studium an der Universität Lubumbashi aufbauende Vorbringen des Berufungswerbers als unglaubwürdig. Die völlige Unglaubwürdigkeit des Berufungswerbers ergibt sich daraus, dass er beispielsweise die Adresse der Universität Lubumbashi nicht wusste, falsche Angaben über die Farbe des Studentenausweises machte und auch keine richtige Beschreibung des Studentenausweises abgeben konnte. Als dem Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt wurde, dass die Universität sehr wohl eine Adresse habe, erwiderte der Berufungswerber, er habe nie ein Dokument gesehen, auf dem die Adresse angeführt gewesen sei. Erst nach Verlesung und Übersetzung der Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes teilte der Berufungswerber mit, dass er natürlich gewusst habe, dass der Platz Kasapa heiße. Als dem Berufungswerber auch mitgeteilt wurde, dass auf dem Studentenausweis die Identität, die Fakultät und der Jahrgang stünde, der Berufungswerber jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung mitteilte, dass der Name, die Fakultät und der Hörsaal (!) darauf stünden, meinte dieser lediglich, dass er keinesfalls den Saal genannt habe. Weiters schrieb der Berufungswerber auf die Beilage A fünf Namen von Professoren der Universität auf. Als er aufgefordert wurde, Namen von Professoren zu nennen, die auf seiner Fakultät unterrichtet hätten, teilte er mit: Ich kann mich nicht an alle erinnern. Das ist schon ziemlich lange her. Ich kann keine Namen aufschreiben. Als ihm auf Grund des Erhebungsberichtes des Vertrauensanwaltes vorgehalten wurde, dass Kazadi, Kabongo und Ntumba allgemein übliche Namen in der DR Kongo seien und er laut Vertrauensanwalt zwei Namen hätte angeben müssen, schrieb er die gleichen Namen nach langem Herumrätseln nochmals, jedoch nunmehr mit zweitem Namen auf die Beilage B und meinte, dass dies Professoren alle an seiner Fakultät seien. Als dem Berufungswerber schließlich vorgehalten wurde, dass er in der letzten mündlichen Berufungsverhandlung jedoch mitteilte, dass die von ihm aufgeschriebenen Namen von Professoren der gesamten Universität wären, meinte es sei ein sprachliches Problem gewesen und sei die Frage zu überraschend gekommen. Diesbezüglich ist jedoch festzuhalten, dass es keine Professoren namens Mbata Nsiala und Tshikudi an der Universität Lubumbashi gibt, weiters gäbe es eine Rechtsanwältin und Professorin für Jus namens Ntumba Gaja und einen Professor namens Kazadi Kimbu an der Fakultät für Soziologie und einen für Mathematik. Diese unrichtigen bzw. widersprüchlichen Angaben sind in keiner Weise geeignet, ein Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät glaubhaft zu machen. Im Hinblick auf das nichtvorhandene Wissen des Berufungswerbers, was zusätzlich zur Stellungnahme des Vertrauensanwaltes die völlige Unglaubwürdigkeit des Berufungswerbers unterstreicht und es sich auch keine Zweifel betreffend die Recherchen des Vertrauensanwaltes ergeben haben, konnte von der beantragten Einschaltung der deutschen Vertretungsbehörde zur nochmaligen Durchführung von Recherchen Abstand genommen werden. Dass der Asylwerber seit 1994 Mitglied der UDPS war und im Jahr 1995 aus der Partei ausgetreten ist, ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll vom 3.12.2001, Seiten 10 und 11."

