VwGH 2002/12/0099

VwGH2002/12/009921.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, in der Beschwerdesache des am 22. August 1993 geborenen I, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1995, Zl. 100.381/9-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Normen

AufG 1992 §4 Abs1;
FrG 1997 §19;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;
AufG 1992 §4 Abs1;
FrG 1997 §19;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 925,44 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1995 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass zwar der Vater des Beschwerdeführers über eine Aufenthaltsbewilligung verfüge, jedoch der Mutter keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Auf Grund des Alters des Beschwerdeführers sei es nicht verantwortlich, und entspreche dies auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, ihn von seiner Mutter zu trennen. Es sei durchaus üblich, dass ein Kind seiner Mutter bis zu einem gewissen Alter bedürfe, zumal der Vater des Beschwerdeführers berufstätig und es daher unwahrscheinlich sei, dass er ausreichend Zeit finde, sich um den Beschwerdeführer zu kümmern. Die belangte Behörde sehe sich daher veranlasst, von dem ihr in § 4 Abs. 1 AufG eingeräumten Ermessensspielraum Gebrauch zu machen.

Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass durch den Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen des Art. 8 MRK sei den privaten Interessen des Beschwerdeführers, nämlich seinem Verbleib bei der Mutter, absolute Priorität einzuräumen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 26. Juni 1996, B 3946/95, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 BVG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Laut Mitteilung des Landeshauptmannes von Wien wurde dem Beschwerdeführer mittlerweile (auf Grund eines weiteren Antrages) mit Bescheid vom 23. Oktober 2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft ausg. unselbstständiger Erwerb" erteilt. Zu der zwischenzeitig erteilten Niederlassungsbewilligung vom Verwaltungsgerichtshof befragt, gab der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26. Februar 2002 bekannt, dass durch diese Entscheidung eine weitergehende Verletzung subjektiver Rechte am Weiterverbleib im Bundesgebiet nicht mehr gegeben sei.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 BVG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil es sich bei dem für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Antrag des Beschwerdeführers um einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung handelte. Im Falle seines Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hätte für den Beschwerdeführer eine Erstniederlassungsbewilligung nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligung ausgestellt werden können. Da er aber mittlerweile eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erhalten hat, hat er auch kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, wären die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtschutzinteresse des Beschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen der Beschwerdeführer:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die nicht näher präzisierte Feststellung getroffen, dass der Vater des Beschwerdeführers über eine gültige Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet verfügt. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG bei seinem Vater - sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 AufG) vorliege, was in seinem Fall jedoch zu verneinen sei - einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung habe. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch unterlassen. Da sie bei Vermeidung ihrer Verfahrensfehler - wie aufgezeigt - zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wäre der angefochtene Bescheid bei aufrechtem Rechtschutzinteresse des Beschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben gewesen, sodass dem Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs. 2 VwGG die Verfahrenskosten zuzusprechen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Der geltend gemachte Aufwand für Bundesstempel war mit EUR 17,44 zuzusprechen. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten

Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 21. März 2002

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