Normen
ABGB §21;
AsylG 1997 §25 Abs1 idF 2001/I/082;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §13 Abs4 idF 1998/I/158;
ABGB §21;
AsylG 1997 §25 Abs1 idF 2001/I/082;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §13 Abs4 idF 1998/I/158;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 24. September 1983 geborene Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Nigeria und am 29. Juni 2001 in das Bundesgebiet eingereist, stellte an diesem Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 12. September 2001 gemäß § 7 AsylG abwies; weiter erklärte es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Der damals minderjährige Beschwerdeführer wurde im erstinstanzlichen Verfahren von der Bezirkshauptmannschaft L (Land Niederösterreich) als Jugendwohlfahrtsträger gesetzlich vertreten. An diesen wurde am 17. September 2001 der genannte Bescheid des Bundesasylamtes zugestellt.
Am 28. September 2001 langte beim Bundesasylamt eine Berufung gegen diesen Bescheid ein, auf deren erster Seite unter dem Namen und der Anschrift des Beschwerdeführers vermerkt wurde "vertreten durch Bezirkshauptmannschaft L als Vertreter gemäß § 25 AsylG" und die "Für den Bezirkshauptmann" unterschrieben wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "der Bezirkshauptmannschaft L ... gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig" zurück und führte begründend nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtslage aus, der Beschwerdeführer sei am 24. September 2001 volljährig geworden, weshalb an diesem Tag die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers erloschen sei. Die am 28. September 2001 beim Bundesasylamt eingelangte Berufung der Bezirkshauptmannschaft L sei daher mangels deren Befugnis, den Beschwerdeführer zu vertreten, zurückzuweisen gewesen. Der Jugendwohlfahrtsträger hätte die Berufung entweder vor Erlangung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers einbringen müssen oder diesen darauf hinzuweisen gehabt, dass er die Berufung nach Erreichen der Volljährigkeit selbst einzubringen habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach der von der belangten Behörde zutreffend dargestellten Rechtslage erreichte der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AsylG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2001 mit Vollendung des 18. Lebensjahres am 24. September 2001 die Volljährigkeit. Mit Erreichen der Volljährigkeit endete auch die Befugnis des Jugendwohlfahrtsträgers zur gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers. Der Jugendwohlfahrtsträger war daher im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis - wie die belangte Behörde auch richtig erkannt hat - nicht zur Erhebung einer Berufung für den mittlerweile volljährigen Beschwerdeführer berechtigt.
Die belangte Behörde hätte aber die Berufung nicht ohne weiteres Verfahren zurückweisen dürfen:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG in der Fassung der Verwaltungsverfahrensnovelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen.
Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
Nach § 13 Abs. 3 AVG in der oben genannten Fassung ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Weist ein schriftliches Anbringen keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift auf, so kann die Behörde, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen, und zwar mit der Wirkung, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist nicht mehr behandelt wird. Mit gleicher Wirkung kann auch die schriftliche Bestätigung eines mündlichen oder telephonischen Anbringens aufgetragen werden (vgl. Abs. 4 leg. cit.).
Nach der Rechtsprechung ist der Sinn des § 10 Abs 1 und des § 13 Abs 3 AVG darin gelegen, eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung der materiellen Rechte der Partei zu gewährleisten, nicht aber darin, durch Formvorschriften die Durchsetzung dieser Rechte in größerem Maß als unbedingt erforderlich einzuschränken (vgl. das Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 93/07/0181)
Die belangte Behörde ging - zutreffend - davon aus, dass der Jugendwohlfahrtsträger im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung für den Beschwerdeführer nicht mehr zu dessen gesetzlicher Vertretung im Asylverfahren berechtigt war. Eine gewillkürte Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger kam für die belangte Behörde - wohl wegen des deutlichen Hinweises in der Berufung auf eine gesetzliche Vertretung - offensichtlich nicht in Betracht. Demnach schied der Jugendwohlfahrtsträger nach Meinung der belangten Behörde als Vertreter des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren aus. Damit lag der belangten Behörde ein - ansonsten zulässiger - Rechtsmittelschriftsatz vor, dem lediglich die Unterschrift des Rechtsmittelwerbers fehlte. Allein dieser Mangel berechtigte die belangte Behörde aber nicht zur sofortigen Zurückweisung der Berufung, sondern sie hätte klarzustellen gehabt, ob sich der Beschwerdeführer die Berufung nicht als von ihm selbst erhoben zurechnen lassen will (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1991, Slg. Nr. 12.924, in dem bei vergleichbarer Konstellation davon die Rede ist, dass das Rechtsmittel vom Rechtsmittelwerber "anerkannt" wird). Vor allem die konkrete Verfahrenskonstellation - Beendigung der gesetzlichen Vertretung innerhalb der Berufungsfrist - und das auf der Hand liegende Interesse des Beschwerdeführers an der Erhebung einer Berufung hätte die belangte Behörde veranlassen müssen, im Sinne des § 10 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und 4 AVG dem Beschwerdeführer in einem Verbesserungsverfahren die Möglichkeit zu geben, den der Berufung anhaftenden Mangel, etwa durch Anbringen der eigenen Unterschrift, zu beheben.
Indem die belangte Behörde ihre Verpflichtung zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 15. Mai 2003
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