VwGH 2002/20/0354

VwGH2002/20/035421.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des IS in Wien, geboren 1977, vertreten durch Dr. Stephan Probst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Esslinggasse 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. April 2002, Zl. 222.654/0-IV/10/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am 30. Dezember 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 31. Dezember 2000 Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 16. Mai 2001 vor dem Bundesasylamt gab er an, dass er immer wieder von einem Freund und dessen Gefährten, militanten Sikhs, besucht und um Quartier gebeten worden sei. Deswegen sei er im Juni 2000 von der Polizei einvernommen und geschlagen worden. Auf Grund von Protesten der Ortsbevölkerung sei er gegen Kaution freigelassen worden. In der Folge sei er aber immer wieder von der Polizei aufgesucht worden. Da er von den militanten Sikhs unter Druck gesetzt worden sei, sich ihnen anzuschließen, habe sich der Beschwerdeführer im Dezember 2000 zur Flucht entschlossen.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 wies das Bundesasylamt ausgehend von den als wahr erachteten Angaben des Beschwerdeführers den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private (militante Personen) könnten nicht die Flüchtlingseigenschaft begründen. Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes müsse entweder von staatlichen Stellen ausgehen oder der betreffende Staat müsse nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Dass die staatlichen Behörden Indiens nicht in der Lage und nicht gewillt gewesen seien, dem Beschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zu gewähren, sei dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, er sei, nachdem jemand bei der Polizei gemeldet habe, dass Mitglieder einer Untergrundorganisation öfter bei ihm zu Besuch seien, von der Polizei festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht worden. Dort sei er über seine Freunde befragt worden. Da er bestritten habe, dass diese Leute bei ihm gewesen wären, sei er von der Polizei geschlagen worden. Er habe davon noch immer sichtbare Verletzungen am Rücken. Aus diesem Grunde beantrage er die Einholung eines ärztlichen Gutachtens. Er rege an, dieses Gutachten bei Dr. MC, einem anerkannten Facharzt für Folteropfer, einzuholen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2001 vor der belangten Behörde wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen und brachte zusätzlich vor, dass es gegen ihn eine gerichtliche Anklage wegen Unterstützung der Terroristen gebe. Er sei weiters von der indischen Polizei unter Druck gesetzt worden, zu unterschreiben, dass er die Terroristen unterstützt habe. Aus diesem Grunde sei er in der Folge auf Kaution freigelassen worden. Dies habe er schon - nachdem ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei - vor dem Bundesasylamt angegeben. Man habe sein Vorbringen jedoch nicht protokolliert, sondern ihm mitgeteilt, dass er das vorher hätte sagen müssen. Am Ende der Verhandlung wurde der die Berufung abweisende Bescheid verkündet und gemäß § 8 Asylgesetz (neuerlich) ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei.

In der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung - im Anschluss an eine Darstellung des Verfahrensganges, die Wiedergabe eines Großteils der Angaben des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung und allgemein gehaltenen Feststellungen aus einer "Länderdokumentation zu Indien, Bundesstaat Punjab" - wie folgt:

"Aus den Aussagen des Asylwerbers wird festgestellt:

Er selbst gab die Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zu - die diesbezüglich bloß allgemeine, undifferenzierte, unspezifische und somit letztlich unbegründete - Angst vor der Polizei, konnte nur als bloße als Vermutung des Asylwerbers erkannt werden.

Aus der Aussage des Asylwerbers kann nicht festgestellt werden, dass dem Asylwerber in einem asylrelevanten ausmaß staatliche Verfolgung in seiner Heimat droht, bzw. die Polizei ihm gegen Sikh-Terroristen zu wenig Schutz bietet.

Zur Glaubwürdigkeit des Asylwerbers (persönlicher Eindruck) und seinem Vorbringen ist festzuhalten, dass die Behörde zweiter Instanz jenes - 'Kern' - Vorbringen, das dem Ergebnis erster Instanz zu Grunde liegt, glaubte - nicht jedoch jene aggravierienden Darstellungen, die der Asylwerber selbst - sh. Ermahnungen in der Berufungsverhandlung - in seiner Berufung bzw. während der Verhandlung darbrachte - diese werden als unglaubwürdiges, gesteigertes Vorbringen gewertet - auf die Vermerke in der Verhandlungsschrift wird hingewiesen.

