VwGH 2001/04/0146

VwGH2001/04/014617.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Blaschek, Dr. Rigler und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der A-GmbH in A, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Hauptplatz 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Juni 2001, Zl. uvs- 2000/K11/006-4, betreffend Nachprüfung nach dem Tiroler Vergabegesetz 1998 (mitbeteiligte Partei: Abfallwirtschaftsverband Osttirol in Lienz, vertreten durch Dr. Ivo Greiter, Dr. Franz Pegger, Dr. Stefan Kofler, Dr. Christian Zangerle, Dr. Norbert Rinderer, Dr. Herwig Frei, Dr. Georg Huber und Dr. Ralf Geymayer, Rechtsanwälte 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24), zu Recht erkannt:

Normen

31992L0050 Vergabekoordinierungs-RL Dienstleistungsaufträge;
61997CJ0076 Tögel VORAB;
EURallg;
LVergG Tir 1998 §12 Abs1;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z1;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z5;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z6;
31992L0050 Vergabekoordinierungs-RL Dienstleistungsaufträge;
61997CJ0076 Tögel VORAB;
EURallg;
LVergG Tir 1998 §12 Abs1;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z1;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z5;
LVergG Tir 1998 §17 Abs3 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.030,44 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 beantragte die beschwerdeführende Partei die Nachprüfung des von der mitbeteiligten Partei in ihrer Jahreshauptversammlung gefassten Beschlusses, die Sammlung von Altpapier und Kartonagen im Bezirk Lienz für weitere Jahre an die Firma R., Entsorgungsunternehmen in Lienz, zu vergeben. Sie erachte sich durch diese ohne Ausschreibung erfolgte Vergabe in ihren Rechten verletzt.

Mit Bescheid des Landesvergabeamtes Tirol vom 28. Oktober 1999 wurde die von der mitbeteiligten Partei in ihrer Verbandsversammlung getroffene Entscheidung, den im Abfuhrvertrag vom 21. Dezember 1989 mit der Firma R. enthaltenen Kündigungsverzicht (bis 30. September 1999) um weitere fünf Jahre, d. h. bis zum 30. September 2004 zu verlängern, für nichtig erklärt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe dem Antrag der Firma R., den (befristet vereinbarten) Kündigungsverzicht zu verlängern, damit diese mit den Altpapierabnehmern längerfristige Verträge abschließen könne, wobei die daraus zu erwirtschaftenden höheren Erlöse (auch) der mitbeteiligten Partei zugute kämen, mit Beschluss der Verbandsversammlung entsprochen und den Kündigungsverzicht bis zum 30. September 2004 verlängert. Diese Verlängerung bedeute eine weit reichende Änderung des Abfuhrvertrages; de facto komme das einer Vertragsverlängerung gleich, die - unter den geänderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - nur in einem Vergabeverfahren zulässig sei. Der in Widerspruch zu den vergaberechtlichen Vorschriften erfolgte Beschluss der mitbeteiligten Partei über die Abgabe des begehrten Kündigungsverzichtes sei daher für nichtig zu erklären gewesen. Das bedeute, dass der unbefristet abgeschlossene Abfuhrvertrag aus 1989 mit seinen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (wiederum) so lange gelte, bis er von einem der Vertragsteile nach den (vertraglich) vereinbarten Auflösungsmöglichkeiten beendet werde; komme es zu einer Änderung dieser Rahmenbedingungen, werde die mitbeteiligte Partei ein den vergaberechtlichen Bestimmungen entsprechendes Vergabeverfahren durchzuführen haben.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2000 brachte die beschwerdeführende Partei vor, die mitbeteiligte Partei habe entgegen dem Bescheid des Landesvergabeamtes vom 28. Oktober 1999 eine Kündigung des Abfuhrvertrages nicht ausgesprochen und auch den Beschluss betreffend die Verlängerung des Kündigungsverzichtes nicht aufgehoben. Der Vertrag sei vielmehr stillschweigend verlängert worden; ein Vergabeverfahren sei nicht durchgeführt worden. Eine Nachprüfung, ob diese Vorgangsweise rechtens sei, werde beantragt.

