VwGH 2000/02/0356

VwGH2000/02/035628.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des JAR in O/Deutschland, vertreten durch Dr. Ferdinand Rankl, Rechtsanwalt in 4563 Micheldorf, Hauptstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 31. Oktober 2000, Zl. Senat-KR-00-409, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Oktober 2000 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 2. Oktober 1999 gegen 20.45 Uhr an einem näher umschriebenen Ort ein Fahrrad gelenkt und an diesem Tag um 21.03 Uhr (an einem weiteren näher umschriebenen Ort) die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er das Fahrzeug gelenkt habe und vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 (in der Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994) sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand u.a. ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Entsprechend dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO aus. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zu diesem "Verdacht" u. a. ausgeführt, aus der betreffenden Anzeige gehe hervor, dass beim Beschwerdeführer (anlässlich seiner und der nachstehend angeführten Zeugen Franz W. und Josef K. vorgenommenen Anhaltung durch Gendarmeriebeamte) "Alkoholisierungsmerkmale" festgestellt worden seien. Hingegen findet sich im angefochtenen Bescheid kein Hinweis darauf, dass der von der belangten Behörde anlässlich der vor ihr am 21. Juni 2000 stattgefundenen mündlichen Verhandlung einvernommene Gendarmeriebeamte Karl W. als Zeuge eine derartige Aussage über "Alkoholisierungsmerkmale" beim Beschwerdeführer getroffen hätte, was in der Beschwerde zu Recht gerügt wird:

Der Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe diese Frage nicht aufgeworfen, sodass auch keine Veranlassung bestanden habe, den erwähnten Gendarmeriebeamten anlässlich der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Alkoholisierungsmerkmale beim Beschwerdeführer zu befragen, geht fehl, weil der Beschwerdeführer bereits in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ausgeführt hatte "Im übrigen hatte ich zum damaligen Zeitpunkt keinen Alkohol konsumiert und hätte daher überhaupt keinen Grund gehabt, mich einer Atemalkoholuntersuchung zu widersetzen" und in der erwähnten mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2000 in seinem "Schlusswort" vorbrachte, er sei "Abstinenzler" und nehme "nie alkoholische Getränke zu sich", was durchaus dahin verstanden werden kann, es seien (somit) anlässlich des in Rede stehenden Vorfalles auch keine Alkoholisierungsmerkmale bei ihm vorhanden gewesen. Der von der belangten Behörde im Grunde des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO als gegeben erachtete "Verdacht" ist daher vom Ergebnis des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht gedeckt.

Ein weiterer - wesentlicher - Verfahrensmangel ergibt sich aus Folgendem:

Anlässlich der oben mehrfach erwähnten mündlichen Verhandlung hatte die Vertreterin des Beschwerdeführers den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Franz W. und Josef K. (welche - wie erwähnt -

bei der in Rede stehenden Amtshandlung am 2. Oktober 1999 anwesend waren) zum Beweis dafür gestellt, dass sich der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Durchführung des Alkotestes bereits vom Anhalteort entfernt habe". Diesem Antrag wurde von der belangten Behörde (entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides) "nicht zuletzt auf Grund der erheblichen Alkoholisierung der beiden (gemeint: anderen) Radfahrer" (die Untersuchung der Atemluft habe bei diesen beiden "0,84 mg/l bzw. 0,85 mg/l" bzw. "0,68 mg/l bzw. 0,72 mg/l" ergeben) und "der klaren Aussage des einschreitenden Gendarmeriebeamten" nicht Folge gegeben. Zu Recht rügt daher der Beschwerdeführer auch diese unterlassenen Zeugeneinvernahmen als wesentlichen Verfahrensmangel. Dass diese beiden Zeugen nämlich in einem solchen körperlichen Zustand gewesen seien, um nachträglich keinerlei dienliche Angaben über die Geschehnisse am "Beanstandungsort" machen zu können, wird von der Behörde nicht dargetan und ist nach der Aktenlage auch nicht erkennbar.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. März 2003

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