Normen
AVG §63 Abs1 impl;
AVG §67d Abs4 idF 1998/I/158;
VStG §51e Abs4 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §63 Abs1 impl;
AVG §67d Abs4 idF 1998/I/158;
VStG §51e Abs4 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
2. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde von der Bundespolizeidirektion Wien, Bundespolizeikommissariat Meidling, mit Straferkenntnis vom 14. April 1999 die Begehung von zehn Verwaltungsübertretungen nach der StVO zur Last gelegt und es wurden über ihn zehn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2001 erhob der Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis Berufung und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, vom 10. September 2001 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG i.V.m. § 24 VStG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. Oktober 2001 wurde von der belangten Behörde unter Spruchpunkt I dieser Berufung gegen den Bescheid vom 10. September 2001 keine Folge gegeben und unter Spruchpunkt II die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Berufung gegen das vorzitierte Straferkenntnis vom 14. April 1999 als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, obwohl dies vom Beschwerdeführer in seiner Berufung beantragt worden sei. Es würden die Voraussetzungen nach § 51e Abs. 4 VStG nicht vorliegen. In einer anzuberaumenden mündlichen Verhandlung hätte er die Möglichkeit gehabt zu bescheinigen, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist für die Berufungseinbringung zu wahren und dass ihn an der "Nichtwahrung" kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Ferner hätte er auch beweisen können, dass er zwar an einer näher genannten Anschrift im 20. Wiener Gemeindebezirk gemeldet gewesen sei, dass er dort jedoch tatsächlich nicht gewohnt habe und dies daher keine Abgabestelle gewesen sei. Hätte er dies beweisen können, so wäre die Zustellung an diese Anschrift im 20. Bezirk rechtswidrig gewesen und die belangte Behörde hätte die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 14. April 1999 nicht als verspätet zurückweisen können.
Die Abs. 1 bis 5 des § 51e VStG, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lauten:
"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
- 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
- 3. im angefochtenen Bescheid eine 3.000,-- S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
1. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 14. April 1999):
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 1260 f, unter E 91 zu § 66 AVG angeführte hg. Judikatur).
Da gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG in der vorgenannten Fassung die Verhandlung u.a. dann entfällt, wenn die Berufung zurückzuweisen ist, war es im Beschwerdefall nicht rechtswidrig, dass aufgrund der erfolgten Zurückweisung der Berufung eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde unterblieb.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Zustellung an die Adresse im
20. Bezirk unterlassen habe. Der belangten Behörde wäre bei korrekter Ermittlung des Sachverhalts aufgefallen, dass keine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG für die Adresse im 20. Bezirk vorgelegen habe und somit die Zustellung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien rechtswidrig gewesen sei. Die Berufung hätte daher nicht zurückgewiesen werden dürfen. Die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer Anfang des Jahres 1999 von der Anschrift im
6. Bezirk an die Adresse im 20. Bezirk "verzogen" sei, widerspreche den Verfahrensakten, weil "verzogen" in diesem Zusammenhang offensichtlich eine Änderung des Wohnortes und somit auch der Abgabestelle bedeute. Der Beschwerdeführer habe jedoch in seiner Berufung ausgeführt, dass er am 27. Jänner 1999 von der Anschrift im 6. Bezirk abgemeldet und am 6. März 1999 an der Anschrift im 20. Bezirk angemeldet worden sei. Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt richtig festgestellt, hätte sie die Adresse im 20. Bezirk nicht als Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG betrachtet und hätte daher die Berufung nicht wegen Verspätung zurückgewiesen.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer seit 6. März 1999 an der näher genannten Anschrift im 20. Wiener Gemeindebezirk gemeldet war. Ferner folgte die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers, dass er am 27. Jänner 1999 an der näher genannten Anschrift im 6. Wiener Gemeindebezirk nicht mehr gemeldet war und dort auch nicht mehr wohnte, weshalb die belangte Behörde zutreffend auch nicht von einer wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses vom 14. April 1999 an den Beschwerdeführer im April 1999 an dieser Adresse im 6. Bezirk ausging. Ferner ist für den Verwaltungsgerichtshof aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen, dass der Beschwerdeführer erst am 8. Oktober 1999 von der Anschrift im 20. Bezirk abgemeldet wurde.
Der Beschwerdeführer verweist jedoch in seinem Berufungsschriftsatz vom 20. September 2001 (betreffend die Abweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) nicht nur auf die im Jänner 1999 erfolgte Abmeldung von der Anschrift im 6. Bezirk sowie auf die Anmeldung an der näher genannten Anschrift im 20. Bezirk ab 6. März 1999, sondern er beantragte "zum Nachweis" (dieser Ausführungen) seine "Einvernahme sowie die Einholung einer Zentralmeldeauskunft". Aus diesem Beweisantrag kann jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sehr wohl geschlossen werden, dass er nicht nur an dieser Anschrift gemeldet war, sondern dass die Meldedaten betreffend den 20. Bezirk auch mit dem Wohnort des Beschwerdeführers ident waren. Die belangte Behörde ging daher - mangels eines Anhaltspunktes, dass der Beschwerdeführer an der von ihm genannten Anschrift im 20. Bezirk im September 1999 keine Abgabestelle gehabt habe - zutreffend von einer rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses durch die am 14. September 1999 erfolgte Hinterlegung bei dem für diese Abgabestelle zuständigen Postamt aus. Die Zurückweisung der Berufung gegen diesen Bescheid erweist sich daher als nicht rechtswidrig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
2. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Bestätigung der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand):
Wie bereits dargestellt, wendet sich die Beschwerde auch gegen die unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde in Bezug auf Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides.
Die Bestimmung des § 51e Abs. 4 VStG, auf die sich die belangte Behörde hinsichtlich der Zulässigkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung im angefochtenen Bescheid bezieht, setzt u. a. voraus, dass der unabhängige Verwaltungssenat einen "verfahrensrechtlichen Bescheid" zu erlassen hat.
Diese Regelung entspricht inhaltlich dem § 67d Abs. 4 AVG; sie gilt einerseits für den Fall, dass der unabhängige Verwaltungssenat selbst (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof) einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, daneben aber auch, wenn er aufgrund eines Devolutionsantrages einen ausstehenden verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen muss (vgl. zutreffend Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998, S. 190).
Die Bestätigung eines verfahrensrechtlichen erstinstanzlichen Bescheides - wie im vorliegenden Fall - fällt somit nicht unter die Vorschrift des § 51e Abs. 4 VStG. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides war daher der Entfall der mündlichen Verhandlung aufgrund dieser Bestimmung nicht gedeckt.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I mit Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Dieser Spruchpunkt war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Von der Durchführung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Wien, am 11. Oktober 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)