VwGH 2001/01/0357

VwGH2001/01/035717.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AH in Graz, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juni 2001, Zl. 2- 11. H/410 - 00/13, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf seine Gattin und seine mj. Kinder, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §17 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §18;
StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §17 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §18;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Juni 2001 wies die Steiermärkische Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Gattin und die beiden gemeinsamen mj. Kinder "gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idgF in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idgF" ab. Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsbürger, sei erstmals am 10. Jänner 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, sodass die zehnjährige Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) erfüllt sei. Bei einer Vorsprache der Gattin des Beschwerdeführers am 1. September 2000 und einer weiteren Vorsprache am 27. Februar 2001 sei festgestellt worden, dass die Gattin des Beschwerdeführers die deutsche Sprache nicht beherrsche. Aus der Versicherungszeitenbestätigung des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, dass er im Zeitraum vom 27. August 1990 bis 29. August 2000 bei neun verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen und im selben Zeitraum 19 Monate keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Unter anderem sei der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 14. März 1999 bis 4. Juni 2000 keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen. Die vom Beschwerdeführer über Vorhalt dieser Umstände im Wege des Parteiengehörs abgegebene Stellungnahme habe keine stichhaltigen Gründe aufgezeigt, die eine solche beschäftigungslose Zeit rechtfertigen würden. Eine berufliche Integration des Beschwerdeführers sei zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht gegeben. Ebenso mangle es an der persönlichen Integration des Beschwerdeführers, weil dieser nicht dafür Sorge getragen habe, dass seine Familie über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache im jeweiligen, den Lebensumständen angepassten Ausmaß verfüge. Somit habe die Ermessensentscheidung über die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers getroffen werden können. Im Hinblick darauf seien auch die Erstreckungsanträge der Gattin und der mj. Kinder abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung derselben erkennbar im Grunde des § 11 StbG abgewiesen. Sie ging somit implizit davon aus, dass sämtliche Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG gegeben seien. Aus dem angefochtenen Bescheid und dem vorgelegten Verwaltungsakt ist auch ersichtlich, dass jedenfalls beim Beschwerdeführer selbst keine Zweifel am Vorliegen der nach § 10a StbG erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache bestehen.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes i.d.F. der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - soweit für den Beschwerdefall von Relevanz - wie folgt:

"§ 10 a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache.

§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.

§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn ...

§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 zu erstrecken auf

1. die ehelichen Kinder des Fremden,

...

§ 18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden."

Die belangte Behörde hat bei Beurteilung des von ihr im Zuge der Ermessensübung zu berücksichtigenden Integrationsausmaßes die "persönliche Integration" des Beschwerdeführers deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer nicht "dafür Sorge getragen hätte, dass seine Familie über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache (...) verfügen würde". Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann jedoch allein daraus, dass es einem Familienmitglied des Beschwerdeführers an entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache fehlt (über die Sprachkenntnisse der mj. Kinder des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen!), ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles nicht darauf geschlossen werden, dass beim Beschwerdeführer persönlich keine ausreichende Integration gegeben wäre.

Die belangte Behörde hat ihrer Ermessensübung auch zu Grunde gelegt, es sei auf mangelnde "berufliche Integration" des Beschwerdeführers zu schließen, weil dieser bei neun verschiedenen Arbeitgebern im Zeitraum von insgesamt zehn Jahren beschäftigt gewesen sei und es im selben Zeitraum an einer geregelten Beschäftigung während insgesamt 19 Monaten gefehlt habe. Soweit die belangte Behörde eine ausreichende Integration im Sinne des § 11 StbG aus dieser Gegenüberstellung von Beschäftigungszeiten und Gesamtaufenthaltsdauer des Einbürgerungswerbers im Inland ableitet, erweist die Begründung des angefochtenen Bescheides sich ebenfalls als verfehlt. Bei der Beurteilung nach § 11 StbG kommt es auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides an; eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden zu einer Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüberzustellen, ist verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258). Die belangte Behörde hätte daher zur Beurteilung des Ermessensgesichtspunktes der Integration des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten überdies berücksichtigen müssen, dass er durchaus längere Zeiten durchgehender Beschäftigung aufwies und dass die zum Zeitpunkt der Entscheidung aufrechte Beschäftigung seit ca. einem Jahr bestand. Der Vollständigkeit halber sei auch auf eine Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 3. Mai 2001 verwiesen, aus der entnommen werden kann, dass es kaum vorkomme, dass Personen mit relativ niedrigem Ausbildungsniveau durchgehend beschäftigt würden, obwohl sie am Arbeitsmarkt durchaus gesucht wären. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer von 1992 bis 1999 bei insgesamt nur zwei Arbeitgebern beschäftigt gewesen und daher nach Auffassung des Arbeitsmarktservice Steiermark jedenfalls als beruflich integriert anzusehen.

Darüber hinaus deutet auch die Geburt beider Kinder in Österreich darauf hin, dass beim Beschwerdeführer die für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderliche Integration gegeben ist. Nach dem Gesagten vermögen die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde Integration des Beschwerdeführers gegründete Ermessensübung zu dessen Lasten nicht zu rechtfertigen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 17. September 2002

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