Normen
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
AVG §19;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
SMG 1997 §12 Abs1;
SMG 1997 §12;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
AVG §19;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
SMG 1997 §12 Abs1;
SMG 1997 §12;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin richtete ein mit 27. September 2001 datiertes Schreiben an die Ärztekammer für Vorarlberg, in dem sie als Betreff "Bitte um Anerkennung um Gehör" anführte. In diesem Schreiben berichtete sie über einschlägige Erfahrungen mit Drogen und führte weiters wörtlich aus:
"Mit 22 Jahren habe ich dann zum ersten Mal Cannabis entdeckt. Und in den letzten (gut) 10 Jahren - eben diese Droge bevorzugt konsumiert."
Sie sei durchaus bereit, Versuche mit sich machen zu lassen, und ersuche um Mitteilung, wann sie "Wo" vorsprechen dürfe.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 teilte der Präsident der Ärztekammer für Vorarlberg der Beschwerdeführerin mit, dass die Ärztekammer nicht der richtige Ansprechpartner für sie sei. Es werde ihr deshalb empfohlen, sich mit ihrem Anliegen an den Sanitätsdirektor beim Amt der Vorarlberger Landesregierung zu wenden. Dieses Schreiben erging nachrichtlich an den erwähnten Sanitätsdirektor, wobei als Beilage das Schreiben der Beschwerdeführerin angeschlossen war.
Mit Steckzettel vom 15. Oktober 2001 übermittelte der Sanitätsdirektor das Schreiben der Beschwerdeführerin "zur weiteren Veranlassung" dem Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Bludenz.
Unter Verwendung des Formulars 2 nach der Verwaltungsformularverordnung, BGBl. II Nr. 508/1999, zu § 19 AVG (Ladungsbescheid an Beteiligte) erging daraufhin ein mit 19. Oktober 2001 datierter Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz an die Beschwerdeführerin. Als von der Behörde zu bearbeitende Angelegenheit, an der die Beschwerdeführerin beteiligt sei, ist "amtsärztliche Untersuchung wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes gemäß § 12 bzw § 35 SMG" angeführt. Angekreuzt ist schließlich diejenige Rubrik, wonach es notwendig sei, dass die Beschwerdeführerin persönlich zur Behörde komme. Die Ladung erfolgte für den 13. November 2001 um 08.15 Uhr. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die zwangsweise Vorführung angedroht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Suchtmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, lautet (auszugsweise):
"§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine Person Suchtgift missbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauch hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammen zu arbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen. ..."
§ 19 AVG lautet (auszugsweise):
"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ... .
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."
Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung von Zwangsstrafen für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um einen Ladungsbescheid im Sinn des § 19 AVG handelt. Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig, weshalb die vorliegende Beschwerde zulässig ist.
Die Beschwerde ist begründet.
Was zunächst die Umschreibung des Gegenstands der Amtshandlung im angefochtenen Bescheid anlangt, so erfolgte diese, wie bereits oben erwähnt, durch die Wendung "amtsärztliche Untersuchung wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes gemäß § 12 bzw § 35 SMG". Dieser Umschreibung des Gegenstands der Amtshandlung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde anknüpfend an § 12 SMG eine Untersuchung der Beschwerdeführerin wegen Suchtgiftmissbrauchs für erforderlich hielt. Dass Gegenstand der Amtshandlung eine amtsärztliche Untersuchung dieser Art war, war nach dem Beschwerdevorbringen im Übrigen auch der Beschwerdeführerin bewusst. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher von denjenigen Konstellationen, die den hg. Erkenntnissen vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0134, und vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0342, zu Grunde lagen.
Die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, obliegt grundsätzlich der Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Vorgängerbestimmung des § 12 SMG, nämlich § 9 des Suchtgiftgesetzes, die Auffassung vertreten, dass dann, wenn der Verdacht gegeben sei, eine Person missbrauche Suchtgift, im Hinblick auf allenfalls zu setzende ärztliche Maßnahmen Raschheit geboten sei. Im Regelfall kann daher nicht gesagt werden, dass es gleichgültig ist, ob der Betreffende früher oder später bei der Behörde erscheint, weshalb die Behörde eine Überschreitung des Auswahlermessens hinsichtlich der Form der Ladung nicht vorzuwerfen ist, wenn sie sich für einen Ladungsbescheid entscheidet (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001).
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheides zur Verfolgung der im § 12 Abs. 1 SMG umschriebenen gesundheitspolizeilichen Zwecke ist freilich, dass bestimmte Tatsachen zur Annahme zwingen, dass "eine Person Suchtgift missbraucht", wobei im Hinblick auf den Regelungsgegenstand als tatbestandsmäßig anzusehen ist, dass der Suchtgiftmissbrauch in der Person des Betreffenden selbst gelegen sein muss. Das Vorhandensein derartiger "bestimmter Tatsachen" muss im Zeitpunkt der Ladung (hier: im Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheides) gegeben sein (vgl. erneut das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001 mwN). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Anders als es die Beschwerdeführerin vermeint, stützte sich die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides allerdings nicht auf eine frühere Anzeige, sondern auf das oben dargestellte Schreiben der Beschwerdeführerin vom 27. September 2001. Die Beschwerdeführerin räumt in diesem Schreiben zwar ausdrücklich einen Cannabiskonsum innerhalb der letzten 10 Jahre ein, macht aber keine Angabe dazu, wann sie zuletzt Cannabis konsumierte. In Ermangelung diesbezüglicher Angaben der Beschwerdeführerein durfte die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht annehmen, dass auch in diesem Zeitpunkt ein Suchtgiftmissbrauch weiter stattfinde oder aber nur kurze Zeit zurückliegend Suchtgift (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0134) missbraucht wurde. Fehlte aber die entscheidende Voraussetzung für einen Ladungsbescheid, so erweist sich die dennoch vorgenommene Ladung als rechtswidrig.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 26. Februar 2002
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