VwGH 2001/12/0224

VwGH2001/12/022415.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der Dr. E in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 30. Oktober 2000, Zl. 11 2007/14-I/11/00, betreffend Mehrleistungszulage, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §51 Abs2;
GehG 1956 §15 Abs2;
GehG 1956 §15 Abs5;
GehG 1956 §15 Abs6;
GehG 1956 §18 Abs1;
BDG 1979 §51 Abs2;
GehG 1956 §15 Abs2;
GehG 1956 §15 Abs5;
GehG 1956 §15 Abs6;
GehG 1956 §18 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Oberrätin in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk in Wien.

Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. September 2000 wurde das für die Beschwerdeführerin bisher festgesetzte Pauschale für die von ihr gemäß § 18 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Gehaltsgesetz 1956 (GG) bemessene Mehrleistungszulage gemäß § 15 Abs. 6 leg. cit. mit dem auf die Zustellung dieses Bescheides nächstfolgenden Monatsersten mit Null neu bemessen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die (näher dargestellten) überdurchschnittlich häufigen krankheitsbedingten Absenzen der Beschwerdeführerin und die Konsumation von Urlaubstagen diese schon an der Erbringung einer normalen Arbeitsleistung hinderten und für die Feststellung einer mengenmäßigen Mehrleistung im Sinne des § 18 Abs. 1 GG das Vorliegen einer normalen Leistung unbedingt erforderlich sei. Weil im Fall der Beschwerdeführerin eine solche Normalleistung durch die häufigen Abwesenheiten vom Dienst ohne Zweifel nicht gegeben sei, sei diesem geänderten Sachverhalt Rechnung zu tragen und die Mehrleistungszulage gemäß § 15 Abs. 6 GG mit Null neu zu bemessen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie darauf hinwies, dass auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 GG eine Neubemessung rechtswidrig sei. Die Behauptung, es hätten sich die Verhältnisse für die Zuerkennung einer Mehrleistungszulage geändert, sei aktenwidrig, weil sie nach wie vor als Fachbereichsleiterin tätig sei.

In einer am 10. Oktober 2000 eingebrachten Berufungsergänzung führte die Beschwerdeführerin aus, im Bescheid erster Instanz wäre die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten gewesen, der Bescheid sei auch aus diesem Grunde rechtswidrig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 2000 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Nach Wiedergabe des Wortlautes des § 18 GG sowie des § 15 Abs. 2 GG führte die belangte Behörde aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räume das GG dem Beamten weder ein subjektives Recht auf Pauschalberechnung, noch - abgesehen von den im § 15 Abs. 5 GG geregelten Fällen (Anmerkung der bescheiderlassenden Behörde: ein unter § 15 Abs. 5 GG zu subsumierender Tatbestand und somit ein gesetzlich vorgesehenes Ruhen liege im konkreten Fall nicht vor) - auf die Beibehaltung einer einmal vorgenommenen Pauschalierung ein. Die Möglichkeit einer Pauschalierung von Nebengebühren diene ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung. In diesem Sinn sei es der Dienstbehörde grundsätzlich unbenommen, von der Pauschalierung von Nebengebühren abzugehen, wozu sie im Hinblick auf die im B-VG sowie in den jeweiligen Bundesfinanzgesetzen verankerte Pflicht zur Wahrung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung geradezu verpflichtet sei.

Im vorliegenden Fall ergebe sich, dass die Behörde von der Pauschalierung der Mehrleistungszulage abgegangen sei. Eine Entscheidung über eine Einzelabgeltung sei nicht getroffen worden. Im Hinblick darauf, dass dem Beamten ein subjektives Recht auf die Pauschalierung der Mehrleistungszulage nicht zustehe, müsse der Berufung der Erfolg versagt bleiben und sei sie schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis brauche die Frage nicht beantwortet zu werden, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Bemessung einer Mehrleistungszulage überhaupt erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 25. September 2001, B 2327/00-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgten Beschwerdeergänzung machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 15 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (GG), in der im entscheidungswesentlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung (Abs. 1, 5 und 6 in der Fassung der 24. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 214/1972, Abs. 2 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2000, BGBl. I Nr. 94/2000) lautet (- soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt -):

"§ 15. (1) Nebengebühren sind

...

