VwGH 2001/16/0405

VwGH2001/16/040524.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat IV der Region Innsbruck), je vom 31. Mai 2001, GZ ZRV208/1-14/99, GZ ZRV208/2-14/99, GZ ZRV208/3-14/99 und GZ ZRV208/4-14/99, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: RgmbH in K, vertreten durch Doralt-Seist-Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien IX, Währinger Straße 2-4), zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §22;
ZustG §22;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Begründung

Mit vier an die mitbeteiligte Speditionsgesellschaft ergangenen Bescheiden des Hauptzollamtes Wien je vom 26. April 1999 wurden Eingangsabgaben für eingeführte Weizenmengen (in den Anmeldungen als "Weizen hoher Qualität" bezeichnet) nacherhoben. In der Begründung wurde jeweils ausgeführt, dass nach einer der Mitbeteiligten bekannt gegebenen "Tarifauskunft" der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung die geschuldeten Abgaben jeweils mit einem geringeren Betrag als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden seien. In der "Tarifauskunft" seien die eingeführten Waren als Weichweizen mittlerer Qualität festgestellt worden.

In den Berufungen gegen diese Bescheide wurden Einwendungen gegen das Ergebnis der in den Beschwerdefällen von der Technischen Untersuchungsanstalt getroffenen Feststellungen erhoben. Insbesondere wurde vorgebracht, während der Lagerung der "Untersuchungsmuster" bei der Technischen Untersuchungsanstalt sei es zu einem entsprechenden Abbau an wertbestimmenden Bestandteilen des Getreidekorns gekommen. Es sei daher auch die Untersuchung von Gegenmustern wenig sinnvoll.

Nach einem weiteren Untersuchungsbefund der Technischen Untersuchungsanstalt vom 10. Juni 1999 wurden die eingeführten Waren als Weichweizen der mittleren Standardqualität klassifiziert.

Mit Berufungsvorentscheidungen des Hauptzollamtes Wien jeweils vom 8. September 1999 wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Nach den in den Akten erliegenden Zustellnachweisen iSd § 22 Zustellgesetz wurden die an die mitbeteiligte GmbH gerichteten Berufungsvorentscheidungen von Karin Hladik als Arbeitnehmerin am 10. September 1999 übernommen (Zustellpostamt 7013 Klingenbach).

Mit Schriftsätzen vom 12. Oktober 1999 wurde gegen die Berufungsvorentscheidungen Beschwerde erhoben.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungsvorentscheidungen "infolge Unzuständigkeit" aufgehoben. In der Begründung der angefochtenen Bescheide wurde gleich lautend ausgeführt, die Berufungen hätten nicht den im § 250 Abs 2 BAO geforderten Merkmalen entsprochen. Die Abgabenbehörde erster Instanz hätte der Mitbeteiligten die Behebung der Mängel der Berufungen gemäß § 275 BAO auftragen müssen. Dadurch, dass die Berufungsvorentscheidungen ohne Behebung der den Berufungen anhaftenden Mängel erlassen worden seien, seien die Berufungsvorentscheidungen "infolge Unzuständigkeit" rechtswidrig.

In der Beschwerde gegen diese Bescheide wird vom beschwerdeführenden Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. In der Beschwerdebegründung wird vorgebracht, die (Administrativ-) Beschwerden seien am 12. Oktober 1999 zur Post gegeben worden und damit verspätet gewesen. Die belangte Behörde hätte die Beschwerden somit als verspätet zurückweisen müssen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85c Abs 1 ZollR-DG ist gegen Berufungsvorentscheidungen als Rechtsbehelf zweiter Stufe (Artikel 243 Abs 2 Buchstabe b ZK) die Beschwerde an den örtlich und sachlich zuständigen Berufungssenat zulässig. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat ab der Zustellung der Berufungsvorentscheidung.

Gemäß § 2 Absatz 3 ZollR-DG ist auf Fristen, die im Zollrecht oder in Entscheidungen im Rahmen des Zollrechts festgesetzt werden, die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABl. EG Nr. L 124 vom 8. Juni 1971, S 1, (Fristenverordnung), anzuwenden.

Ist gemäß Artikel 3 Absatz 1 zweiter Unterabsatz der Fristenverordnung für den Anfang einer nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, in welchen ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei der Berechnung dieser Frist der Tag nicht mitgerechnet, in den das Ereignis oder die Handlung fällt.

Die Zustellung der Berufungsvorentscheidungen vom 8. September 1999 erfolgte am 10. September 1999. Nach den angeführten Bestimmungen der Fristenverordnung begann die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidungen am 11. September 1999, dem Tag nach der Zustellung. Die Beschwerdefrist lief am Montag, dem 11. Oktober 1999 ab. Die Beschwerden gegen die Berufungsvorentscheidungen wurden am 12. Oktober 1999 zur Post gegeben. Sie wurden damit verspätet eingebracht, sodass die Beschwerden von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen wären. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die belangte Behörde - ausgehend von rechtzeitig eingebrachten (Administrativ-)Beschwerden - die angefochtenen Berufungsvorentscheidungen aufgehoben hat, sind damit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Soweit die mitbeteiligte Partei in der Gegenschrift vorbringt, die Administrativbeschwerden seien rechtzeitig eingebracht worden, ist sie darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid bei Bescheidbeschwerden auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen hat. Nachträgliche Rechtsänderungen oder nachträgliche Sachverhaltsänderungen sind nicht zu berücksichtigen. Die erstmals in der Gegenschrift vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung der Mitbeteiligten, wonach die Zustellung der Berufungsvorentscheidungen - entgegen dem Ausweis der Verwaltungsakten - erst am 13. September 1999 erfolgt sei, war somit bei der Überprüfung der angefochtenen Bescheide nicht von Bedeutung. Überdies ist davon auszugehen, dass ein Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde ist. Ein wie hier die gehörige äußere Form aufweisender Zustellnachweis begründet die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs. Wer behauptet, es lägen Zustellmängel vor, hat diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise anzuführen, welche die genannte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl Ritz, BAO2, § 22 ZustG, Rz 2, und die dort angeführte hg Rechtsprechung). Abgesehen davon, dass die in der Gegenschrift aufgestellten Behauptungen über einen Zustellmangel gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof in keiner Weise belegt wurden, ist die in dieser Gegenschrift vertretene Auffassung, nur eine mit Postvollmacht ausgestattete Person sei zur Entgegennahme "behördlicher Schriftstücke" berechtigt, unzutreffend. Die in Rede stehenden Schriftstücke wurden vielmehr einer Person zugestellt, die nach dem in den Akten erliegenden Zustellschein als Arbeitnehmerin grundsätzlich als Ersatzempfänger iSd § 16 Abs 2 ZustG in Betracht kam.

Aus den oben angeführten Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. September 2002

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