Mit Bescheid des Landesvergabeamtes Tirol vom 15. Juni 2000 wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das durchgeführte Verfahren habe keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der bestehende Abfuhrvertrag geändert oder ergänzt worden sei; die Beschlüsse der mitbeteiligten Partei über die Erneuerung des befristeten Kündigungsverzichtes seien beseitigt worden. Der bestehende Vertrag sei daher solange Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der Firma R., bis er von einem der Vertragsteile nach den vertraglich bestehenden Kündigungsmöglichkeiten aufgelöst werde. Eine Verletzung des Tiroler Vergabegesetzes sei nicht feststellbar; eine vergabegesetzliche Verpflichtung eines öffentlichen Auftraggebers, einen bestehenden Vertrag zu beenden, bestehe nicht. Die vergaberechtlichen Bestimmungen würden erst relevant, wenn Vertragsbestimmungen dergestalt verändert würden, dass von einem neuen Vertrag gesprochen werden müsse. Ergäbe daher eine "Marktbeobachtung" das Erfordernis, den bestehenden Vertrag zu kündigen, müsste (in der Folge) ein dem Tiroler Vergabegesetz entsprechendes Vergabeverfahren durchgeführt werden.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 2000, B 1302/88-8, wurde dieser Bescheid aufgehoben; dies im Wesentlichen mit der Bgründung, dass vom äußeren Anschein her Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Landesvergabeamtes Tirol bestanden und die Zusammensetzung des tätig gewordenen Organs daher nicht den Anforderungen des Art. 6 EMRK entsprochen hätten.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Juni 2001 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 12. Mai 2000 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Verfahren habe zweifelsfrei ergeben, dass die mitbeteiligte Partei - dem Bescheid des Landesvergabeamtes für Tirol vom 28. Oktober 1999 folgend - die seinerzeitigen Beschlüsse betreffend den Kündigungsverzicht beseitigt habe. In das mit der Firma R. bestehende Vertragsverhältnis werde nach den aufrechten Beschlüssen der mitbeteiligten Partei nicht eingegriffen. Es bestehe aber keine Verpflichtung eines öffentlichen Auftraggebers, einen bestehenden Vertrag zu beenden. Erst in der Entscheidung, einen neuen Vertrag abzuschließen - dazu könne auch eine Änderung des bestehenden Vertrages führen - , könnte ein vergaberechtlich relevanter Vorgang liegen. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf gesetzmäßige Nachprüfung des Vergabeverfahrens der mitbeteiligten Partei verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, sie habe vorgebracht, dass sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten. So sei der Sammelkostenbeitrag um 50 % gesenkt worden. Der zu diesem Beweisthema namhaft gemachte Zeuge sei aber nicht einvernommen worden. Dieser hätte darlegen können, dass die Geschäftsstraßenentsorgung bei der Sammlung von Papier und Kartonagen sowohl in der technischen Durchführung als auch in der Art der Verrechnung in keinem Zusammenhang mit dem "Altvertrag" stehe. Die mitbeteiligte Partei sei "fraglos" von den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der bisherigen Sammlung und Entsorgung unter Außerachtlassung der Bekanntmachungsvorschriften abgegangen. Der Umstand, dass sich die Entsorgungskosten inzwischen um 50 % nach unten verändert hätten, verhindere, ebenso wie die geänderten Ausschreibungsverhältnisse, "einen lauteren Wettbewerb". Mit der beschwerdeführenden Partei sei unter Verletzung der vergaberechtlichen Bestimmungen "Mobbing betrieben" worden. Die Unterlassung der Kündigung eines bestehenden Vertrages, weil die Auffassung bestehe, dass ohnedies die günstigste Entsorgung gewählt worden sei, verstoße gegen das Vergabegesetz, weil eine günstigere Entsorgungsmöglichkeit nur im Rahmen eines gesetzmäßig durchgeführten Vergabeverfahrens festgestellt werden könne. Die Auffassung der belangten Behörde, sei könne einen so genannten "Altvertrag" keiner Nachprüfung unterziehen, sei irrig.