6. die Mehrleistungszulage (§ 18),

...

(2) Die unter Abs. 1 Z 1, 4 bis 6 und 8 bis 11 angeführten Nebengebühren sowie die im Abs. 1 Z 3 angeführte Sonn- und Feiertagsvergütung können pauschaliert werden, wenn die Dienstleistungen, die einen Anspruch auf eine solche Nebengebühr begründen, dauernd oder so regelmäßig erbracht werden, dass die Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte möglich ist (Einzelpauschale). Die Pauschalierung bedarf in den Fällen des Abs. 1 Z 1, 3 bis 6 und 10 der Zustimmung des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport. Die Festsetzung einheitlicher Pauschale für im Wesentlichen gleichartige Dienste ist zulässig (Gruppenpauschale). Bei pauschalierten Nebengebühren für zeitliche Mehrleistungen ist zu bestimmen, welcher Teil der Vergütung den Überstundenzuschlag darstellt."

...

(5) Der Anspruch auf pauschalierte Nebengebühren wird durch einen Urlaub, während dessen der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behält, oder eine Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalles nicht berührt. Ist der Beamte aus einem anderen Grund länger als einen Monat vom Dienst abwesend, so ruht die pauschalierte Nebengebühr von dem auf den Ablauf dieser Frist folgenden Monatsersten bis zum Letzten des Monates, in dem der Beamte den Dienst wieder antritt.

(6) Die pauschalierte Nebengebühr ist neu zu bemessen, wenn sich der ihrer Bemessung zu Grunde liegende Sachverhalt wesentlich geändert hat. Die Neubemessung wird im Falle der Erhöhung der pauschalierten Nebengebühr mit dem auf die Änderung folgenden Monatsersten, in allen anderen Fällen mit dem auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monatsersten wirksam."

§ 18 GG in der Fassung der 24. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 214/1972, lautet:

"§ 18. (1) Dem Beamten, der eine in fachlicher Hinsicht zumindest gute Leistung erbringt, die - bezogen auf eine Zeiteinheit - in mengenmäßiger Hinsicht erheblich über der Normalleistung liegt, gebührt eine Mehrleistungszulage.

(2) Bei der Bemessung der Mehrleistungszulage ist auf das Verhältnis der Mehrleistung zur Normalleistung Bedacht zu nehmen. Die Bemessung der Mehrleistungszulage bedarf der Zustimmung des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport."

(Abs. 2 des § 18 steht hinsichtlich der Bezeichnung des Bundesministers in der Fassung des Art. 2 Z. 5 lit. a der Dienstrechts-Novelle 2000, BGBl. I Nr. 94/2000, mit Wirkung ab 1. April 2000 in Geltung.)

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde vor allem darauf, dass das "Krankenstandsausmaß" kein sachkonformer Grund für die Pauschalierungseinstellung sein könne. Es könne einzig und allein darauf ankommen, ob Mehrleistungen im Sinn des § 18 GG in jener Zeit erbracht worden seien, in welcher tatsächlich Dienst verrichtet werde. Es sei in concreto nicht einmal behauptet worden, dass sie die dem Pauschale entsprechenden Mehrleistungen an solchen Diensttagen nicht erbracht hätte. Es liege daher offensichtlich primär ein rechtlicher Fehler vor, weil die Behörde nicht erkannt habe, dass die Zeiten krankheitsbedingter Dienstabwesenheit bei den gegenständlichen Überlegungen gänzlich außer Betracht zu bleiben hätten.

Bei der Mehrleistungszulage handelt es sich - entgegen der vom Gesetzgeber gewählten Begrifflichkeit - nicht um eine Zulage, sondern um eine Nebengebühr.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. November 1991, Zl. 90/12/0233, (betreffend eine pauschalierte Überstundenvergütung) ausgesprochen, dass dem Beamten im Fall des § 15 Abs. 5 des GG, der eine abgestufte Behalteregelung für die pauschalierten Nebengebühren enthalte, ein Recht auf Beibehaltung einer solchen Nebengebühr zustehe. Das Pauschale verbleibe dem Beamten nach dem ersten Satz dieser Bestimmung ungeschmälert im Fall des Urlaubes und der Dienstverhinderung wegen Dienstunfalles sowie - bis zur Dauer eines Monats - bei sonstigen gerechtfertigten (arg. aus § 13 Abs. 3 leg. cit.) Abwesenheiten vom Dienst (vgl. § 51 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979); darüber hinaus habe die pauschalierte Nebengebühr zu ruhen. Daraus folge, dass es nicht allein aus einem solchen Grund zu einer Neubemessung des Pauschales kommen dürfe. Der Anspruch auf das Pauschale lebe vielmehr mit dem auf den Dienstantritt folgenden Monatsersten wieder auf, ohne dass es einer verwaltungsaufwändigen Neupauschalierung bedürfe. Die Abwesenheit vom Dienst sei für Beamte im § 51 leg. cit. geregelt. Unter den im Abs. 2 dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen stelle die Erkrankung einen anderen Grund der Dienstabwesenheit im Sinn des zweiten Satzes des § 15 Abs. 5 GG dar. Daraus folge, dass diesfalls die pauschalierte Nebengebühr aus dem Grund der Erkrankung nicht eingestellt werden dürfe. Das gesetzlich vorgesehene Ruhen bewirke vielmehr, dass der Anspruch auf das Pauschale nach Wiederantritt des Dienstes wieder auflebe, es sei denn, dass sich der der seinerzeitigen Bemessung zu Grunde liegende Sachverhalt aus einem anderen Grunde (beispielsweise Änderung der Geschäftsverteilung) wesentlich geändert habe und dies Anlass für eine Neubemessung (Nullbemessung) nach § 15 Abs. 6 leg. cit. gewesen sei (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/12/0050).

Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführerin daher insofern zu folgen, als eine Neubemessung (Nullbemessung) der pauschalierten Nebengebühr nach § 15 Abs. 6 des GG nicht alleine auf das Vorliegen einer (oder mehrerer) der Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 leg. cit. für eine Abwesenheit vom Dienst gegründet werden darf, sofern trotz der Dauer der Abwesenheit vom Dienst noch immer Mehrdienstleistungen, die in mengenmäßiger Hinsicht erheblich über der Normalleistung liegen (§ 18 Abs. 1 leg. cit.), von solcher Dauer oder Regelmäßigkeit vorliegen, dass die Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte möglich ist (§ 15 Abs. 2 leg. cit.). Dagegen wäre eine Neubemessung (Nullbemessung) einer pauschalierten Nebengebühr zulässig, wenn - bedingt durch die außergewöhnliche Dauer und Häufigkeit der Abwesenheit vom Dienst - die Voraussetzungen nach § 18 Abs. 1 iVm 15 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 nicht mehr vorlägen.

Dass eine solche Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte nicht möglich wäre, hat die belangte Behörde, die sich ohne kalendermäßig genaue Feststellungen mit dem Hinweis auf die krankheits- und urlaubsbedingten Absenzen der Beschwerdeführerin begnügte, aber nicht festgestellt. Die urlaubsbedingten Abwesenheiten, die der Beschwerdeführerin vorgehalten wurden, haben bei der Bewertung einer "außergewöhnlichen Dauer und Häufigkeit der Abwesenheit vom Dienst" überhaupt außer Betracht zu bleiben; ohne nähere Darstellung der - nicht unbeträchtlichen - krankheitsbedingten Absenzen der Beschwerdeführerin kann aber nicht überprüft werden, ob tatsächlich Umstände vorliegen, die die Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte unmöglich und damit eine Neubemessung der pauschalierten Nebengebühr zulässig machten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass - wie bei der erstmaligen Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 GG - der Zeitraum der Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte nicht zu kurz gewählt werden und sich nicht auf eine Periode beschränken darf, in der außergewöhnliche Verhältnisse gegeben sind; in der Regel wird für die Ermittlung des monatlichen Durchschnittswertes der Zeitraum von einem Jahr heranzuziehen sein.

Auf Grundlage der behördlichen Feststellungen erweist sich die Neubemessung der pauschalierten Nebengebühr mit Null als unzulässig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Pauschalgebühr von S 2.500,-- war mit EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 15. Mai 2002

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