VwGH 2000/20/0326

VwGH2000/20/032624.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des G in G, geboren 1972, vertreten durch Dr. Gert Kleinschuster, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Mai 2000, Zl. 214.342/0-XII/36/99, betreffend § 6 Z 1, 2 und 3 sowie § 8 AsylG 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §6 Z1;
AsylG 1997 §6 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §6 Z1;
AsylG 1997 §6 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 7. September 1999 nach Österreich ein und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 7. Dezember 1999 gab er an, sein aus Warri stammender Vater sei Mitglied der "Azigidi-Society" gewesen, einer "geheimen Gemeinschaft", die im Verwaltungsverfahren auch als "Sekte" bezeichnet wurde. Sein Vater habe dieser Gemeinschaft versprochen, dass der Beschwerdeführer und sein jüngerer Bruder nach dem Tod des Vaters dessen Platz in der Gesellschaft einnehmen würden. Dies sei dem Beschwerdeführer, kurz bevor der Vater am 7. Februar 1999 verstorben sei, von ihm mitgeteilt worden. Nach dem Tod des Vaters seien "drei Leute von dieser Gesellschaft" gekommen und hätten vom Leichnam die kleinen Finger beider Hände, die Geschlechtsteile und das rechte Auge herausgeschnitten. In der Folge hätten diese Personen den Beschwerdeführer mehrfach aufgefordert, der genannten Gemeinschaft beizutreten, widrigenfalls es für ihn und seinen jüngeren Bruder "schlimm ausgehen" würde. Infolge ihrer Weigerung sei im August 1999 zunächst der Bruder des Beschwerdeführers verschleppt und getötet worden. Als der Leichnam gefunden worden sei, hätten die gleichen Körperteile gefehlt wie beim Vater des Beschwerdeführers. Die Polizei habe die Täter nicht ausforschen können. In der Folge sei der Beschwerdeführer aus Nigeria geflüchtet, weil er befürchtet habe, wie sein Bruder von den Mitgliedern der genannten Geheimgesellschaft getötet zu werden.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 7. Dezember 1999 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die (insbesondere) Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig. Es ging zunächst davon aus, die Behauptungen des Beschwerdeführers seien nicht glaubwürdig. Die weiteren Begründungsteile bezogen sich darauf, dass dem Beschwerdeführer - bei hypothetischer Zugrundelegung seiner Verfolgungsbehauptungen -

in Nigeria staatlicher Schutz gewährt würde und dass er sich den behaupteten Nachstellungen durch Verlegung seines Wohnsitzes in andere Landesteile auch entziehen könnte. Zu dem im Spruch herangezogenen Abweisungsgrund des § 6 Z 2 AsylG führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, "wird jedoch die Verfolgungshandlung ausschließlich, das heißt ungeachtet der (...) Eigenschaften des Asylwerbers, etwa durch die religiöse oder politische Überzeugung des Täters geleitet, so kann darin keine asylrelevante Verfolgung erkannt werden." Derartige Übergriffe seien nicht anders zu beurteilen als solche gewöhnlicher krimineller Einzeltäter bzw. krimineller Organisationen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr sei sohin offensichtlich nicht auf in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählte Gründe zurückzuführen.

In der dagegen erhobenen Berufung trat der Beschwerdeführer insbesondere der Annahme der staatlichen Schutzgewährung entgegen und wies darauf hin, dass "hunderte Menschen durch Kultaktivitäten" gestorben seien und die Regierung dem machtlos gegenüber stehe. In den weiteren Berufungsausführungen wurde auch das nach § 6 AsylG geforderte Kriterium der "Offensichtlichkeit" angesprochen. Schließlich wurde noch auf die in Nigeria bestehende sehr enge Verbindung zwischen weltlicher Macht und "Spiritualität" hingewiesen. Die Macht, die ein Kult in religiösen, rituellen Dingen auf die Menschen ausübe, sei unweigerlich mit ihrer materiellen und sozialen Situation verbunden, weshalb diese Kulte Einfluss erreichten, der sich vom religiösen bis ins politische Leben ausdehne.