Nach Abschluss des Beweisverfahrens gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, dass die Tatsachenfeststellungen, Würdigungen und rechtliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides in vollem Einklang zu dem von der Berufungsbehörde eingesehenen Dokumentationsmaterial stehen.

IV

Die nachfolgenden ergänzenden Feststellungen (Würdigungen) unterstützen lediglich die erstbehördliche Begründung und bekräftigen diese in ihrem Rechtsbestand, weshalb die Feststellungen (insoweit nicht geringfügig ergänzt) die Würdigung (insoweit nicht geringfügig ergänzt) und rechtliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hiemit ausdrücklich auch von der Berufungsbehörde übernommen wird.

Dies bezieht sich ausdrücklich auch auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Asylvorbringens und des Asylwerbers. Durch die Feststellungen auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen haben sich dieselben, zum Teil weitere Widersprüche der Aussage des Asylwerbers ergeben, wodurch nunmehr auch für die Berufungsbehörde feststeht, dass seine Ausführungen nicht glaubwürdig und nicht in den täglichen Gegebenheiten seines Heimatlandes verankert erscheinen, sodass sich hieraus auch für die Berufungsbehörde die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ergibt.

V

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

'Die Berufungsbehörde genügt ihrer Begründungspflicht allgemein mit der Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz, falls sie in der Frage des Sachverhaltes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist und der Oberinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offen gelassene Frage vorgelegt wurde (VwGH 11.02.1985/07/0041)'.

Wenn die Berufungsbehörde aus den gleichen Gründen wie die Unterinstanz zu einer dem Spruch des angefochtenen Bescheides gleich lautenden Entscheidung kommt, hat sie die Berufung abzuweisen und den angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf dessen zutreffende (und ausreichende) Begründung zu bestätigen.

Die Berufung hat kein konkretes, glaubwürdiges, neues Vorbringen angeführt, auf Grund derer die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Vielmehr musste - punktuell - der Asylwerber nach Vorhalt sogar die Richtigkeit der Feststellungen der Asylbehörde bestätigen.

Soweit im Berufungsverfahren Feststellungen getroffen wurden, bestätigen und bekräftigen sie die Feststellungen der Behörde erster Instanz und stehen im Einzelnen (sowie in Verbindung mit der Amtskenntnis) in keinem erkennbaren Widerspruch mit den Feststellungen und dem übrigen Bescheidinhalt der Behörde erster Instanz.

Somit hatte die Berufungsbehörde, unter Abstandnahme der Möglichkeit einer eigenen Entscheidungsfindung, den Bescheid der Behörde erster Instanz vollinhaltlich zu bestätigen, dessen Inhalt zum eigenen zu machen und die Berufung abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2001, 2001/20/0215).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Im angefochtenen Bescheid wird u.a. ausgeführt:

"Durch die Feststellungen auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen haben sich dieselben, zum Teil weitere Widersprüche der Aussage des Asylwerbers ergeben, wodurch nunmehr auch für die Berufungsbehörde fest steht, dass seine Ausführungen nicht glaubwürdig und nicht in den täglichen Gegebenheiten seines Heimatlandes verankert erscheinen, sodass sich hieraus auch für die Berufungsbehörde die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ergibt."

Der Beschwerdeführer rügt, dass er trotz seines Antrages auf Erstellung eines ärztlichen Gutachtens weder von einem Sachverständigen untersucht worden noch ein Sachverständiger im Verfahren aufgetreten sei. Auch in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten - insbesondere auch im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vom 30. Juli 2001 - finden sich keine Ausführungen eines Sachverständigen. Da die belangte Behörde jedoch ihre Feststellungen zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausdrücklich und nahezu ausschließlich auf solche - im Verwaltungsakt nicht enthaltene - Ausführungen stützt, wurde der Sachverhalt durch die belangte Behörde in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen.

Die Behauptung, es hätten sich "dieselben" und "zum Teil weitere" Widersprüche ergeben, womit nun "auch" für die Berufungsbehörde die Unglaubwürdigkeit "des Vorbringens" feststehe, steht aber auch in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Behörde erster Instanz das Vorbringen des Beschwerdeführers als wahr erachtete und die belangte Behörde dem offenbar folgen wollte.

Der angefochtene Bescheid - in den allem Anschein nach unredigierte Textbausteine eingeflossen sind - war schon auf Grund dieser Mängel seiner Begründung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 21. November 2002

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