VwGH 2000/21/0070

VwGH2000/21/007025.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des V, geboren am 24. Februar 1959, vertreten durch Mag. Marc Oliver Stenitzer, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 8. November 1999, Zl. Fr-1577-1/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §44;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §44;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem (im Instanzenzug bestätigten) Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 8. März 1994 war über den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z 1 und Z 7 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838, ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren verhängt worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 12. April 1999 wurde dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, wegen Wegfalls der Gründe, die zu seiner Erlassung geführt hatten, wieder aufgehoben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. November 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 25. Mai 1999, mit dem gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, keine Folge gegeben und der Bescheid der Erstbehörde bestätigt.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst zusammengefasst die Erwägungen im erstinstanzlichen Bescheid wieder, nämlich dass der Beschwerdeführer mehrmals dem - nach Meinung der Erstbehörde auch noch im Entscheidungszeitpunkt aufrechten - (ersten) Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt und schließlich am 25. März 1999 vom Landesgericht Klagenfurt - mit dem infolge sofort erklärten Rechtsmittelverzichtes an diesem Tag in Rechtskraft erwachsenen Urteil - wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden sei. Daran anknüpfend führte die belangte Behörde aus, über den Beschwerdeführer seien "fünf gerichtliche Verurteilungen einschlägiger Art vorgemerkt, und zwar wegen Körperverletzung, Freiheitsentzug und gefährlicher Drohung." Die Tatsache, dass die Straftaten durchwegs gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität von Menschen gerichtet gewesen seien, erlaube "als bestimmte Tatsache (§ 36 Abs. 2 Z 1 FrG)" die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Es treffe zwar zu, dass das (erste) Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 12. April 1999 aufgehoben worden sei; allerdings "offenkundig in Unkenntnis" des Verhaltens des Beschwerdeführers nach Erlassung dieses Verbotes. Der Beschwerdeführer hätte Österreich damals unverzüglich verlassen müssen. Statt dessen habe er sich hier illegal aufgehalten und schon am 10. Dezember 1994 eine weitere einschlägige Straftat begangen, die 1999 zur - oben erwähnten - fünften gerichtlichen Verurteilung geführt habe. Jedenfalls sei der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erstmals durch die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (Anfang 1995) "beamtshandelt" und schließlich aus Österreich abgeschoben worden. In der Folge sei er dreimal wegen unerlaubter Rückkehr nach Österreich (am 19. September 1996, am 31. Oktober 1998 und am 26. Februar 1999) festgenommen und abgeschoben worden. Damit sei hinreichend belegt, dass sich der Beschwerdeführer nach Erlassung des (ersten) Aufenthaltsverbotes nicht nur nicht wohlverhalten habe, sondern "in beharrlicher Ignoranz gegenüber der österreichischen Rechtsordnung" mehrmals in das Bundesgebiet zurückgekehrt sei, um sich den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, seine illegalen Wiedereinreisen seien im Hinblick auf seine in Graz lebende Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder von "geringfügigem Unrechtsgehalt", könne nicht geteilt werden, weil an der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften ein hoch zu veranschlagendes öffentliches Interesse bestehe.

Zur Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 FrG stellte die belangte Behörde fest, im Zeitpunkt der Erlassung des (ersten) Aufenthaltsverbotes im Jahre 1994 seien die drei Kinder des Beschwerdeführers aus seiner ersten Ehe und auch schon zwei Kinder aus seiner Lebensgemeinschaft mit N. P. geboren gewesen. Das dritte Kind aus dieser Beziehung sei am 31. Juli 1995 geboren worden. Das bedeute, dass bereits die Bundespolizeidirektion Wels den durch das damalige Aufenthaltsverbot erfolgenden Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers für zulässig erachtet habe. Seither habe er sich nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufgehalten. "Alle in der Illegalität geschaffenen weiteren Bindungen zur bereits seinerzeit bestandenen Lebensgemeinschaft mit N. P." könnten nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, sodass dieser Lebensgemeinschaft "im fremdenrechtlichen Sinne" kein besonderes Gewicht beigemessen werden könne. Die belangte Behörde erachtete daher den durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers zur Erreichung "mehrerer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele, nämlich der Verteidigung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Verhinderung von strafbaren Handlungen", für dringend notwendig. Bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte die belangte Behörde, dass "gewichtige private Interessen am Verbleib in Österreich bestehen und dass die Trennung von Ihrer Lebensgefährtin und Ihren Kindern folgenschwer ist", gelangte aber zu dem Ergebnis, dass diese Gründe hinter das öffentliche Interesse, dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in Österreich "aus den vorgenannten Gründen" zu verbieten, zurücktreten müssten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu üben. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1998, Zl. 98/21/0342, mwN, und die daran anschließende Rechtsprechung, etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/18/0146, mwN).

Aus dem dargestellten Prüfungsumfang ergibt sich, dass bei einer Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes darüber abgesprochen wird, ob im Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nach den §§ 36 ff FrG (noch) vorliegen. Mit dem einem Aufhebungsantrag stattgebenden Bescheid wird somit zum Ausdruck gebracht, dass diese Voraussetzungen nicht (mehr) gegeben sind. Demnach entfaltet dieser Bescheid insofern Bindungswirkung (vgl. dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 465, 469), als eine gegenteilige Entscheidung, also die neuerliche Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, nur bei einer wesentlichen Sachverhaltsänderung (oder einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage) getroffen werden darf (vgl. die einen weiteren Aufhebungsantrag nach dessen rechtskräftiger Abweisung betreffenden, zu dem mit § 44 FrG inhaltsgleichen § 26 FrG 1992 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 7. April 2000, Zl. 96/21/1112, und vom 15. Oktober 1999, Zl. 96/21/0097).

Das wurde von der belangten Behörde verkannt, indem sie gegen den Beschwerdeführer am 8. November 1999 ein Aufenthaltsverbot erließ, obwohl mit Bescheid vom 12. April 1999 das gegen diesen vormals erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 44 FrG aufgehoben worden war, und sie ihre Entscheidung nicht auf - seit der Erlassung dieses Bescheides eingetretene - Sachverhaltsänderungen stützte.

Der angefochtenen Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. In dem für den Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag ist die Umsatzsteuer bereits enthalten, weshalb das diesbezügliche Mehrbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen war.

Wien, am 25. April 2002

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