VwGH 2000/20/0033

VwGH2000/20/003317.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des T in W, geboren 1956, vertreten durch Dr. Karl Dieter Zessin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salzgries 3/4/29, gegen den am 23. September 1999 verkündeten und am 4. Oktober 1999 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 210.626/0-VII/19/99, betreffend § 6 Z 3 und § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 1. April 1999 in das Bundesgebiet ein und ersuchte um Asyl. Vor dem Bundesasylamt gab er dazu an, er sei Moslem und im Jahr 1990 mit einem Touristenvisum nach Japan geflogen, wo er sich bis zum Jahr 1996 illegal aufgehalten und gearbeitet habe. In Japan habe er fünf Jahre mit einer Frau zusammengelebt, die er 1996 geheiratet habe. Da der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Japan nach Auskunft der dortigen Behörden nur durch einen bei der japanischen Botschaft im Iran einzubringenden Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung hätte legalisieren können, sei der Beschwerdeführer in den Iran zurückgekehrt. Als er in der Folge beim iranischen Außenministerium um eine Ausreisegenehmigung nach Japan angesucht habe, habe man dafür den Übertritt seiner Ehegattin zum Islam gefordert. Die Frau des Beschwerdeführers habe den Übertritt zum Islam jedoch abgelehnt, weshalb der Beschwerdeführer vom Außenministerium seines Heimatstaates aufgefordert worden sei, sich von seiner Ehegattin scheiden zu lassen. Als der Beschwerdeführer einige Monate später eine schriftliche Aufforderung des Außenministeriums erhalten habe, bei dieser Behörde vorzusprechen, habe er befürchtet, zur Scheidung gezwungen zu werden und dass man im Fall seiner Weigerung "mit mir unangenehme Sachen" machen würde. Dem letztgenannten Vorbringen hielt die Erstbehörde in einer weiteren Vernehmung des Beschwerdeführers entgegen, dass "nach unseren Unterlagen" die einzige Konsequenz einer solchen Weigerung darin liege, dass die Ehe vor den iranischen Behörden nicht anerkannt werde.

Mit Bescheid vom 7. Juni 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Begründend meinte die Erstbehörde, dass ein iranischer Staatsangehöriger, der im Ausland einen nicht dem Islam angehörenden Partner eheliche, nicht mit Verfolgungshandlungen im Iran zu rechnen habe. Da iranische Behörden die Ehe im Falle der Weigerung eines Ehegatten, zum Islam überzutreten, gar nicht anerkennen würden, sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde von den Behörden seines Heimatstaates zur Scheidung gezwungen, offensichtlich tatsachenwidrig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, von der sich im Akt der belangten Behörde eine (teilweise) Übersetzung findet. Demnach sei der Beschwerdeführer zum Buddhismus übergetreten und fürchte im Fall seiner Rückkehr in den Iran "wegen meiner religiösen Überzeugungen" mit dem Tod bestraft zu werden.

In der Verhandlung vor der belangten Behörde erläuterte der Beschwerdeführer, er habe schon vor der Erstbehörde von seinem Religionswechsel gesprochen, doch sei dies nicht protokolliert worden. Auf Befragen, wie er die Bedrohung mit dem Tod wegen seiner religiösen Überzeugung gemeint habe, antwortete der Beschwerdeführer, er sei einerseits mit einer buddhistischen Frau verheiratet und fürchte andererseits auf Grund seines eigenen Religionswechsels zum Buddhismus um sein Leben.

Nach Vorhalt näher genannter Berichte über die Situation im Iran wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG ab und stellte erneut fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG zulässig sei. Was das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Religionswechsel betreffe, so sei dieses als "vollkommen unglaubwürdig" zu werten, weil der Beschwerdeführer darüber im Rahmen der Vernehmungen durch die Erstbehörde nichts erwähnt habe. Auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer nach von ihm vorgelegten Unterlagen noch im Jahr 1998 Dokumente von iranischen Behörden ausgestellt worden seien, spreche nach Ansicht der belangten Behörde gegen die Richtigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Übertritts zum Buddhismus. Als maßgebender Sachverhalt könne aber festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1996 eine nicht moslemische Japanerin geheiratet habe und dann in den Iran zurückgekehrt sei. Das "einzige Problem" des Beschwerdeführers in seiner Heimat sei darin gelegen, dass ihm die neuerliche Ausreise nach Japan verweigert worden sei.

