VwGH 2002/01/0107

VwGH2002/01/01073.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Februar 2002, Zl. 2-11.P/449 - 99/15, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs5 Z3;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;
StbG 1985 §11;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 iVm § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Der am 15. August 1962 geborene Beschwerdeführer sei erstmals am 5. März 1992 in Österreich zur Anmeldung gelangt, weshalb er noch nicht über einen zehnjährigen Wohnsitz im Bundesgebiet verfüge. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft komme daher nur in Betracht, wenn dafür ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliege; ein solcher habe allerdings nicht festgestellt werden können: Der "Magistrat Graz" habe in seiner Stellungnahme zwar keine Bedenken gegen eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erhoben, er habe jedoch auch keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für eine vorzeitige Verleihung angeführt. Laut Mitteilung der Bundespolizeidirektion G sei der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag letztendlich negativ beschieden worden. Die gegen diesen Bescheid am 29. Juni 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde sei noch nicht erledigt. Das Arbeitsmarktservice Steiermark spreche sich gegen eine vorzeitige Einbürgerung aus, weil aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kein Grund für eine vorzeitige Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorliege und die Qualifikation des Einbürgerungswerbers als angelernter Arbeiter am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht werde. Weiters habe sich ergeben, dass bezüglich des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion G eine Verwaltungsübertretung aus dem Jahr 1997 aufscheine und dass er zwischen Juni 1994 und Jänner 2000 insgesamt sieben Monate keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Seit Jänner 2000 arbeite er bei einem namentlich genannten Unternehmen.

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - "bis zum heutigen Tage keine gültige Niederlassungsbewilligung gemäß den Bestimmungen des Fremdengesetzes zugesprochen erhalten", da er im Zuge seiner Einreise seine bis heute nicht anerkannte Flüchtlingseigenschaft behauptet habe. Er habe zwar ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz und - wie aus der "Sozialversicherungszeitenbestätigung" hervorgehe - einen arbeitsrechtlich genehmigten Zugang zum Arbeitsmarkt, jedoch könne ein "gefestigter Aufenthalt" nicht festgestellt werden. Schon "formalrechtlich" könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer jenes Ausmaß an Integration erreicht habe, dass auch die öffentlichen Interessen gewahrt wären. Der Status des Beschwerdeführers könne mit einem "schwebenden Zustand" verglichen werden, weil grundsätzlich davon auszugehen sei, dass sein Asylantrag von der zur Entscheidung berufenen Behörde letztendlich negativ beschieden werden könnte, wodurch nach Rechtskraft dieser Entscheidung das "schwebende Aufenthaltsrecht" in dieser Form beendet würde. Die Absicht des Beschwerdeführers, in Österreich bleiben zu wollen, werde zwar durch den bisherigen Aufenthalt dokumentiert. Trotzdem könne nur von einem "geduldeten Aufenthaltsrecht" gesprochen werden, solange über ein "tatsächliches Aufenthaltsrecht" nicht endgültig abgesprochen und entschieden worden sei. Damit sei "formell festgelegt", dass die Frage des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers erst dann beantwortet werden könne, wenn das "geduldete" Aufenthaltsrecht durch eine definitive Entscheidung über das Aufenthaltsrecht abgelöst werde. Diese endgültige Festlegung sei noch nicht getroffen worden. Damit könne "aus formalen Gesichtspunkten" die Frage des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers nicht beantwortet werden, weil die Integration von einem "definitiven Niederlassungsrecht" abhänge. Im Hinblick darauf sei eine ausreichende persönliche Verankerung im Sinn des Tatbestandes des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG nicht gegeben. Es existierten aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines anderen Tatbestandes des § 10 Abs. 5 leg. cit. gegeben seien oder dass der Beschwerdeführer aus anderen Gründen einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund verwirkliche. Sein Verleihungsantrag habe daher abgewiesen werden müssen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im vorliegenden Fall ist allein fraglich, ob der Beschwerdeführer den besonders berücksichtigungswürdigen Grund nach § 10 Abs. 5 Z 3 StbG (Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration) verwirklicht.

Der bekämpfte Bescheid steht zunächst einmal insoweit mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht im Einklang, als er einerseits betreffend das Asylverfahren des Beschwerdeführers von einer seit 29. Juni 1995 anhängigen und bis dato nicht erledigten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ausgeht und andererseits eine ablehnende Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark ins Treffen führt. Bezüglich des ersten Gesichtspunktes ist auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten hg. Beschluss nach § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 vom 19. Februar 1998, Zl. 95/20/0383, zu verweisen; was aber den Standpunkt des Arbeitsmarktservice Steiermark anlangt, so ließ die belangte Behörde eine (aktuelle) Äußerung vom 14. September 2001 unberücksichtigt, wonach - ohne dass darin (anders als noch in einer Stellungnahme vom 27. Dezember 1999) Bedenken gegen eine Einbürgerung geltend gemacht worden wären - beim Beschwerdeführer eine persönliche und berufliche Integration gegeben sei.

Von diesen Umständen abgesehen entspricht - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. März 2003, Zl. 2001/01/0515, dargelegt hat - die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 könne zu keiner nachhaltigen persönlichen Integration nach § 10 Abs. 5 Z 3 StbG führen, nicht dem Gesetz. Des Näheren wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des genannten Erkenntnisses verwiesen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0106 und Zl. 2002/01/0185).

Ausgehend von ihrer irrigen Rechtsauffassung hat sich die belangte Behörde nicht näher mit dem Integrationsstand des Beschwerdeführers - dieser hatte schon im Verleihungsantrag darauf hingewiesen, dass Österreich zu seinem "Lebensmittelpunkt" geworden sei, und in der Folge den Besitz eines Befreiungsscheines und "perfekte Deutschkenntnisse" ins Treffen geführt - beschäftigt. Von daher kann aber auch nicht beurteilt werden, ob, wie in den von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnissen vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0081, und vom 21. August 2001, Zl. 2001/01/0057, für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 10 Abs. 5 Z 3 StbG gefordert, die Integration des Beschwerdeführers deutlich über dem Ausmaß liegt, welches von einem Fremden nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt regelmäßig erwartet werden kann.

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - unter Absehen von einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 leg. cit. - aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 3. Dezember 2003

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