VwGH 2002/08/0021

VwGH2002/08/00214.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. Michael Gschnitzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Leopoldstraße 20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 19. Februar 2001, Zl. LGSTi/V/1212/5586 17 03 59-709/2001, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AVG §37;
AVG §39;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AVG §37;
AVG §39;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat am 17. Jänner 2001 mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung aufgenommen. Demnach sei dem Beschwerdeführer am 17. Jänner 2001 eine Beschäftigung als Fliesenlegerhelfer beim Dienstgeber K. mit möglichem Arbeitsantritt am 18. Jänner 2001 zugewiesen worden. Der Beschwerdeführer erklärte, er wolle sich dort nicht vorstellen gehen, weil er wieder bei dem Unternehmen N. zu arbeiten beginnen werde.

Mit Bescheid vom 25. Jänner 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 18. Jänner 2001 bis 28. Februar 2001 verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen würde. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer hätte eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Beschäftigung ohne triftige Gründe nicht angenommen. Nachsichtsgründe hätten keine anerkannt werden können.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er sei im Besitz einer Wiedereinstellungszusage des Unternehmens N. und arbeite bei dieser Firma seit über vier Jahren. Er wolle dort auch weiterhin arbeiten. In dieser Branche sei eine saisonabhängig stark schwankende Auftragslage üblich. Er habe dem Arbeitsmarktservice auch mitgeteilt, dass er deshalb nur eine befristete Arbeit bis Ende März 2001 annehmen könne. Die Rückkehr in einen bekannten Betrieb nach einem absehbaren Zeitraum rechtfertige die Nichtannahme einer Beschäftigung und stelle somit einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund dar, welcher die Erteilung einer Nachsicht ermögliche.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol der Berufung keine Folge. Nach der Begründung ging sie dabei davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 18. April 2000 bis 1. Dezember 2000 bei dem Unternehmen N. als Fliesenleger beschäftigt gewesen wäre. Am 17. Jänner 2001 sei ihm eine Beschäftigung als Fliesenlegerhelfer bei dem Unternehmen K. zugewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe sich bei diesem Unternehmen jedoch nicht um die zugewiesene Beschäftigung beworben. Nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Gesetzeszitaten führt die belangte Behörde weiters aus, dass die zugewiesene Beschäftigung zumindest nach Kollektivvertrag und somit durchaus angemessen entlohnt worden wäre. Auch sonst sei dem Berufungswerber die Aufnahme der Beschäftigung in jeder Hinsicht zumutbar im Sinne des § 9 AlVG gewesen, zumal sie in seinem Tätigkeitsbereich als Fliesenleger gelegen wäre. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zu Stande gekommen, da sich der Beschwerdeführer von vornherein geweigert habe, sich bei dem Unternehmen K. vorzustellen. Er habe damit berechtigten Anlass gegeben, an seiner Arbeitswilligkeit zu zweifeln.

Berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG, die eine Nachsicht begründen würden, seien nicht vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er die Annahme der ihm angebotenen Beschäftigung verweigert hat. Er bringt jedoch vor, dass diese Beschäftigung nicht zumutbar gewesen sei, da er nicht als Fliesenleger, sondern lediglich als Fliesenlegerhelfer und somit auch zu einer niedrigeren Entlohnung als als Fliesenleger angestellt worden wäre. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung klar dargelegt, dass er über die entsprechenden Kenntnisse und Qualifikationen für die von ihm bei dem Unternehmen N. verrichtete Arbeit verfügt hätte. Die Behörde wäre daher verhalten gewesen, ihm eine adäquate Stelle, nämlich als Fliesenleger, anzubieten.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, die (u.a.) dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Eine solche wesentliche Erschwernis könnte dann gegeben sein, wenn die zugewiesene Beschäftigung einen Aufgabenkreis umfasst hätte, der im Verhältnis zur bisherigen Tätigkeit des Beschwerdeführers so gestanden wäre wie der eines Hilfsarbeiters zu dem eines Facharbeiters. Zu den in Frage kommenden konkreten Aufgabenkreisen wurden jedoch keine Ermittlungen durchgeführt. An diesem Mangel vermag auch das Argument der belangten Behörde in der Gegenschrift nichts zu ändern, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Qualifikation als Fliesenleger vielleicht eine höhere Entlohnung als einem Fliesenlegerhelfer angeboten worden wäre.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift darüber hinaus vorbringt, dass die Einwände des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung in seiner Berufung nicht enthalten gewesen wären, ist ihr zu entgegnen, dass sie verpflichtet gewesen wäre, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Slg. Nr. 13.635/A). Zwar geht diese Verpflichtung nicht so weit, dass die Behörde in jede denkbare Richtung Ermittlungen hätte durchführen müssen, jedoch hätte sie Anhaltspunkten aus den Akten nachgehen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Slg. Nr. 13.227/A). Die Frage, ob die zugewiesene Beschäftigung dem Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht zumutbar ist, hat die belangte Behörde jedenfalls zu beantworten, und sie hat sich zu diesem Zweck Kenntnis von den relevanten Sachverhaltsumständen zu verschaffen. Die Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides geht selbst davon aus, dass der Beschwerdeführer vor seiner Arbeitslosigkeit als Fliesenleger beschäftigt war, während ihm nunmehr eine Beschäftigung als Fliesenlegerhelfer angeboten worden ist. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer als Fliesenleger gearbeitet hat, ist auch zutreffend, da sie Bestätigung in der Arbeitsbescheinigung findet, welche im Akt gemeinsam mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 15. Jänner 2001 einliegt. Die belangte Behörde hätte daher die Frage zu prüfen gehabt, ob eine Zuweisung als Fliesenlegerhelfer die künftige Verwendung des Beschwerdeführers in seinem Beruf als Facharbeiter wesentlich erschwert (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0585, und vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/08/0410).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben. Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand konnte ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer, die im Pauschale enthalten ist, nicht zuerkannt werden. Wien, am 4. April 2002

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