VwGH 2001/17/0192

VwGH2001/17/019217.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der MH in Wien, vertreten durch Dr. Georg Freimüller, Dr. Alfred J. Noll, Dr. Alois Obereder und Mag. Michael Pilz, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alserstraße 21, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 13. Februar 2001, Zl. MD-VfR - H 213/2000, betreffend Vorschreibung einer Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §4;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §5;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §4;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Mai 2000 setzte der Magistrat der Stadt Wien gemäß § 149 Abs. 2 WAO in Verbindung mit den §§ 1, 3, 4, 5 Abs. 1 und 2 sowie § 7 Wiener Anzeigenabgabegesetz für die anlässlich der Vornahme und Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte die Anzeigenabgabe für den Zeitraum März 1997 bis Februar 2000 in der Höhe von S 637.997,-- fest. Für die Monate März 1997 bis Februar 2000 wurde ein Verspätungszuschlag von S 63.800,-- sowie ein Säumniszuschlag von S 10.940,-- vorgeschrieben. Die Zahlungsaufforderung erging über einen Betrag von S 621.734,--. In der Begründung heißt es, die Festsetzung der Anzeigenabgabe betreffe die von der Beschwerdeführerin anlässlich der Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen in den Medienwerken "Wiener Lokalführer" und "Single" vereinnahmten Entgelte. Die Beschwerdeführerin habe keine Abgabenerklärungen eingereicht. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe seien gegeben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Abgaben- und Nebengebührenfestsetzung werde "wegen EU-widrigkeit dem Grunde und wegen einiger Erklärungen, Zahlungen usw. auch der Höhe nach angefochten".

Mit der Berufungsvorentscheidung vom 25. September 2000 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, die Vorschreibung der Anzeigenabgabe verstoße nicht gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie der EU, weil sich aus einer gesamthaften Beurteilung an Hand der von der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Kriterien ergebe, dass diese Abgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer habe und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch deren Erhebung nicht beeinträchtigt werde. Weiters wurde die Festsetzung der Nebenansprüche begründet.

In ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass "beim Höchstgericht oder bereits beim EuGH" ein Verfahren betreffend Anzeigenabgabe mit einer ähnlichen Begründung wie im Fall der Getränkesteuer anhängig sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Mai 2000 dahin ab, dass der Verspätungszuschlag auf S 54.000,-- herabgesetzt wurde und "der zu entrichtende Gesamtbetrag" S 611.934,-- betrage. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Vorschreibung der Wiener Anzeigenabgabe nicht gemeinschaftsrechtswidrig sei. Die Anzeigenabgabe sei zum gesetzlich festgelegten Zeitpunkt nicht in voller Höhe entrichtet worden, sodass ein Säumniszuschlag aufzuerlegen gewesen sei. Die Vorschreibung des Verspätungszuschlages sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt. Lediglich im Hinblick auf den Umstand, dass ein Betrag von S 91.003,-- fristgerecht bezahlt worden sei, erfolge eine Minderung des Verspätungszuschlages auf S 54.000,-- und der zu entrichtende Gesamtbetrag vermindere sich auf 611.934,--.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11. Oktober 2001, B 615/01-6, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Anzeigenabgabe verletzt und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid ausschließlich mit dem Argument, die Vorschreibung der Anzeigenabgabe verstoße gegen Art. 33 der

6. Umsatzsteuerrichtlinie und dürfe wegen des Gebots des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts daher nicht erfolgen.

Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn von Art. 33 der 6. Richtlinie hat, hängt nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. das Urteil vom 8. Juni 1999, Erna Pelzl u.a., verbundene Rechtssachen C-338/97 u.a.) vor allem davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Der EuGH hat hiezu ausgeführt, dass Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auf jeden Fall als Maßnahmen anzusehen sind, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belasten. Der EuGH sieht zu diesem Zweck als wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer an: allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, sodass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.

Im Urteil des EuGH vom 13. Juli 1989, Wisselink & Co BV u.a., verbundene Rechtssachen 93/88 und 94/88, Slg. der Rechtsprechung 1989, S. 2671, wurde klargestellt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, ein Mehrwertsteuersystem einzuführen und es ihnen verboten sei, neben der Erhebung der Mehrwertsteuer Umsatzsteuern nach dem kumulativen Mehrphasensystem ganz oder teilweise aufrechtzuerhalten oder neu einzuführen. Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern hätten, könnten aber beibehalten und eingeführt werden.

Ob die Abgabe die wesentlichen Merkmale einer Umsatzsteuer aufweist und das Funktionieren des gemeinsamen Marktsystems beeinträchtigt, ergibt sich aus einer gesamthaften Beurteilung.

Bemessungsgrundlagen der Anzeigenabgabe sind das Entgelt und ein bestimmter Prozentsatz. Die Anzeigenabgabe ist demnach proportional zum Entgelt. Die Anzeigenabgabe ist jedoch keine allgemeine Abgabe, denn sie wird nur von bestimmten Anzeigen erhoben. Sie wird entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht dadurch zu einer allgemeinen Abgabe, weil andere "wirtschaftliche Tätigkeiten" neben der Mehrwertsteuer mit "weiteren Abgaben" belastet sind. Handelt es sich doch bei den von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Abgaben wie Getränkesteuer, Tourismusabgaben, Kammerumlagen, Vergnügungssteuern udgl. um solche Abgaben, die mit der Anzeigenabgabe in keiner Beziehung stehen und an andere Tatbestände anknüpfen. Soweit von der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt auch der Schlussantrag des Generalanwaltes in der Rechtssache C-437/97 herangezogen wird, ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH in seinem Urteil vom 9. März 2000, Rs C-437/97 , Wein & Co, den Charakter der Getränkesteuer als allgemeine Steuer ausdrücklich verneint hat.

Die Anzeigenabgabe belastet den Verkehr mit Gegenständen und Dienstleistungen nicht und betrifft Handelsgeschäfte nicht in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise, denn sie wird nur einmal im Fall der Aufnahme, der Aussendung oder Verbreitung von Anzeigen erhoben. Die Anzeigenabgabe ist nicht in einer der Mehrwertsteuer ähnlichen Art abzugsfähig, sie wird parallel zur Mehrwertsteuer erhoben, ohne ganz oder teilweise an deren Stelle zu treten, wird nicht auf den Mehrwert erhoben und auch nicht in einer für die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Weise auf den Endverbraucher abgewälzt.

Aus der gesamthaften Beurteilung an Hand der von der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Kriterien ergibt sich somit, dass die Anzeigenabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch deren Erhebung nicht beeinträchtigt wird. Die Erhebung der Anzeigenabgabe verstößt somit nicht gegen Art. 33 der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2000, Zl. 98/17/0191).

Mit ihrer Behauptung hat die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2, sowie § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 17. Oktober 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte