VwGH 2001/18/0265

VwGH2001/18/026522.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Ri O in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. August 2001, Zl. St 85-4/01, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §63 Abs1;
AVG §1;
AVG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 17. August 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 28. November 1998 legal (allerdings als Drogenkurier) nach Österreich eingereist. Zuvor sei er in Deutschland wohnhaft gewesen. Sein am 30. September 1999 gestellter Asylantrag sei vom Bundesasylamt am 1. September 2000 abgewiesen worden. Das Berufungsverfahren sei noch anhängig.

Am 13. April 1999 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 28. November 1998 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 297,2 Gramm Heroin (mindestens 19,10 Gramm Reinsubstanz) und 297,7 Gramm Kokain (mindestens 129,79 Gramm Reinsubstanz) aus- bzw. eingeführt habe. Nach den Urteilsfeststellungen sei er als Drogenkurier offensichtlich im Rahmen einer großen kriminellen Organisation tätig gewesen.

Am 13. September 2000 sei er wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und wegen schwerer Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer Beamte der Justizanstalt Linz dadurch, dass er mit seinen Händen um sich geschlagen, mit den Füssen getreten und überdies einige Beamte gebissen habe, mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht und einige der Beamten dabei auch vorsätzlich am Körper verletzt habe.

Vor seiner Verhaftung habe der Beschwerdeführer in Österreich keinen Wohnsitz gehabt. Während der in Garsten verbüßten Strafhaft habe die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land mit Bescheid vom 23. Mai 2000 das vorliegende Aufenthaltsverbot in erster Instanz erlassen. Nach der Haftentlassung am 28. Mai 2001 sei der Beschwerdeführer nach Wien zu Frau F. gezogen, an deren Anschrift er am 29. Mai 2001 gemeldet worden sei.

Auf Grund der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FrG erfüllt.

Dem Beschwerdeführer liege die Einfuhr von Suchtgiften in mehr als dem zwölffachen der in § 28 Abs. 6 Suchtmittelgesetz definierten großen Menge zur Last. In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme schon auf Grund des Suchtgiftdeliktes gerechtfertigt. Dazu komme noch die Verurteilung wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen Körperverletzung. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der Beschwerdeführer habe sich mit Ausnahme der Zeit seit seiner Entlassung aus der Strafhaft in Österreich nur in Untersuchungs- bzw. Strafhaft aufgehalten. Durch das Aufenthaltsverbot werde daher nicht in relevanter Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Damit sei die Behörde einer Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, ebenso enthoben wie einer Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 leg. cit. Selbst wenn man auf Grund der Beziehung zu Frau F. einen Eingriff in das in Österreich geführte Privatleben annähme, wäre das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Diese Maßnahme wäre daher auch im Grund des § 37 zulässig.

Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in Österreich keinen Wohnsitz gehabt habe und während der Strafhaft in Garsten aufhältig gewesen sei, sei die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes örtlich zuständig gewesen. Die nachträgliche Begründung eines Wohnsitzes in Wien könne daran nichts ändern.

Gemäß § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ungeachtet des anhängigen Asylverfahren zulässig. Die Entscheidung der Asylbehörde sei entgegen dem Berufungsvorbringen keine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG. Ein Aufenthaltsverbot könne letztlich auch gegen einen Fremden erlassen werden, dem Österreich Asyl gewährt habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

1.2. Der Beschwerdeführer hat unstrittig das Zwölffache der in § 28 Abs. 6 SMG definierten "großen Menge" der Suchtgifte Heroin und Kokain nach Österreich eingeführt. Dabei war er im Rahmen einer großen kriminellen Organisation tätig. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stellt daher eine Gefährdung des besonders großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von groß angelegter Suchtgiftkriminalität dar. Eine weitere Gefährdung öffentlicher Interessen geht vom Beschwerdeführer deshalb aus, weil er eine Amtshandlung mit Gewalt zu verhindern versucht und dabei Beamte vorsätzlich verletzt hat. Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, ist daher unbedenklich.

