VwGH 2002/18/0041

VwGH2002/18/004124.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des T, geboren 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Jänner 2002, Zl. SD 448/01, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 13. Mai 1999 mit einer bis 31. Oktober 1999 gültigen Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" nach Österreich eingereist und sei seit 7. Juni 1999 in Wien gemeldet. Mit Bescheid der Wirtschaftsuniversität Wien sei er als außerordentlicher Studierender zugelassen worden. Gleichzeitig sei ihm die Ablegung der "Ergänzungsprüfung aus Deutsch" vorgeschrieben worden.

Am 19. November 1999 sei die Aufenthaltserlaubnis des Beschwerdeführers bis 31. Oktober 2000 verlängert worden. Zuletzt habe er am 16. Oktober 2000 einen Antrag auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels gestellt. Im Sommersemester 2000 habe der Beschwerdeführer an einem Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten ohne Erfolg teilgenommen. Im Zug des vorliegenden Verfahrens habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung über die nicht erfolgreiche Teilnahme an einem Deutschkurs im Wintersemester 2000/2001 im Rahmen des Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten vorgelegt.

Der Beschwerdeführer habe somit bisher keine Prüfung erfolgreich abgelegt. Angesichts dieses Sachverhalts sei die Erstbehörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer nicht nach Österreich gekommen wäre, um hier zu studieren. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls kein Verhalten gesetzt, das den Schluss zuließe, sein ausschließlicher Aufenthaltszweck sei die Absolvierung eines Studiums im Inland.

Damit erfülle der Beschwerdeführer eine wesentliche Voraussetzung für den von ihm begehrten Aufenthaltstitel nicht und verstoße solcherart gegen die für Fremde maßgeblichen Regelungen, deren Einhaltung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der Tatbestand des Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG sei somit erfüllt. Damit lägen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG vor.

Auf Grund des erst etwa zweieinhalbjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- oder Familienleben keine Rede sein. Es sei daher weder die Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 FrG noch eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da sich der Beschwerdeführer während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Bei dem vom Beschwerdeführer angestrebten weiteren Aufenthaltstitel handelt es sich um eine Aufenthaltserlaubnis für den ausschließlichen Zweck des Studiums gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG.

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2.1. Der Beschwerdeführer hält sich nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid seit 13. Mai 1999 im Bundesgebiet auf, wobei ihm bisher Aufenthaltserlaubnisse für den ausschließlichen Zweck des Studiums erteilt worden sind. Ebenso unstrittig hat er zur Absolvierung der ihm von der Wirtschaftsuniversität Wien als Voraussetzung für die Aufnahme als ordentlicher Hörer vorgeschriebenen "Ergänzungsprüfung aus Deutsch" im Sommersemester 2000 und im Wintersemester 2000/2001 jeweils eine Lehrveranstaltung im Rahmen eines Vorstudienlehrganges besucht, jedoch beide Male nicht positiv abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer befindet sich somit schon zwei Jahre und acht Monate zum (nach dem Inhalt des Aufenthaltstitels) alleinigen Zweck des Studiums im Bundesgebiet, hat jedoch die Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums noch nicht erfüllt und auch im Rahmen des Vorstudienlehrganges noch keine einzige Lehrveranstaltung positiv abgeschlossen, obwohl er zumindest vier Semester dazu Zeit gehabt hätte.

Es stellt eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, wenn sich ein Fremder, der nach zwei Jahren und acht Monaten Aufenthalt zum ausschließlichen Zweck des Studiums - aus welchen Gründen immer - überhaupt keinen Studienerfolg aufzuweisen hat, weiterhin allein zu diesem Zweck im Bundesgebiet aufhält.

Der in der Beschwerde vorgebrachte Umstand, dass sich der Beschwerdeführer auf die zuletzt nicht bestandene Prüfung "intensiv vorbereitet" habe, kann daran nichts ändern, stellt es doch auch eine Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens dar, wenn sich über einen längeren Beobachtungszeitraum ergibt, dass der Fremde den Anforderungen des den alleinigen Aufenthaltszweck darstellenden Studiums trotz intensiver Bemühungen nicht gewachsen ist.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfülle, ist daher unbedenklich.

2.2. Für diesen Fall ordnet § 10 Abs. 2 FrG an, dass die Erteilung des Aufenthaltstitels versagt werden kann. Damit ist klargestellt, dass das Vorliegen der in § 10 Abs. 2 FrG genannten Umstände nicht zwingend einen Versagungsgrund darstellt. Vielmehr ist der Ausdruck "kann" in § 10 Abs. 2 FrG dahin zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Antragestellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt ist. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088, mwN.)

2.3. Die belangte Behörde hat die Rechtslage insoweit verkannt, als sie die Ansicht vertrat, der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG liege bereits deshalb vor, weil der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden würde, und sich daher weder mit der Frage, ob bei Anwendung dieses Versagungsgrundes in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht eingegriffen werde, noch damit, ob der allenfalls gegebene Eingriff aus den Gründen des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sei, auseinandergesetzt.

2.4. Der Beschwerdeführer würde durch die Unterlassung einer solchen Prüfung nur dann nicht in Rechten verletzt werden, wenn die belangte Behörde im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 FrG ohnehin ausreichend auf Art. 8 EMRK Bedacht genommen hätte. (Vgl. neben dem bereits zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0088, etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0109.) Dies ist jedoch vorliegend (siehe unten 3.) nicht der Fall.

3. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, es sei nicht zu prüfen gewesen, ob die Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG zulässig sei, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, sind doch auf Grund des inländischen Aufenthaltes in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten jedenfalls private Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich gegeben.

4. Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer nicht in Betracht kommt.

Wien, am 24. Mai 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte