Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 5. August 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ungarischen Staatsangehörigen, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte mit 16. August 1999 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt.
Die gegen diesen Bescheid am 1. September 1999 zur Post gegebene - von der nunmehrigen Beschwerdevertreterin verfasste - Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Dezember 1999 als verspätet zurückgewiesen, weil die zweiwöchige Rechtsmittelfrist bereits am 30. August 1999 geendet habe.
Nach Zustellung dieses Bescheides brachte der Beschwerdeführer rechtzeitig den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er sei am 24. August 1999 in der Kanzlei seiner Rechtsvertreterin erschienen und habe "bei der Eruierung der Rechtsmittelfrist" bekannt gegeben, dass er den Bescheid am 20. August 1999 "bekommen" habe. Da er jedoch "unglücklicherweise" das "Bescheidkuvert" verloren habe, hätten weder er noch seine Rechtsvertreterin feststellen können, dass der Bescheid schon am 16. August 1999 hinterlegt worden sei. Aus diesen Gründen sei von der Rechtsvertreterin angenommen worden, dass der Bescheid am 20. August 1999 zugestellt worden sei, was "eine Rechtsmittelfrist bis 3.9.1999 bedeutet hätte". Der Umstand, dass der Beschwerdeführer das "Bescheidkuvert" verloren habe und sohin der Zeitpunkt der Hinterlegung nicht habe festgestellt werden können, stelle "eindeutig" ein unvorhergesehenes Ereignis dar, welches auch einem Durchschnittsmenschen passieren könne. Die darauffolgenden Handlungen des Beschwerdeführers, nämlich insbesondere die Aussage vor seiner Rechtsvertreterin, dass er den erstinstanzlichen Bescheid am 20. August 1999 "bekommen" habe, aber auch die unrichtige Beurteilung des Beginns der Rechtsmittelfrist lägen eindeutig in der Schuldsphäre des Beschwerdeführers, den jedoch lediglich ein minderer Grad des Versehens treffe.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen. Dem Beschwerdeführer sei eine "grobe Unachtsamkeit im Sinne von auffallender Sorglosigkeit (grobe Fahrlässigkeit)" vorzuwerfen, weil er den Verlust des "Bescheidkuverts" auf jeden Fall seiner Rechtsvertreterin hätte mitteilen müssen, sodass diese nach telefonischer Rückfrage bei der Behörde das Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides hätte eruieren können. Die Versäumung der Rechtsmittelfrist sei letztendlich nur deshalb eingetreten, weil der Beschwerdeführer seine Rechtsvertreterin nicht darüber informiert habe, dass der anzufechtende Bescheid durch Hinterlegung zugestellt worden sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist (oder einer mündlichen Verhandlung) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten (oder zur Verhandlung zu erscheinen), und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Partei das Verschulden ihres Vertreters an der Fristversäumung zurechnen lassen (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 72ff zu § 71 AVG zitierte Judikatur).
Die Beschwerde verneint zunächst ein Verschulden der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers und folgert daraus, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 AVG lediglich im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers "bzw. den zwischen diesem und seiner Rechtsvertreterin entstandenen Informationsirrtum" zu prüfen. Entgegen diesen Beschwerdeausführungen kann jedoch die Frage, ob der Beschwerdeführer selbst auffallend sorglos gehandelt hat, auf sich beruhen, weil seiner Vertreterin an der Versäumung der Berufungsfrist ein Verschulden zur Last liegt, das über den minderen Grad des Versehens hinaus geht.