Diese Berufung wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 6 Z 1, 2 und 3 AsylG ab und stellte neuerlich gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit insbesondere der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe würden "den Feststellungen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt". "Zu Sekten und Geheimgesellschaften in Nigeria" traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:

"Die Azigidi- oder Ashigidi-Sekte ist eine der in Nigeria sehr zahlreichen Sekten und Geheimgesellschaften. In Nigeria bestehen vermutlich über 1000 derartige Sekten und neugegründete afrikanische Kirchen. Es kann nicht festgestellt werden, dass verschiedentlich von Sekten verübte Verbrechen von staatlicher Seite geduldet werden, doch können die Verbrechen von der - teilweise nur schlecht ausgestatteten - Polizei nicht in allen Fällen aufgeklärt bzw. präventiv verhindert werden. Im Laufe des Jahres 1999 kam es an mehreren Universitäten in Nigeria zu von Sektenmitgliedern verübten Verbrechen (einschließlich Mordanschlägen) und gab Staatspräsident Obasanjo sowohl den leitenden Funktionären der Universitäten als auch der Polizei die Anweisung, mit allen Möglichkeiten des Gesetzes gegen die "Kultisten" vorzugehen. Teilweise haben die Sekten, wie beispielsweise die 'Reformed Ogboni Fraternity' (ROF) freimaurerähnlichen Charakter und sollen ihnen noch heute manche Politiker und Funktionäre angehören."

Beiweiswürdigend begründete die belangte Behörde die negativen Feststellungen betreffend das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen wie folgt:

"Sowohl vor dem Bundesasylamt als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Berufungswerber lediglich Vorfälle im Zusammenhang mit dem Tode seines Vaters (Bilder im Zimmer seines Vaters, angeblicher Totenkult) und die angebliche Ermordung seines Bruders beschrieben. Hingegen konnte der Berufungswerber zur angeblichen Tätigkeit seines Vaters in der Sekte keinerlei Angaben machen, obwohl er doch - nach seinem eigenen Vorbringen - in die Position seines Vaters nachfolgen sollte. Auch zur Azigidi-Sekte und zu dem von ihr ausgeübten Kult konnte der Berufungswerber keine konkreten Angaben machen, obwohl sein Vater viele Jahre lang Mitglied dieser Sekte gewesen sein soll. Diesbezüglich hat der Berufungswerber in der Berufungsverhandlung lediglich allgemein ausgeführt, dass "man erledigt ist, wenn man der Sekte nicht beitritt und dass sie keinem guten Zweck dient". Diese allgemein gehaltenen Angaben sind nicht geeignet, eine konkrete Bedrohung durch Sektenmitglieder glaubhaft zu machen.

Dazu kommt noch, dass der Berufungswerber kein wie immer geartetes Identitätsdokument vorlegen kann. Der Berufungswerber sieht sich auch nicht in der Lage, ein derartiges Identitätsdokument nachschicken zu lassen, obwohl er eine vom Staat Nigeria ausgehende Verfolgung nicht einmal behauptet und in seinem Geschäftsbetrieb - nach eigenen Angaben - mehrere Personen beschäftigt hat, die diesbezüglich Unterstützung leisten könnten. Auch die Schilderung des Fluchtweges ist unbestimmt und nicht objektivierbar.

Aufgrund all dieser Umstände (keine Kenntnisse über die Azigidi-Sekte, kein Identitätsdokument, unbestimmte Schilderung des Fluchtweges) ist nach Ansicht der erkennenden Behörde zusammenfassend der Schluss zu ziehen, dass die Angaben des Berufungswerbers zu seinen Fluchtgründen und zu seinem Fluchtweg nicht den Tatsachen entsprechen und bloß zur Asylerlangung konstruiert wurden."

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, es seien die Voraussetzungen nach § 6 Z 3 AsylG gegeben. Es liege nämlich "offenbar eine Täuschung der Asylbehörde bzw. eine Missbrauch des Asylverfahrens" vor, wenn der Beschwerdeführer keine Angaben zu der ihn angeblich verfolgenden Sekte machen und kein Identitätsdokument vorlegen könne.

Erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Z 1 und 2 des § 6 AsylG wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung durch den nigerianischen Staat, sondern lediglich eine Verfolgung durch Angehörige der Azigidi-Sekte, sohin durch eine private Vereinigung behauptet habe. Eine Bedrohung durch eine aus Privatpersonen gebildete Geheimgesellschaft sei dem Staat aber nicht zuzurechnen und falle demnach nicht unter den Begriff "Verfolgung" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergebe sich im Übrigen auch kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nigerianische Staat grundsätzlich außer Stande oder nicht Willens sei, dem Beschwerdeführer Schutz vor den behaupteten Übergriffen zu gewähren. Im Hinblick auf die Ermittlungsschritte der Polizei nach dem behaupteten Tod des Bruders könne nicht vom Fehlen staatlichen Schutzes gesprochen werden.

Abschließend führte die belangte Behörde zur Frage der Asylgewährung Folgendes aus:

"Zusammenfassend ergibt sich sohin, dass die Behauptung des Berufungswerbers, in seinem Heimatland eine Verfolgung im Sinne der GFK befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehrt. Dies im Hinblick darauf, dass sich dem Vorbringen des Berufungswerbers nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne der GFK drohe (§ 6 Z 1 AsylG 1997) und im Hinblick darauf, dass die behauptete Verfolgungsgefahr nach dem Vorbringen des Berufungswerbers offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe zurückzuführen ist (§ 6 Z 2 AsylG 1997) und das Vorbringen zur behaupteten Bedrohungssituation offenbar den Tatsachen nicht entspricht."

Schließlich begründete die belangte Behörde auch den Ausspruch nach § 8 AsylG mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers und hilfsweise mit dem Vorliegen staatlichen Schutzes vor der angeblichen Bedrohung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. § 6 Z 1 bis 4 AsylG lautet:

"Offensichtlich unbegründete Asylanträge

§ 6. Asylanträge gemäß § 3 sind als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder

2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist oder

3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder

4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes trotz Aufforderung nicht mitwirken;"

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet im Spruch des angefochtenen Bescheides - in zulässiger Weise über den von der Erstbehörde herangezogenen Abweisungsgrund hinaus (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0320) - auf die Z 1, 2 und 3 des zitierten § 6 AsylG gestützt.

2. Zu § 6 Z 1 AsylG:

Bei der Prüfung, ob ein unter diese Bestimmung zu subsumierender Fall vorliegt, ist von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0531). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Der Beschwerdeführer hat mit dem Vorbringen zu der ihm von Angehörigen der Azigidi-Sekte - wegen der Weigerung, deren Mitglied zu werden - drohenden Tötung einen Eingriff der genannten Art geltend gemacht, sodass nicht gesagt werden kann, diesem Vorbringen wäre eine Verfolgung im Sinne des § 6 Z 1 AsylG offensichtlich nicht zu entnehmen.

Die belangte Behörde geht erkennbar deshalb von der Verwirklichung des zitierten Tatbestandes des § 6 AsylG aus, weil dem Beschwerdeführer vor der behaupteten Verfolgung staatlicher Schutz gewährt würde. Argumente zur staatlichen Schutzgewährung gegenüber einer von nicht staatlichen Stellen (Privaten) ausgehenden Verfolgungsgefahr sind aber nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/20/0502) nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 6 AsylG, und zwar nach keinem der in dieser Gesetzesstelle erwähnten Fälle, zu begründen.

3. Zu § 6 Z 2 AsylG:

Die belangte Behörde hat in Bezug auf diesen Abweisungsgrund - anders als die Erstbehörde - nicht begründet, warum sie einen Zusammenhang mit einem Konventionsgrund für offensichtlich nicht gegeben erachtet hat. Auch bei der Prüfung, ob ein Fall des § 6 Z 2 AsylG vorliegt, ist - wie bei der Z 1 leg. cit. - von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich aus diesem Vorbringen eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen offensichtlich nicht entnehmen lässt (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0332). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu gleichartigen Fluchtgründen, wie sie hier vom Beschwerdeführer behauptet werden, bereits mehrfach ausgesprochen, es sei in diesen Fällen nicht auszuschließen, dass die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (zumindest) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung des Verfolgers beruht (vgl. etwa das schon oben erwähnte Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0332, das insbesondere auf die Erkenntnisse vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496, und vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, Bezug nimmt.). Demnach hätte die belangte Behörde auch im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres vom offensichtlichen Fehlen eines Zusammenhanges mit dem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund "Religion" ausgehen dürfen. Hinzuzufügen ist, dass dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 2001, B 2136/00, ein zum Teil wortgleicher Bescheid der belangten Behörde zu ähnlichen Behauptungen über eine Verfolgung durch Mitglieder der Azigidi-Gesellschaft zugrunde lag und auch der Verfassungsgerichtshof bei der in seinem Fall maßgeblichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 7 AsylG - für die es auf den Maßstab der "Offensichtlichkeit" nicht ankommt - vom Vorliegen eines Konventionsgrundes ausgegangen ist.

