VwGH 2001/03/0169

VwGH2001/03/016929.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des R in Senden, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. März 2001, Zl. uvs-2001/K6/008-1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litc;
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 lite;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 idF 1998/I/017;
VStG §44a Z1;
VStG §51e;
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litc;
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 lite;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 idF 1998/I/017;
VStG §44a Z1;
VStG §51e;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeuges am 23. Oktober 2000 eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich von Italien kommend nach Deutschland durchgeführt und dabei kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine ordnungsgemäß ausgefüllte österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete der Zollwachabteilung Brenner/MÜG am 23. Oktober 2000 um 21.00 Uhr auf der A 13 an der Hauptmautstelle Schönberg, Autobahnkilometer 10,8, im Gemeindegebiet von Schönberg i.St. festgestellt worden sei. Durch das elektronische Abbuchungsgerät Ecotag sei keine Abbuchung von Ökopunkten erfolgt, weil der im LKW angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96, Nr. 609/2000 und Nr. 2012/2000 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46), im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen, verhängt worden sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am Tattag eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durchgeführt; das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug sei mit ca. 24,5 Tonnen Mineralwasser beladen gewesen, welches in Zingonia (Italien) beladen worden sei und nach dem CMR-Frachtbrief für Dortmund bestimmt gewesen sei. Aus dem anlässlich der Anhaltung angefertigten Kontrollzertifikat ergebe sich, dass der LKW am Tattag um 20.29 Uhr den Kommunikationsort Brennerpass-Einfahrt passiert habe, wobei die Deklaration "ökopunktebefreite Fahrt" gelautet habe. Aus dem Initialisierungszertifikat gehe hervor, dass das im Fahrzeug eingebaute Ecotag ordnungsgemäß initialisiert worden und funktionstüchtig gewesen sei. Es ergäben sich auch sonst keinerlei Anhaltspunkte für eine Funktionsuntüchtigkeit des elektronischen Datenträgers. Auch seitens des Beschwerdeführers seien keinerlei Behauptungen diesbezüglich aufgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe selbst vorgebracht, dass das Ecotag funktionstüchtig gewesen und von ihm nicht ausgeschaltet worden sei, wozu er keinen Anlass gehabt hätte, zumal Punkte für diesen Zeitraum vorhanden gewesen seien. Es gehe aus dem Frachtbrief hervor, dass kein bloß bilateraler Verkehr vorgelegen sei, auch habe der Beschwerdeführer in dem von ihm selbst stammenden Schreiben das Vorliegen einer ökopunktepflichtigen Transitfahrt nicht bestritten, sondern es sei vielmehr auch der Beschwerdeführer vom Vorliegen einer Ökopunktepflicht ausgegangen. In Anbetracht dessen sei die Einvernahme des angebotenen Zeugen entbehrlich gewesen.

Die Verpflichtung, im Falle einer ökopunktpflichtigen Transitfahrt die Ökopunkte zu entrichten, treffe den Fahrer. Für die Verwirklichung der angelasteten Übertretung sei nicht vorsätzliches Verhalten erforderlich, sondern reiche bereits Fahrlässigkeit aus. Beim angelasteten Delikt bestehe das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Dies bedeute, dass der Beschuldigte glaubhaft zu machen habe, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Dies habe der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall nicht glaubhaft zu machen vermocht. Der Lenker eines LWKs habe sich bei einer Transitfahrt vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Fall der Benutzung eines Umweltdatenträgers (auf geeignete Weise) davon zu überzeugen, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich sei. Unterlasse er dies, falle ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last, zumal er für eine Transitfahrt, wenn sich ein Umweltdatenträger vor der Einreise nicht als funktionstüchtig erweise, nur bei Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a oder lit. c leg. cit. durchführen dürfe. Dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, dieser Verpflichtung nachzukommen, habe er nicht behauptet. Der Beschwerdeführer vermöge somit mit seinen Ausführungen das Fehlen eines Verschuldens nicht aufzuzeigen, weshalb er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 (GütBefG) in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Gemäß § 23 Abs. 2 GütBefG in der Fassung der angeführten Novelle hat die Geldstrafe u.a. bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 mindestens S 20.000,-

- zu betragen.

Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs

"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...

(1a) Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunkteregelung ausgenommen."

Gemäß Art. 2 Abs. 1 erster Satz der EG-VO Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der EG-VO Nr. 609/2000 der Kommission wird, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt, die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet .

Insoweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel zunächst rügt, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht die im § 44a VStG normierten Voraussetzungen erfülle und ins Treffen führt, dass nach der Anzeige, die dem Spruch des angefochtenen Bescheides zu Grunde gelegt worden sei, die Kontrolle um 21.00 Uhr durchgeführt worden, die Überprüfung nach dem Kontrollzertifikat aber bereits um 20.53 Uhr erfolgt sei, zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen lässt. Das am Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis seien (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, die zu § 44a VStG bei E 15 zitierte Judikatur).

Es besteht kein Zweifel, dass die dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Tat so konkret umschrieben ist, dass der Beschwerdeführer in die Lage versetzt war, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene - relevante - Beweise anzubieten, und zum anderen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides ausreichend konkret ist, um den Beschwerdeführer davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens noch einmal zu Verantwortung gezogen zu werden. Der Beschwerdeführer ist somit durch die in Rede stehende Zeitangabe nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt worden.

Zu Recht bemängelt der Beschwerdeführer jedoch, dass die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hat.

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis die Einvernahme eines Zeugen sowie seine Parteienvernehmung zu wesentlichen Fragen des Sachverhaltes sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG - in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 - hat der unabhängige Verwaltungssenat eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung entfällt die Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder im angefochtenen Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat. Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen hat, die Akten erkennen lassen, das die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK entgegensteht. Schließlich kann der unabhängige Verwaltungssenat nach § 51e Abs. 5 VStG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten.

Da keine der vorgenannten Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde gegeben war, wäre die belangte Behörde schon im Hinblick auf den in der Berufung gestellten Antrag des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Unterlassung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der Bescheid hinsichtlich des Schuldspruchs gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2002, A 9/01-15).

Wien, am 29. Jänner 2003

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