Rechtlich folge daraus, dass im vorliegenden Fall eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe nicht gegeben sei. Da das Vorbringen des Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten, nämlich hinsichtlich der behaupteten Verfolgungsmaßnahmen (Inhaftierung, Verhör) als unglaubwürdig zu qualifizieren sei, fehlten Anhaltspunkte dafür, dass er im Fall einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sein könnte. Ebenso wenig lasse sich dies aus seiner Mitgliedschaft zur UDPS in den Jahren 1994 und 1995 ableiten. Da sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten, nämlich hinsichtlich der behaupteten Verfolgungshandlungen durch die Demokratische Republik Kongo als unglaubwürdig erwiesen habe, liege kein Anhaltspunkt für eine drohende Behandlung im Sinn des § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG vor. Im Fall einer Abschiebung drohten dem Beschwerdeführer keine Notlage bzw. keine extreme Bürgerkriegsgefahr und es liege kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" lebensbedrohender Erkrankung oder dergleichen vor.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zusammengefasst unter anderem darin, dass die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen sei, unter Zugrundelegung der Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Nairobi dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Über die Person des Verfassers dieses Berichtes sei nichts bekannt, sodass dessen Vertrauenswürdigkeit nicht beurteilt werden könne. Aus dem Bericht selbst könne nicht entnommen werden, welche Erhebungen die Vertrauensperson im Einzelnen angestellt habe, um zu ihren "Erkenntnissen" zu gelangen; teilweise ergebe sich aus der Anfragebeantwortung, dass sich die Vertrauensperson auf Auskünfte Dritter verlassen habe. Bei dieser Anfragebeantwortung handle es sich um kein Sachverständigengutachten, sondern um ein Beweismittel sonstiger Art, für das nicht die Vermutung der Richtigkeit spreche. Dieses Schriftstück lasse sich in den entscheidenden Punkten nicht auf seine Richtigkeit überprüfen, zumal über die Person des Verfassers nichts bekannt sei und die Anfragebeantwortung nicht offen lege, auf Grund welcher Art und Weise und auf Grund welcher konkreten Erhebungen und Informationsquellen die in der Anfragebeantwortung wiedergegebenen Erkenntnisse tatsächlich gewonnen worden seien. Somit habe die belangte Behörde die allein ihr obliegende Wahrheitsfindung und Beweiswürdigung letztendlich einer unbekannten, ausländischen dritten Person überlassen, deren Angaben und Beurteilungen gar nicht auf ihre Richtigkeit und Schlüssigkeit überprüft werden könnten. Eine derartige Vorgangsweise lasse sich jedoch mit den Verfahrensvorschriften des AVG und dem Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde selbst die Wahrheit zu ermitteln und die Beweise zu würdigen habe, nicht in Einklang bringen.

Die belangte Behörde sah die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers entscheidend durch die von der Österreichischen Botschaft in Nairobi übermittelte "Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes" erschüttert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Stellungnahme eines Vertrauensanwaltes einer Österreichischen Botschaft im Heimatland des Asylwerbers keinen Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 AVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung darstellt. Es handelt sich um ein Beweismittel eigener Art, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinn des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann, bei dessen Würdigung aber stets zu berücksichtigen ist, dass die Qualifikation und die Vorgangsweise des Vertrauensanwaltes sich einer Kontrolle weitgehend entziehen und er im Gegensatz zu einem Sachverständigen im Sinn des § 52 AVG auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Eine Beweiswürdigung, die hierauf nicht Bedacht nimmt, ist fehlerhaft (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/20/0488, sowie vom 12. März 2002, Zl. 2000/01/0207).

Zunächst ist zu bemerken, dass das von der belangten Behörde als "Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes" bezeichnete Dossier von der Österreichischen Botschaft Nairobi mit Note vom 29. April 2002 schlicht als "Erhebungsergebnis der Vertrauensperson M. Etienne Mwanatambwe" übermittelt wurde. Auch aus anderen Teilen des vorgelegten Verwaltungsaktes ergibt sich nicht, dass diese "Vertrauensperson" den Beruf eines Anwaltes bekleidete. Soweit die belangte Behörde allenfalls dem Umstand, dass dieses Ermittlungsergebnis durch die berufliche Stellung des Verfassers als Anwalt qualifiziert sein sollte, entscheidende Bedeutung für die Beweiswürdigung beigemessen haben sollte, wäre einer solchen Schlussfolgerung der Boden entzogen.

Darüber hinaus ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu entnehmen, dass sie von der Richtigkeit der "Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes" voll überzeugt war ("... ergibt sich zweifelsfrei" ...; "... was sich zweifelsfrei aus der Anfragebeantwortung ergibt. ...") und in Anbetracht der entgegenstehenden Angaben des Beschwerdeführers auf dessen Unglaubwürdigkeit schloss, ohne jedoch im geforderten Maß zu begründen, weshalb sie in den entscheidenden Punkten der "Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes" höhere Glaubwürdigkeit zuerkannte als dem Beschwerdeführer. Damit nahm die belangte Behörde nicht auf die aufgezeigten Umstände Bedacht, dass sich die Qualifikation ebenso wie die Vorgangsweise der Vertrauensperson der Österreichischen Botschaft einer Kontrolle entziehen. Auch versuchte die belangte Behörde nicht, sich durch anderweitige Überprüfung der Ermittlungsergebnisse Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben der Vertrauensperson oder des Beschwerdeführers zu verschaffen.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass die teilweise in sich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers Anlass dazu bieten könnten, seine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Allerdings ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu entnehmen, dass sie dem Beschwerdeführer allein schon auf Grund dieser Widersprüchlichkeiten und des persönlichen Eindruckes die Glaubwürdigkeit absprach; es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde unter besonderer Bedachtnahme auf die Art der vorliegenden Ermittlungsergebnisse der Vertrauensperson zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheide war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 8. April 2003

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