VwGH 2002/16/0127

VwGH2002/16/012724.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien I, Börseplatz - Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 1. März 2002, ABK-? 160/2000, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §151;
KO §156 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
LAO Wr 1962 §7;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §151;
KO §156 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
LAO Wr 1962 §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Haftung für Dienstgeberabgabe und Nebengebühren betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.088 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit dem 22. April 1980 Geschäftsführer der J. GmbH. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 9. Dezember 1997, 3 Sa 1206/97s, wurde über das Vermögen der J GmbH das Ausgleichsverfahren eröffnet.

Mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 14. August 2002 wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass ein Abgabenrückstand der J GmbH an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für 1997 bestehe.

Mit einer Eingabe vom 31. August 1998 wurde darauf hin mitgeteilt, die Entrichtung der Abgaben sei unterblieben, weil die J GmbH massive Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe. Gleichzeitig hätten aber auch alle anderen Gläubiger keine Zahlungen erhalten.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe in Höhe von zusammen S 121.329,-- zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von S 2.426,-- herangezogen. In der Begründung dieses Bescheides wurde insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt, weil Löhne und Gehälter im angeführten Zeitraum ausbezahlt, die dadurch fällig gewordenen Abgaben jedoch nicht entrichtet worden seien.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde auf angeschlossene detaillierte Berechnungen über die Behandlung der Gläubiger verwiesen. Danach seien von den Gesamtverbindlichkeiten folgende Prozentsätze getilgt worden:

4/97

14,96 %

5/97

19,69 %

6/97

20,33 %

7/97

19,44 %

8/97

29,15 %

9/97

25,24 %

10/97

19,82 %

In der Berufung wurde beantragt, die monatlichen Vorschreibungen prozentmäßig mit den bezahlten Verbindlichkeiten abzurechnen.

Nach einer die Berufung als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. In dieser Eingabe wurde ausgeführt, der Ausgleichsvorschlag mit einer Quote von 40 % sei von den Gläubigern angenommen worden. Das Ausgleichsverfahren sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16. Oktober 1998 aufgehoben worden. An den Magistrat Wien seien die Quotenzahlungen am 15. Oktober 1998 und am 17. Februar 2000 geleistet worden. Durch die Zahlung der Ausgleichsquoten sei der Abgabenanspruch in vollem Umfang getilgt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde die Auffassung vertreten, der Ausgleich des Primärschuldners stelle keinen Grund für eine Befreiung des Haftungspflichtigen dar. Ein Nachweis darüber, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, sei vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht für Abgabenverbindlichkeiten der J GmbH haftbar gemacht zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs 1 WAO haften die in den §§ 54 ff WAO bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben dem Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. März 2001, Zl 2000/17/0216, mwH ausgesprochen hat, greift die Haftung gemäß § 7 WAO iVm § 171 WAO auch nach Erfüllung eines Ausgleichs oder Zwangsausgleichs ein. In diesem Erkenntnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch auf das zu § 9 BAO ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. September 1999, Zl 96/15/0049, berufen, wonach die Erfüllung eines (Zwangs-)Ausgleichs des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen darstellt. Die zu dieser Rechtsprechung vom nunmehrigen Beschwerdeführer vertretene Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe nur für den Fall des Abschlusses des Ausgleichs, nicht aber für den der Erfüllung des Ausgleichs die Haftung des Vertreters bestätigt, ist demgegenüber unzutreffend.

Soweit der Beschwerdeführer auf die in der älteren Rechtsprechung für wesentlich erachtete Akzessorietät der Haftung verweist, ist ihm die im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 22. September 1999 vertretene Auffassung entgegenzuhalten, wonach der Gedanke der Akzessorietät nicht losgelöst von den ihn bestimmenden Gesichtspunkten insoweit verselbständigt werden kann, dass Vertreter von der im öffentlichen Recht wurzelnden Abgabenhaftung freigestellt würden, die geradezu im Kernbereich der ratio legis liegen. Die Haftung ist also nur insoweit akzessorisch, als sie das Bestehen des Abgabenanspruchs zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhalts voraussetzt.

Der Haftende erfährt jedoch dann eine Einschränkung seiner Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl 96/15/0104). Dabei bedeutet die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers nicht, dass die Behörde von jeglicher Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspricht nämlich der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptungen und Beweisanboten zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl die hg Erkenntnisse vom 29. März 2001, Zl 2000/14/0149, und vom 19. Februar 2002, Zl 2001/14/0207).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung dargelegt, in welchem Verhältnis die Tilgung von Verbindlichkeiten zu den Gesamtverbindlichkeiten in den einzelnen Monaten gestanden ist. Diese Verhältnisangaben wurden durch umfangreiche Aufstellungen der einzelnen Verbindlichkeiten bzw Tilgungen belegt. Während die Abgabenbehörde erster Instanz bei Erlassung der Berufungsvorentscheidung auf dieses Vorbringen überhaupt nicht eingegangen ist, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hiezu ausgeführt, eine ziffernmäßig konkretisierte Behauptung, die die Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel ermöglicht hätte, habe der Beschwerdeführer nicht aufgestellt. Diese Feststellung der belangten Behörde ist aber unrichtig, da der Beschwerdeführer eben gerade solche Verhältnisrechnungen aufgestellt hat. Wenn die belangte Behörde der Meinung gewesen ist, dass diese Berechnungen des Beschwerdeführers unzutreffend oder nicht ausreichend für eine Begrenzung seiner Haftung seien, hätte sie dies im Einzelnen zu begründen gehabt. Jedenfalls hätte die belangte Behörde ihre Bedenken dem Beschwerdeführer vorhalten und ihn allenfalls auffordern müssen, seine Darstellungen zu präzisieren oder - allenfalls hinsichtlich des Vergleichszeitraumes - zu berichtigen. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Dabei konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. September 2002

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