Gemäß § 12 Abs. 1 Tiroler Vergabegesetz 1998 kann jeder Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Der Antrag hat gemäß § 17 Abs. 3 Tiroler Vergabegesetz die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen Entscheidung (Z. 1), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z. 5) sowie ein bestimmtes Begehren (Z. 6) zu enthalten.

Mit ihrem Antrag vom 12. Mai 2000 begehrte die beschwerdeführende Partei die Nachprüfung der - ihrer Auffassung nach - von der mitbeteiligten Partei getroffenen Entscheidung , den Abfuhrvertrag mit der Firma R. stillschweigend zu verlängern, obwohl sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert hätten; weiters die Entscheidung, eine Kündigung des Abfuhrvertrages mit der Fa.R. nicht auszusprechen.

Mit diesem Antrag hat die beschwerdeführende Partei den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens festgelegt. Dieser besteht in der behaupteten Entscheidung der mitbeteiligten Partei, den Abfuhrvertrag mit der Firma R. zu verlängern, bzw. nicht zu kündigen.

Vom Nachprüfungsantrag der beschwerdeführenden Partei war hingegen eine (allfällige) Entscheidung der mitbeteiligten Partei, den Abfuhrvertrag durch Aufnahme von Bestimmungen über die "Geschäftsstraßenentsorgung" zu ändern, nicht umfasst. Zu Recht hat die belangte Behörde daher diesbezügliche Beweisanträge als nicht relevant erachtet.

Die belangte Behörde hat dem angefochtenen Bescheid die Feststellung zu Grunde gelegt, der zwischen der mitbeteiligten Partei und der Firma R. bestehende Abfuhrvertrag sei 1989 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden und nach wie vor aufrecht. Davon ausgehend käme eine "Verlängerung" dieses Vertrages freilich nicht in Betracht.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht das Vorliegen eines auf unbefristete Dauer abgeschlossenen Vertrages zwischen der mitbeteiligten Partei und der Firma R. Sie meint jedoch, die mitbeteiligte Partei sei, weil sich die "wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen" geändert haben, verpflichtet, diesen Vertrag zu kündigen und anschließend einen neuen Vertrag - entsprechend den vergabegesetzlichen Bestimmungen - abzuschließen. Indem die mitbeteiligte Partei daher ungeachtet der geänderten "wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen" am bestehenden Vertrag festhalte, verkürze sie die Möglichkeiten der beschwerdeführenden Partei, mit der mitbeteiligten Partei einen den geänderten Rahmenbedingungen (besser) entsprechenden Vertrag abzuschließen.

Bei diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass die vergabegesetzliche Nachprüfung auf die Prüfung von Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers in einem Vergabeverfahren beschränkt ist, d.h. auf die Nachprüfung von Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers, die im Rahmen des vergabegesetzlich vorgesehenen Verfahrens getroffen werden und als Teilakte dieses Verfahrens nach Außen zum Ausdruck kommen (vgl. das hg Erk. vom heutigen Tage, Zl. 2001/04/0144, und die dort zit. Judikatur). Nicht aber unterliegt der Nachprüfungskompetenz der Vergabebehörde die Prüfung der dem Vergabeverfahren vorgelagerten Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, einen Auftrag überhaupt zu vergeben, ebenso wenig die nach erfolgter Auftragsvergabe vom öffentliche Auftraggeber getroffene Entscheidung, an bestehenden Verträgen festzuhalten oder diese aber - nach Maßgabe der bestehenden Auflösungsmöglichkeiten - aufzulösen; es ist auch nicht etwa gemeinschaftsrechtlich geboten, in Rechtsverhältnisse, die ein öffentlicher Auftraggeber - wie im vorliegenden Fall - vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 92/50 begründet hat und die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, einzugreifen (vgl. das Urteil des EuGH vom 24. September 1998, in der Rechtssache C-76/97 , Tögel, Slg. 1998, I-05357). Die Auffassung der belangten Behörde, es läge kein "vergaberechtlich relevanter Vorgang" vor, ist daher nicht rechtswidrig.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Dezember 2003

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