4. Zu § 6 Z 3 AsylG:

Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass nur Fälle qualifizierter (offensichtlicher) Unglaubwürdigkeit erfasst werden und eine schlichte Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht rechtfertigen kann. Dies scheint die belangte Behörde nicht hinreichend berücksichtigt zu haben, wenn sie die geltend gemachten Fluchtgründe "mangels Glaubwürdigkeit" nicht festgestellt und das diesbezügliche Vorbringen für "nicht geeignet" gehalten hat, eine konkrete Bedrohung durch Sektenmitglieder "glaubhaft" zu machen, und letztlich den Schluss gezogen hat, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen "nicht den Tatsachen entsprechen". Lediglich in der zusammenfassenden rechtlichen Würdigung wurde unter bloßer Wiedergabe des Gesetzestextes ausgeführt, das Vorbringen entspreche "offenbar nicht den Tatsachen". Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der in Rede stehenden Bestimmung müssten jedoch Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss "unmittelbar einsichtig" ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die Schilderung des Asylwerbers wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich "quasi aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssten "klar auf der Hand liegen" (siehe dazu näher das Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0214, und die daran anschließende Rechtsprechung, etwa das Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 99/20/0549). Am Maßstab dieser Erkenntnisse ist die oben wiedergegebene Begründung der belangten Behörde aber nicht geeignet, die offensichtliche Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers schlüssig darzutun:

Dem in den Vordergrund gestellten Argument, der Beschwerdeführer habe zur Azigidi-Sekte, dem von ihr ausgeübten Kult und zur Tätigkeit des Vaters in dieser Gemeinschaft keine konkreten Angaben machen können, hält die Beschwerde entgegen, es sei das Wesen einer Geheimgesellschaft, dass Nichtmitgliedern gegenüber keine Mitteilungen über "Interna der Sekte" gemacht würden. Unter Bedachtnahme auf diesen nicht völlig von der Hand zu weisenden Gesichtspunkt lässt sich aber gemessen an den erwähnten Kriterien nicht sagen, die - nach Ansicht der belangten Behörde - unzureichenden Angaben des Beschwerdeführers über die Azigidi-Sekte ließen für sich allein genommen und ohne weiteres auf eine offensichtliche Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers schließen. In Bezug auf die Angaben zu den Fluchtgründen beschränkt sich die belangte Behörde aber auf diesen Begründungsansatz. Sie hat somit auch nicht den Versuch unternommen, die qualifizierte Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf (Länder)Berichte und andere geeignete Quellen - vor allem über kultische Nachfolgerituale in Nigeria, insbesondere betreffend die Azigidi-Sekte, von deren Existenz die belangte Behörde ausgegangen ist - vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Vorkommnisse in Nigeria zu begründen (vgl. auch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit von diesbezüglichen Ermittlungen in dem bereist erwähnten, die Azigidi-Sekte betreffenden Erkenntnis vom 2. Oktober 2001). Dem angefochtenen Bescheid sind aber auch keine Begründungselemente zu entnehmen, wonach in dieser Hinsicht ergebnislose Recherchen mit der für das Offensichtlichkeitsurteil erforderlichen Eindeutigkeit gegen die Richtigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungsszenariums sprechen könnten.

Die qualifizierte Unglaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Verfolgungsbehauptungen lässt sich - entgegen der Meinung der belangten Behörde - aber in schlüssiger Weise auch nicht mit dem Fehlen eines Identitätsdokumentes oder mit unrichtigen ("vagen") Angaben zum Fluchtweg begründen, weil dies mit den hier geltend gemachten Fluchtgründen in keinem für ein Urteil über deren (Un)Richtigkeit ausreichend tragfähigen Zusammenhang steht (siehe dazu näher das oben bereits zitierte Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 99/20/0549, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Der Bescheid der belangten Behörde enthält somit auch keine für die Anwendung der Z 3 des § 6 AsylG hinreichende Begründung.

5. Der angefochtene Bescheid war aus den dargestellten Gründen wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 24. April 2003

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