VwGH 2002/18/0085

VwGH2002/18/008524.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D in Wien, geboren 1976, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Februar 2002, Zl. SD 647/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes,

1) zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird im Umfang ihres Hauptantrages als unbegründet abgewiesen.

2) den Beschluss gefasst:

Der in der Beschwerde gestellte Eventualantrag, "der belangten Behörde aufzutragen, gegenständlichen Bescheid insofern abzuändern, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes maßgeblich (max. auf 3 Jahre befristet) herabgesetzt wird", wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Februar 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen slowenischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben erstmals im Jänner 1995 auf Grund eines Touristenvisums nach Österreich eingereist. Am 4. November 1996 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und im Anschluss daran am 24. März 1997 vom Landeshauptmann von Wien eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erhalten. Nachdem er von seiner Ehegattin geschieden worden sei, habe er zuletzt eine Niederlassungsbewilligung "für jeglichen Aufenthaltszweck" erhalten.

Am 12. Mai 1999 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 27. Dezember 1998 seine Lebensgefährtin im Zug eines Streites mit den Händen und durch Verwendung eines Gürtels am Körper verletzt habe. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. November 2000 sei er gemäß § 28 Abs. 1 und 3 Suchtmittelgesetz - SMG, § 12 StGB, § 27 Abs. 1 SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass er in der Zeit von Oktober 1998 bis Mai 1999 gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (insgesamt 7600 bis 8600 Stück Ecstasytabletten und zumindest 50 g Kokain) aus- und eingeführt sowie zur Aus- und Einfuhr von Suchtgift in einer großen Menge beigetragen, ca. 7400 bis 8400 Stück Ecstasytabletten verkauft und in der Zeit von November 1998 bis August 1999 wiederholt Ecstasytabletten und Kokain erworben und besessen habe.

Es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - in concreto: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - (auch) im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit etwa sieben Jahren, seit ca. fünf Jahren rechtmäßig, in Österreich, lebe mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt und sei seit 19. Jänner 1998 regelmäßig beschäftigt. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. zulässig und erweise sich diese zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:

zur Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und zum Schutz der Gesundheit - geradezu als dringend geboten. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, die Bundespolizeidirektion Wien (die Erstbehörde) hätte übersehen, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien von einem einmaligen Fehlverhalten und einer günstigen "Zukunftsprognose" ausgegangen wäre, und es wäre daher die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden könnte, verfehlt, sei zu entgegnen, dass die Behörde das Fehlverhalten eines Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht zu beurteilen habe.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den etwa siebenjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen, dabei jedoch gleichzeitig zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers - noch dazu im Bereich der Suchtgiftkriminalität - erheblich gemindert werde. Auch seine berufliche Integration, die durch einen ständigen Arbeitgeberwechsel bzw. Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe) gekennzeichnet sei, werde dadurch wesentlich relativiert. Von daher gesehen komme den privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers jedenfalls kein solches Gewicht zu, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Vor diesem Hintergrund und da auch keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben seien, könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden. Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so habe sich die Berufungsbehörde dazu entschlossen, diese Maßnahme gemäß § 39 Abs. 1 FrG mit zehn Jahren zu befristen. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation könne jedoch ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, keinesfalls vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu "der belangten Behörde aufzutragen, gegenständlichen Bescheid insofern abzuändern, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes maßgeblich (max. auf 3 Jahre befristet) herabgesetzt wird".

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde vertritt indes die Meinung, es fehlten im angefochtenen Bescheid Feststellungen für die Annahme der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aktuell gefährden könnte. Dieser habe sich seit der Begehung der Straftaten im Mai 1999, somit seit knapp drei Jahren, wohlverhalten. Er gehe einer geregelten Beschäftigung nach und tue alles dafür, um seine Resozialisierungsbereitschaft zu dokumentieren.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Der besagten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien liegt nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu Grunde, dass er in der Zeit von Oktober 1998 bis Mai 1999 gewerbsmäßig, d. h. in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt 7600 bis 8600 Stück Ecstasytabletten und zumindest 50 g Kokain, aus- und eingeführt und zur Aus- und Einfuhr von Suchtgift in einer großen Menge beigetragen hat. Ferner hat er ca. 7400 bis 8400 Stück Ecstasytabletten verkauft und in der Zeit von November 1998 bis August 1999 wiederholt Ecstasytabletten und Kokain erworben und besessen. Vor dieser Verurteilung war der Beschwerdeführer am 12. Mai 1999 vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 27. Dezember 1998 seine Lebensgefährtin im Zug eines Streites am Körper verletzt hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 99/18/0454, mwN). Bei Würdigung des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere des sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckenden Verbrechens nach dem SMG und des Umstandes, dass auch die Verurteilung durch das Bezirksgericht Floridsdorf ihn nicht davon abhalten konnte, weiterhin straffällig zu werden, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht lag das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. In Anbetracht der obzitierten Feststellungen der belangten Behörde kann entgegen der Beschwerdemeinung auch keine Rede davon sein, dass im angefochtenen Bescheid Feststellungen für die Annahme der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aktuell gefährden könnte, fehlten.

3.1. Im Licht des § 37 FrG meint die Beschwerde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten sei. Auch hätte die Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen müssen. Dieser sei in Österreich familiär und sozial vollständig integriert, gehe seit mehr als vier Jahren einer regelmäßigen Beschäftigung nach und verfüge zudem über Anteile an einer näher bezeichneten Liegenschaft. Sämtliche Familienmitglieder des Beschwerdeführers lebten im Bundesgebiet und hätten zum Großteil die österreichische Staatsbürgerschaft.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit etwa sieben Jahren, seine Beschäftigung und sein Zusammenleben mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund dieser Gesetzesbestimmung dringend geboten und somit zulässig sei, manifestiert sich doch vor allem in dem vom Beschwerdeführer über mehrere Monate begangenen Verbrechen nach dem SMG die von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit, zumal es sich bei der Suchtgiftkriminalität, wie oben bereits dargelegt, um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist.

Im Licht dessen konnte die Interessenabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Die aus seinem bisherigen Aufenthalt und seiner Beschäftigung im Bundesgebiet ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - selbst wenn man berücksichtigt, dass, wie von der Beschwerde behauptet, alle Familienmitglieder des Beschwerdeführers in Österreich lebten, er seit mehr als vier Jahren einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehe und über Liegenschaftsanteile im Bundesgebiet verfüge - zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familienangehörigen.

4. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

5. Ferner kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der in der Verübung der schweren Straftat nach dem SMG zu Tage getretenen Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, nämlich seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, nicht vor Ablauf von zehn Jahren erwartet werden könne.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde im Umfang des Hauptantrags gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Hingegen war sie im Umfang ihres Eventualbegehrens gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weil im Hinblick darauf, dass dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Bescheidbeschwerde lediglich die Stellung eines Kassationsgerichts zukommt, ein auf eine inhaltliche Abänderung des angefochtenen Bescheides abzielendes Begehren einer meritorischen Erledigung durch ihn nicht zugänglich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 2000/21/0034, mwN).

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. April 2002

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