VwGH 2002/11/0158

VwGH2002/11/015830.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Juli 2002, Zl. VerkR-394.615/1-2002-Kof/He, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs4 Z2;
FSG 1997 §7 Abs5;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z4;
StGB §207 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs4 Z2;
FSG 1997 §7 Abs5;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z4;
StGB §207 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 2, Abs. 4 Z. 2 und Abs. 5 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 10. Juni 2002, entzogen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. Juni 2001 wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten (davon 3 Monate unbedingt und 6 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen) verurteilt worden. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung seien erfolglos geblieben (Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 6. November 2001, Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 15. Jänner 2002). Der Verurteilung des Beschwerdeführers sei zu Grunde gelegen, dass er geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen habe, und zwar im Jahr 2000 an dem am 30. September 1987 geborenen C.W. und dem am 11. Februar 1993 geborenen P.C., den Söhnen seiner Lebensgefährtin, bis zu deren Unterbringung im Kinder- und Jugendheim, indem er sie mehrfach im Bereich ihres Geschlechtsteiles berührt habe, wobei er an C.W. auch Masturbationshandlungen vorgenommen habe, und zumindest im Jahr 2000 bis zu seiner Festnahme am 5. September 2000 an der am 12. September 1995 geborenen F.C. im Bett liegend, indem er sie an den Beinen erfasst, zu sich hergezogen, ihr die Unterhose heruntergezogen und sie, wobei die Unmündige versucht habe, sich von ihm zu entfernen, mit seinem Geschlechtsteil im Bereich ihrer Scheide berührt habe. Die belangte Behörde sei an die rechtskräftige Verurteilung gebunden. Die von der letzten Tathandlung (September 2000) bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides (Juni 2002) verstrichene Zeit von einem Jahr und neun Monaten sei im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen, doch komme dem Wohlverhalten während der Anhängigkeit des gerichtlichen Strafverfahrens nur geringes Gewicht zu. Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sei die von der Erstbehörde festgesetzte Entziehungsdauer die Untergrenze des Vertretbaren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7.

...

(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.

...

(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

2. eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat,

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."

Auf Grund der Bindung an die oben bezeichnete rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens nach § 207 Abs. 1 StGB ist die belangte Behörde mit Recht vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 4 Z. 2 FSG ausgegangen. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel gezogen. Der Beschwerdeführer meint, die Wertung der bestimmten Tatsache hätte zum Ergebnis führen müssen, dass er nicht als verkehrsunzuverlässig im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG angesehen werden dürfe.

Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, der Beschwerdeführer sei als verkehrsunzuverlässig gemäß § 7 Abs. 2 FSG anzusehen, kann - auch unter Berücksichtigung des von der belangten Behörde ohnedies erwähnten Umstandes, dass der Beschwerdeführer unbescholten gewesen ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden. Unter dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen fallen die wiederholte Tatbegehung sowie die Begehung des Verbrechens nach § 207 Abs. 1 StGB an insgesamt drei Opfern entscheidend ins Gewicht. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die letzte Tathandlung im September 2000 begangen, sich in der Folge (vorübergehend) in Untersuchungshaft befunden hat und das gerichtliche Strafverfahren erst mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 18. Jänner 2001 sein Ende gefunden hat, kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 10. Juni 2002 die Verkehrszuverlässigkeit bereits wiedererlangt. Auch die festgesetzte Entziehungsdauer begegnet keinen Bedenken. Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Dezember 2002 wiedererlangen, kann nicht als unrichtig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer führt zutreffend aus, dass es sich bei der Verkehrszuverlässigkeit um eine Charaktereigenschaft handelt, die auf Grund der nach außen in Erscheinung getretenen strafbaren Handlungen einer Person zu beurteilen ist. Nichts anderes hat die belangte Behörde getan. Es bedurfte in diesem Zusammenhang daher nicht der Einholung eines psychiatrischen Gutachtens oder der Beischaffung des im gerichtlichen Strafverfahren eingeholten Gutachtens (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2001/11/0104, m.w.N.). Auch wenn sich, wie der Beschwerdeführer behauptet, aus dem im gerichtlichen Strafverfahren eingeholten Gutachten ergeben sollte, dass sich beim Beschwerdeführer "keine eindeutigen Hinweise für Pädophilie bzw. pädophile Neigungen finden", wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Desgleichen bedurfte es keiner verkehrspsychologischen Untersuchung, weil es im Beschwerdefall nicht darum geht, die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, die die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit voraussetzt (siehe § 3 Abs. 1 Z. 4 FSG-GV), zu beurteilen.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den strafbaren Handlungen kein Kraftfahrzeug verwendet hat, hat die belangte Behörde berücksichtigt. Dieser Umstand macht die Entziehung der Lenkberechtigung aber nicht rechtswidrig, weil die Begehung von Straftaten wie der vorliegenden, typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen wesentlich erleichtert wird (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0084, und Zl. 2001/11/0153, m.w.N.).

Mit seinen Ausführungen, "dass der Störwert der abgeurteilten strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit in Relation gering ist", zeigt der Beschwerdeführer keine Umstände auf, die zu einer für ihn günstigeren Entscheidung führen. Dass es im Rahmen der im § 7 Abs. 4 Z. 2 FSG genannten strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit Tatbestände gibt, die eine höhere Strafdrohung als das Verbrechen nach § 207 Abs. 1 StGB enthalten, und dass es Begehungsformen des Verbrechens des § 207 Abs. 1 StGB gibt, die als noch verwerflicher zu beurteilen sind als die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, hat nicht zur Folge, dass dem vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen nach § 207 Abs. 1 StGB im Rahmen der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG nur ein geringer Stellenwert zukommt. Für die im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG und bei der Erstellung der Prognose betreffend die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigende Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen ist nicht nur von Bedeutung, welcher Tatbestand erfüllt wurde, sondern es sind auch die konkreten Umstände der Tat zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die wiederholte Begehung des Verbrechens nach § 207 Abs. 1 StGB an verschiedenen Opfern kann von einem "geringen Störwert" der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers keine Rede sein.

Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Strafverfahren und der Verhängung der Untersuchungshaft seinen Arbeitsplatz und im Hinblick auf die ausgesprochene Entlassung seinen Abfertigungsanspruch verloren, er befinde sich "in sehr fortgeschrittenem Lebensalter" (nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer am 27. Dezember 1946 geboren), ist zu erwidern, dass damit keine Umstände dargetan werden, die im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 FSG nach den dort genannten Kriterien vorzunehmenden Wertung ins Gewicht fallen können.

Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 30. September 2002

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