2.1. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, § 37 FrG stehe (unter der Annahme, dass überhaupt ein relevanter Eingriff im Sinn dieser Bestimmung vorliegen) der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, wendet der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes ein:

Er habe ab 1989 in Deutschland gewohnt, wo er als Fußballer beruflich tätig gewesen sei. Dort sei er auch verheiratet gewesen. Die Ehe sei inzwischen geschieden worden. Die aus der Ehe stammende Tochter lebe in Deutschland. Das vorliegende Aufenthaltsverbot gelte auf Grund des Abkommens von Schengen auch für Deutschland und nehme ihm somit die Möglichkeit, die familiäre Bindung zu seiner in Deutschland lebenden Tochter aufrechtzuerhalten. Der Beschwerdeführer dürfe insofern nicht schlechter gestellt werden als ein Fremder, der seit 1989 in Österreich gelebt habe.

2.2. Abgesehen davon, dass gemäß Art. 25 des Schengener Durchführungsübereinkommens BGBl. III Nr. 90/1997 die Möglichkeit besteht, bei Vorliegen gewichtiger Gründe, insbesondere wegen humanitärer Erwägungen, auch einem von einem anderen Vertragsstaat im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschriebenen Drittausländer einen Aufenthaltstitel zu erteilen, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil die Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorliegend selbst dann zulässig wäre, wenn die vorgebrachten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht in Deutschland, sondern in Österreich begründet worden wären. Diesfalls wären neben dem von der belangten Behörde berücksichtigten Zusammenleben mit Frau F. ein Inlandsaufenthalt in der Dauer von etwa zwölf Jahren, die frühere Berufstätigkeit als Fußballspieler und der inländische Aufenthalt seiner Tochter zu Gunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wäre allerdings in ihrer für das Gewicht dieses Abwägungskriteriums wesentlichen sozialen Komponente durch die schweren Straftaten des Beschwerdeführers deutlich gemindert.

Den insgesamt dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet stünde die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Da an der Verhinderung sowohl der Suchtgiftkriminalität als auch der gegen die staatliche Autorität gerichteten Kriminalität und der Gewaltkriminalität ein großes öffentliches Interesse besteht, wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Das Aufenthaltsverbot wäre daher auch gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Hinzugefügt sei, dass auch § 38 Abs. 1 Z. 3 und § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG der Maßnahme schon deshalb nicht entgegenstünden, weil sich der Beschwerdeführer bei Begehung des Suchtgiftdelikts, somit im Zeitpunkt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet befunden hätte.

3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Entscheidung über seinen Asylantrag sei eine Vorfrage, weil "im Falle der Asylgewährung ein Aufenthaltsverbot in einem unauflösbaren Widerspruch stünde", ist ihm zu entgegnen, dass Asylwerber nach § 21 Asylgesetz 1997 zwar vor Abschiebung, nicht jedoch vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG geschützt sind und die zuletzt genannte Maßnahme gemäß § 20 Asylgesetz 1997 sogar gegen Fremde zulässig ist, denen Asyl gewährt wurde.

4. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass die belangte Behörde örtlich unzuständig sei, weil er nunmehr seinen Hauptwohnsitz in Wien habe.

Damit bestreitet er nicht, im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in Österreich keinen Wohnsitz gehabt und sich in der Justizanstalt Garsten aufgehalten zu haben. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, welche als Behörde erster Instanz eingeschritten ist, war daher gemäß § 91 Abs. 1 FrG örtlich zuständig. Die Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde wurde aber mit dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides fixiert; die erst nach diesem Zeitpunkt eingetretene Änderung in für die Zuständigkeit der Erstbehörde relevanten Umständen konnte an der einmal gegebenen (funktionellen) Zuständigkeit der belangten Behörde nichts mehr ändern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0219).

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2002

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