Im Wiedereinsetzungsantrag wurde dazu vorgebracht, da der Beschwerdeführer das "Bescheidkuvert" verloren habe, hätten weder er noch seine Rechtsvertreterin feststellen können, dass der Bescheid schon am 16. August 1999 hinterlegt worden sei, weshalb die Rechtsvertreterin angenommen habe, dass der Bescheid am 20. August 1999 zugestellt worden sei. In der Berufung wurde dieses Vorbringen dahin präzisiert, der Verlust des Briefkuverts sei dafür ausschlaggebend gewesen, dass die Rechtsvertreterin die Aussage des Beschwerdeführers, den Bescheid am 20. August 1999 bekommen zu haben, "für verbindlich" angenommen und nicht selbst mittels Rückfrage beim zuständigen Postamt das Hinterlegungsdatum eruiert habe. Auf Grund des Verlustes des Briefkuverts habe die Rechtsvertreterin keine Zustellung durch Hinterlegung erkennen können. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, es sei der Rechtsvertreterin nicht zuzumuten, nach "schlüssiger Angabe" des Beschwerdeführers, den Bescheid am 20. August 1999 erhalten zu haben, "durch Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Vorlegung des Bescheidkuverts oder
durch Rückfrage beim Postamt ... nochmals das genaue Zustelldatum
nachzuprüfen, da für sie zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel über das Zustelldatum vorlag." Es liege sohin kein Verschulden der Rechtsvertreterin vor.
Dem kann nicht beigepflichtet werden:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, es müsse einem Rechtsanwalt bewusst sein, dass sich nicht rechtskundige Personen ohne entsprechende Erfahrungen leicht im Irrtum über die Rechtslage betreffend den Eintritt der Zustellungswirkungen mit der Hinterlegung beim Postamt (genauer: mit dem Beginn der Abholfrist) befinden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0502). Damit stehen auch die Ausführungen in der Beschwerde im Einklang, wonach es den eigenen Erfahrungen der Beschwerdevertreterin entspreche, dass "ein Großteil der Normadressaten erst nach Rechtsbelehrung oder erst nach einmaliger Fristversäumung Kenntnis davon erlangen, dass bei Hinterlegung grundsätzlich das Datum der Hinterlegung als Zustellung schon die Frist in Gang setzt." Vor diesem Hintergrund hätte sich aber die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nicht mit seinen Angaben, er habe die Sendung am 20. August 1999 "bekommen", begnügen und darauf vertrauen dürfen, der Beschwerdeführer meine damit tatsächlich jenen Zeitpunkt, in dem die gesetzlichen Zustellwirkungen eingetreten sind. Vielmehr hätte sie hinterfragen müssen, ob es sich dabei um den Tag handelt, an dem eine eigenhändige Zustellung an ihn vorgenommen wurde, oder ob die Sendung beim Postamt hinterlegt wurde und das erwähnte Datum den Tag bezeichnet, an dem die Abholfrist begonnen oder an dem der Beschwerdeführer den Bescheid dort behoben hat, zumal Hinterlegungen keineswegs bloß ausnahmsweise vorkommen, sondern - vor allem in Ansehung Berufstätiger - sehr häufig vorgenommen werden (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. Jänner 1995). Da die Vertreterin des Beschwerdeführers nach dem maßgeblichen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag eine diesbezügliche Klärung unterließ, hat sie die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach ihren persönlichen Fähigkeiten auch zumutbare Sorgfalt grob schuldhaft außer Acht gelassen. Wünscht ein Klient von einem Rechtsanwalt die Einbringung eines Rechtsmittels, dann gehört es zu dessen selbstverständlichen Pflichten, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen. Das ist einem Rechtsanwalt auch ohne weiteres zuzumuten. Unterlässt er diese naheliegenden Schritte und gibt er sich - wie hier - mit mehrdeutigen Angaben einer nicht rechtskundigen Partei über den Zustellungszeitpunkt zufrieden, dann stellt dies eine auffallende Sorglosigkeit dar, die der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht.
Die Beschwerde musste daher schon aus diesen Gründen erfolglos bleiben und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden, ohne dass es - wie erwähnt - auf den Grad des dem Beschwerdeführer selbst anzulastenden Verschuldens ankäme. Gleiches gilt für die in der Berichterverfügung vom 23. Mai 2000 angesprochene Frage, ob die Berufungsfrist im Hinblick auf die in der Rechtsmittelbelehrung gewählte - zumindest missverständliche - Formulierung erst mit der "Übernahme" des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. August 1999 begann, sodass der Wiedereinsetzungsantrag infolge Rechtzeitigkeit der Berufung (vgl. § 61 Abs. 3 AVG) schon mangels Fristversäumung abzuweisen gewesen wäre.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 26. Juni 2002
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