VwGH 2001/18/0127

VwGH2001/18/012722.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Mi, geboren 1979, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Mai 2001, Zl. SD 947/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Mai 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 2 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1991 nach Österreich eingereist und habe sich hier am 10. Mai 1991 polizeilich gemeldet. Seit 25. Jänner 1999 verfüge er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.

Am 5. April 2000 sei der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 und 3 Suchtmittelgesetz, § 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig in der Zeit von Anfang August bis 22. August 1999 zumindest etwa ein Kilogramm Haschisch an unbekannte Abnehmer verkauft, am 22. August 1999 etwa 48 Gramm Haschisch an eine andere Person zu verkaufen versucht, am selben Tag weitere 55 Gramm zum unmittelbaren Weiterverkauf bereitgehalten und in der Zeit von etwa April 1999 bis etwa Mitte März 2000 wiederholt Haschisch erworben und besessen habe. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei somit erfüllt. Es könne kein Zweifel bestehen, dass das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit knapp zehn Jahren in Österreich. Mit seinen im Inland lebenden Eltern und Brüdern bestehe keine Haushaltsgemeinschaft. Er habe seine Berufsausbildung in Österreich absolviert und gehe regelmäßig einer Beschäftigung nach. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Es sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Dass der Beschwerdeführer mit seinen Familienangehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und sein Berufsleben insofern keine Kontinuität aufweise, als es von ständigen Arbeitgeberwechseln bzw. Arbeitslosengeldbezügen gekennzeichnet sei, trage ebenfalls nicht zur Stärkung der persönlichen Interessen bei. Insofern könne sich auch der langjährige Aufenthalt seiner Eltern im Bundesgebiet und der dabei erzielte Integrationsgrad nicht zu seinen Gunsten auswirken. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer nach der Urteilsbegründung nicht nur gewerbsmäßig gehandelt habe, sondern sogar noch während des anhängigen Strafverfahrens einschlägig strafbar geworden sei. Unter Abwägung all dieser Umstände wögen die nachteiligen Folgen des Aufenthaltsverbots keineswegs schwerer als die nachteiligem Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.

Auf Grund der Art und Schwere der Straftaten, insbesondere der gewerbsmäßigen Vorgangsweise und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne für den Beschwerdeführer weder eine positive Verhaltensprognose gestellt werden noch dessen weiterer Aufenthalt im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer hat seine Suchtgiftdelikte in Bezug auf eine Menge von mehr als einem Kilogramm Haschisch begangen. Aus der Verurteilung auch gemäß § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz ist ersichtlich, dass es sich hiebei um eine "große Menge", die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 Suchtmittelgesetz), handelt. Dabei ist er gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vorgegangen. Unstrittig hat er selbst noch während des anhängigen Strafverfahrens weitere einschlägige Straftaten begangen. Dieses gesamte Fehlverhalten zeigt, dass vom Beschwerdeführer eine große Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht. Im Hinblick darauf, dass sich die bei Suchtgiftdelikten besonders große Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0250) beim Beschwerdeführer insoweit verwirklicht hat, als er gewerbsmäßig vorgegangen ist und sogar noch während des anhängigen Strafverfahrens einschlägige Straftaten begangen hat, ist der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum von knapp 14 Monaten viel zu kurz, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur erheblich gemindert anzusehen.

Aus den dargestellten Erwägungen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die insgesamt etwa zehnjährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, den inländischen Aufenthalt seiner Eltern und der beiden Brüder sowie die regelmäßige Berufstätigkeit und die im Inland absolvierte Berufsausbildung zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Ebenso zu Recht hat sie auch hervorgehoben, dass mit den Eltern und Brüdern keine Haushaltsgemeinschaft besteht. Durch diese Umstände werden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet relativiert.

Den dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein Fehlverhalten gegenüber. Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dem Beschwerdeführer weiters zu Gute hält, dass er in Österreich seinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis hat.

4. Schließlich bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, im Rahmen des ihr nach § 36 Abs. 1 FrG zukommenden Ermessens von der Erlassung des vorliegend mit fünf Jahren bemessenen Aufenthaltsverbotes abzusehen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit dem übrigen Akteninhalt besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

5. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Jänner 2002

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