In ihrer rechtlichen Beurteilung verwies die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 6 Z 3 AsylG darauf, dass die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nur dann in Betracht komme, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. In der Fallkonstellation des Beschwerdeführers "(Eheschließung mit einer Nichtmoslemin im Ausland und Weigerung der Ehefrau, zum Islam überzutreten)" liege "die einzige Konsequenz im Iran" für den Beschwerdeführer darin, dass diese Ehe von den iranischen Behörden nicht anerkannt und registriert würde. Eine im Ausland geführte Ehe zwischen einem Iraner und einer Nichtmoslemin könne, so die belangte Behörde weiter, im Iran keine Strafverfolgung auslösen. Der Beschwerdeführer habe somit versucht, in seinem Asylverfahren eine Bedrohungssituation zu konstruieren, die offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Daher sei nicht nur der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen, sondern es komme im Beschwerdefall auch die Gewährung von Abschiebungsschutz nicht in Betracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Ehe mit einer "ausländischen Ungläubigen" führe nicht zu der von ihm befürchteten Bedrohung in seiner Heimat.

Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge gemäß § 3 leg. cit. als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist nach Z 3 dieser Gesetzesstelle dann der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers differenzierend gewürdigt und seine Angaben zu den Fluchtgründen - teilweise (soweit sie seinen Religionswechsel betreffen) - als offensichtlich tatsachenwidrig eingestuft. Inwieweit die Qualifikation bloß eines Teiles des Vorbringens des Asylwerbers zu einer Bedrohungssituation als offensichtlich tatsachenwidrig die Abweisung eines Asylantrages nach § 6 Z 3 AsylG zu tragen imstande ist, kann gegenständlich dahingestellt bleiben, weil die Anwendung der letztgenannten Bestimmung hier schon aus folgendem Grund nicht in Betracht kommt:

Die belangte Behörde folgt dem Vorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid dahingehend, dass dieser seit dem Jahre 1996 mit einer nicht dem Islam angehörenden Japanerin verheiratet sei, die sich geweigert habe, ihren Glauben zu wechseln. Die (schon vor der Erstbehörde vorgebrachten) Angaben, der Beschwerdeführer habe mit seiner Frau in Japan bereits fünf Jahre zusammengelebt, hat die belangte Behörde nicht als (offensichtlich) tatsachenwidrig beurteilt.

Den in der Verhandlung mit dem Beschwerdeführer erörterten Unterlagen über die Situation im Iran (vgl. dazu den der Verhandlungsschrift angeschlossenen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 2. Oktober 1998) lässt sich Folgendes entnehmen:

"3. Eine Eheschließung ist im Iran gültig, soweit sie nicht zwingenden Vorschriften des islamischen Rechts widerspricht, wie z. B. dem Verbot der Heirat eines Moslems mit einer Nichtmoslemin und umgekehrt. Eine Ehe zwischen einem Moslem und einer Angehörigen der Bahai-Religion würde von den iranischen Behörden nicht anerkannt und registriert werden, wenn die Frau nicht zum Islam übertritt. Ein wegen fehlender staatlicher Registrierung unverheiratetes Zusammenleben gilt im Iran als "illegaler Geschlechtsverkehr", der in diesem Fall nach Art. 88 des iranischen Strafgesetzbuchs mit jeweils 100 Peitschenhieben geahndet werden kann. Dies setzt natürlich die Kenntnis der iranischen Strafverfolgungsbehörden und eine entsprechende Anzeige voraus."

Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer jahrelang mit einer nicht dem Islam angehörenden Frau zusammengelebt hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls die Auffassung der belangten Behörde, es finde sich bezüglich des Beschwerdeführers kein "sonstiger Hinweis" auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat im Sinn des § 6 AsylG, nicht zu teilen (vgl. zur Asylrelevanz einer drohenden unverhältnismäßigen Bestrafung im Iran wegen einer im Ausland geführten Lebensgemeinschaft mit einem Nichtmoslem auch das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2003

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