VwGH 2002/01/0322

VwGH2002/01/032215.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des B in N, geboren 1952, vertreten durch Mag. Wilhelm Lackner, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 6a, gegen den am 14. März 2002 mündlich verkündeten und am 15. März 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 214.683/5-VI/18/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Ausspruches gemäß § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die seinen Asylantrag abweisende Entscheidung des Bundesasylamtes "gem. §§ 7 AsylG" abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die BR Jugoslawien" zulässig sei.

Begründend hob die belangte Behörde im Zuge der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens hervor, dass dem Beschwerdeführer als Verfahrensgegenstand ua die Möglichkeit und Zumutbarkeit seiner Rückkehr bzw. seines Aufenthaltes "in der BR-Jugoslawien, und zwar in den Teilrepubliken Serbien und Montenegro" zur Kenntnis gebracht worden sei. Zur Person des Beschwerdeführers traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:

"Der (Beschwerdeführer) gehört der Volksgruppe der Roma an, ist im Kosovo geboren und hat mit seiner Familie in der Stadt Pristina gelebt.

Nach einem drei Jahre andauernden Schulbesuch hat der (Beschwerdeführer) bereits im jungen Lebensalter zu arbeiten beginnen müssen, da er aus einer sehr armen Familie stammt. In den Jahren bis zu seiner erzwungenen Ausreise aus dem Kosovo hat er in Pristina am dortigen Gemeindeamt gearbeitet, wobei er zuerst Autos gewaschen hat und später Autos (im Gemeindeamt) beaufsichtigt hat. Die Ehegattin des (Beschwerdeführers) war als Reinigungsfrau in Pristina tätig; beide waren öffentlich Bedienstete.

Im Juni 1999 begannen nach der Rückkehr der zuvor vom serbischen Militär vertriebenen Kosovo-Albanern die Schwierigkeiten des (Beschwerdeführers) und seiner Familie, da die Minderheit der Roma von den zurückkehrenden Albanern im Kosovo unter starken Druck gesetzt wurde.

Der (Beschwerdeführer) wurde aufgefordert, hohe Geldbeträge zu zahlen und entschloss sich auf Grund der allgemein schlimmen Situation für Roma im Kosovo, diese Provinz zu verlassen. In weiterer Folge reiste der (Beschwerdeführer) mit seiner Familie, genauer mit seiner Ehegattin und seinem Sohn Hetem nach Serbien in die Hauptstadt Belgrad.

Dort lebte der (Beschwerdeführer) ca. drei Monate lang im Haus seines Schwagers, in welchem sich auch seine Schwiegermutter eingefunden hatte. Der (Beschwerdeführer) wurde in Belgrad mit Lebensmitteln versorgt (und zwar vom Roten Kreuz), die Ehegattin des (Beschwerdeführers) beantragte beim zuständigen Amt in Belgrad die Ausstellung eines neuen Reisepasses, welcher ihr auch ausgestellt wurde. Der (Beschwerdeführer) selbst und seine Ehegattin sind nach der Ankunft in Belgrad auf das zuständige Amt gegangen, wo ihnen als öffentlich Bedienstete auch Unterstützungsgelder ausgezahlt wurden. Irgendwelche asylrelevanten Vorkommnisse in Belgrad bzw. in Serbien sind dem (Beschwerdeführer) nicht widerfahren. Zirka nach drei Monaten entschloss sich der (Beschwerdeführer) zu seinen in Deutschland lebenden Brüdern zu reisen, da er 'ein neues Leben beginnen wollte'.

Der (Beschwerdeführer) war zu keinem Zeitpunkt in der BR-Jugoslawien aus irgendwelchen Gründen in Haft, es gab keinerlei Verfahren gegen ihn aus asylrelevanten Gründen. Der (Beschwerdeführer) war nach eigenen Angaben auch niemals politisch tätig."

Daran anschließend traf die belangten Behörde Feststellungen über die Verhältnisse in den Teilrepubliken Serbien und Montenegro der (in der Folge gemeint: ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen aufzuzeigen, dass er in Serbien/Montenegro aus asylrelevanten Gründen eine Verfolgung befürchten müsse. Die bloße Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Roma stelle keinen Umstand dar, Verfolgung befürchten zu müssen. Angehörige dieser Volksgruppe seien in Serbien und Montenegro nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt. Allfällige Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt erreichten keine asylrelevante Intensität. Eine Rückkehr in die Provinzen Serbien und Montenegro sei dem Beschwerdeführer daher zumutbar.

Zur Entscheidung nach § 8 AsylG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, in Serbien niemals ein Problem gehabt zu haben und von dort aus wirtschaftlichen Gründen weggegangen zu sein. Eine Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG sei daher nicht zu sehen, während die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG mangels behaupteter asylrelevanter Verfolgung von vornherein ausscheide.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen sind dem Beschwerdeführer bzw. seiner Familie "irgendwelche asylrelevanten Vorkommnisse in Belgrad bzw. in Serbien ... nicht widerfahren". Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Asylteil damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in Serbien und Montenegro nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Ob der Beschwerdeführer im Kosovo in asylrelevanter Weise verfolgt wird, hat die belangte Behörde keiner näheren Prüfung unterzogen. Bei Bedachtnahme auf seinen (weiteren) Herkunftsstaat Bundesrepublik Jugoslawien (ohne Kosovo) wäre der Beschwerdeführer aber auch dann, wenn ihm im Kosovo asylrelevante Verfolgung drohen sollte, im vorliegenden Fall nicht als eine Person anzusehen, welcher der Schutz des Heimatlandes versagt worden ist (vgl. zum Konzept der zwei Herkunftsstaaten im besonderen Fall des Kosovo zuletzt das Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/01/0162). Der angefochtene Bescheid ist daher im Asylteil im Ergebnis nicht zu beanstanden; insoweit sich die Beschwerde gegen den Ausspruch gemäß § 7 AsylG richtet, war sie daher als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich des Refoulement-Teiles hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Erkennbar hat sie die Refoulement-Prüfung ausschließlich im Hinblick auf die Bundesrepublik Jugoslawien (ohne Kosovo) vorgenommen und die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien für zulässig erklärt. Aus der Fassung des Spruchs hinsichtlich § 8 AsylG ergibt sich hingegen nicht, dass von der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nur" die Bundesrepublik Jugoslawien, nicht aber auch der Kosovo umfasst worden sei. Da der Kosovo weiterhin Teil der Bundesrepublik Jugoslawien ist, erlaubt ein Bescheid, mit dem die Abschiebung eines Asylwerbers in diesen Staat für zulässig erklärt wurde, grundsätzlich auch die Abschiebung in das gesamte Staatsgebiet (insoweit ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das dieselbe Frage behandelnde Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0325, zu verweisen). Hat die belangte Behörde aber das Refoulement in die "BR-Jugoslawien" für zulässig erklärt, muss davon ausgegangen werden, dass auf Grund des angefochtenen Bescheides eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die gesamte Bundesrepublik Jugoslawien (einschließlich des Kosovo) zulässig wäre. In Bezug auf den Kosovo fehlt es im angefochtenen Bescheid aber an einer Prüfung der Voraussetzungen für die Verweigerung des Abschiebungsschutzes. Da die belangte Behörde damit im Bezug auf die Frage, ob der Beschwerdeführer nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides nur in die Bundesrepublik Jugoslawien ohne Kosovo abgeschoben werden kann, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Ausspruches nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 15. Mai 2003

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