VwGH 2002/02/0008

VwGH2002/02/000822.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, in der Beschwerdesache des S R, geb. 1967, vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. August 2001, Zl. IV- 1035420/FrB/01, betreffend Schubhaft, den Beschluss gefasst:

Normen

FrG 1997 §72 Abs1;
FrG 1997 §73 Abs4;
FrG 1997 §72 Abs1;
FrG 1997 §73 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 7. Juni 2001 wegen des Verdachtes des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB in Untersuchungshaft genommen.

Mit ihrem Bescheid vom 2. August 2001 (zugestellt am 17. August 2001) sprach die belangte Behörde aus, dass über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt werde; die Rechtsfolgen dieses Bescheides sollten nach der Entlassung aus der "Gerichtshaft" eintreten.

Der Beschwerdeführer richtete hierauf an den Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Bekämpfung des erwähnten Bescheides der belangten Behörde. Dieser Antrag langte am 1. Oktober 2001 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser bewilligte mit Beschluss vom 19. Oktober 2001, Zl. VH 2001/02/0059, die Verfahrenshilfe unter anderem durch Beigebung eines Rechtsanwaltes. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien bestellte auf Grund des erwähnten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes mit Bescheid vom 16. November 2001 den nunmehr als Beschwerdevertreter einschreitenden Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer. Dieser erhob die vorliegende, am 14. Jänner 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde.

Nach den vom Beschwerdeführervertreter bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes befand sich der Beschwerdeführer vom 2. bis zum 10. Oktober 2001 in Schubhaft.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 72 Abs. 1 FrG 1997 hat, wer gemäß § 63 leg. cit. festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

§ 72 FrG 1997 entspricht im hier interessierenden Umfang in seinen Grundsätzen § 51 FrG 1992, § 73 FrG 1997 dem § 52 FrG 1992. Hiezu, nämlich zu den §§ 51 und 52 FrG 1992 führt die RV (692 BlgNR 18. GP, abgedruckt bei Schindler-Widermann-Wimmer, Fremdenrecht, zu § 72) u.a. wie folgt aus:

"Wie bereits in den Erläuterungen zu § 41 ausgeführt, soll es gegen den Schubhaftbescheid weder eine Vorstellung noch eine Berufung geben. Die Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates soll vielmehr in jeder denkbaren Weise möglich sein; es soll somit die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der weiteren Anhaltung behauptet werden können.

Damit kommt es auch zu einer weiteren Parallele zwischen dem Schubhaftbescheid einerseits und dem Haftbefehl/dem Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft andererseits: Eine Anfechtung dieser Rechtsakte vor Inhaftnahme des betroffenen Fremden ist in der Regel nicht möglich. Lediglich im Falle der Erlassung eines Schubhaftbescheides nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ist die unmittelbare Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes denkbar. ..."

Aus dem AB (869 BlgNR 18. GP) zu § 52 Abs. 4 letzter Satz FrG 1992 (abgedruckt bei Schindler-Widermann-Wimmer aaO) sei hervorgehoben:

"Eine parallele Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates und des Verwaltungsgerichtshofes ist in zwei Konstellationen denkbar: Entweder der Betroffene ficht vor der Festnahme den daher zu diesem Zeitpunkt nicht nach § 51 bekämpfbaren Schubhaftbescheid beim Verwaltungsgerichtshof an und wendet sich nach der Festnahme an den unabhängigen Verwaltungssenat oder ersucht nach der Festnahme gleichzeitig Rechtsschutz bei der unabhängigen Verwaltungsbehörde und dem Höchstgericht. Im letzteren Fall soll der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückweisen, im erstgenannten Fall soll das Zuvorkommen des Verwaltungsgerichtshofes gesichert werden; die Beschwerde gegen die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides ist daher vom unabhängigen Verwaltungssenat als unzulässig zurückzuweisen. ..."

Diese gesetzgeberische Absicht kommt unter anderem auch in § 73 Abs. 4 letzter Satz FrG 1997 zum Ausdruck, wonach der unabhängige Verwaltungssenat die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides als unzulässig zurückzuweisen hat, wenn der Fremde vor der Festnahme deswegen auch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof angerufen hat.

Aus der dargestellten Gesetzeslage folgt somit, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides immer dann zuständig ist, wenn der Schubhaftbescheid durch die Festnahme des Fremden in Vollzug gesetzt wurde, bevor dieser den Verwaltungsgerichtshof (oder den Verfassungsgerichtshof) angerufen hat.

Im Beschwerdefall ist es unstrittig, dass der Verwaltungsgerichtshof erst nach diesem Zeitpunkt angerufen wurde; die Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer (zukünftigen) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist keine Anrufung des Gerichtshofes in diesem Sinne, sondern dient allenfalls der Vorbereitung einer solchen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2002

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