VwGH 2000/10/0059

VwGH2000/10/005916.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Ing. R in Neusiedl am See, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 55, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 1. März 2000, Zl. 5-N-B1181/41-1999, betreffend Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2 lita;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 litb;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs2 litb;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs6 idF 1996/066;
VwGG §34 Abs1 impl;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2 lita;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 litb;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs2 litb;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs6 idF 1996/066;
VwGG §34 Abs1 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 5757/114 der KG N. unter Berufung auf § 3 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung, mit der der Neusiedlersee und seine Umgebung zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde (Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee), LGBl. Nr. 22/1980 (NatLSchV Neusiedlersee 1980, in der Folge: NatLSchV), in Verbindung mit den §§ 5 lit. a Z 1, 6 Abs. 1 lit. b sowie 81 Abs. 2, 5 und 6 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 (in weiterer Folge: Bgld NatSchG), abgewiesen.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer um die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem genannten Grundstück angesucht. Dieses Grundstück liege im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Neusiedlersee und in einem nach der Flora - Fauna - Habitatrichtlinie, 92/43/EWG, und der Vogelschutzrichtlinie, 79/409/EWG, der Europäischen Kommission gemeldeten "besonderen Schutzgebiet" (Natura 2000). Das Grundstück sei im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde als "Bauland - Erholung und Fremdenverkehr" ausgewiesen. Der Amtssachverständige für Naturschutz habe zur Frage der Wirkung des Vorhabens auf den Naturhaushalt (§ 6 Abs. 1 lit. b Bgld NatSchG) folgendes Gutachten vom 2. September 1999 abgegeben:

"Befund: Siehe Vorakt, insbesondere SV-Gutachten vom 3.12.1998, Ä.Zi. 5-N-BS74-1998 zu Zl. 5-N-B1181/5-1998.

Gutachten:

In Beantwortung des naturschutzgesetzesrelevanten Fragenbogens:

Aus naturschutzfachlicher Sicht ist, wie auch anläßlich des obzit. Lokalaugenscheines und der nachfolgenden Besprechung von seiten des unterfertigten Sachbearbeiters mehrfach deponiert wurde, das gegenständliche Bauvorhaben, ungeachtet der beiden vom Konsenswerber vorgebrachten Ausführungsmöglichkeiten der Fundamentierung des Gebäudes im See, und zwar entweder auf Piloten (duktilen Pfählen) und Betonplatte in entsprechendem Abstand vom mittleren (bzw. maximalen) See-Pegelstand oder aber durch Herstellung einer Aufschüttung der derzeitigen Wasserfläche des Sees und Betonfundamentierung, eindeutig negativ zu beurteilen.

Begründung

Die vormals geplante Aufschüttung der derzeitigen Wasserfläche des Neusiedler Sees wurde bereits früher aufgrund seiner zu erwartenden lebensraumzerstörenden Wirkung eindeutig negativ beurteilt (vgl. dazu v.a. obzit. SV-Gutachten. vom 3.12.1999, sowie sinngemäß die Ausführungen des SV-Gutachtens vom 15.3.1999, Seite 2, Punkt 2, und die drei nachfolgenden Absätze). Es ist naturschutzfachlich aber auch die anläßlich des ggstdl. obzit. Lokalaugenscheines vom 4.8.d.J. vom Konsenswerber vorgebrachte Variante der Fundierung des Gebäudes mit duktilen Pfählen eindeutig negativ zu beurteilen. In diesem Zusammenhang bekräftigte auch HR H. das Faktum, daß eine langfristige Überbauung der Seeoberfläche eine nachhaltig negative Auswirkung auf die natürlichen Standortverhältnisse (v.a. bezüglich Lichtfaktor und der allgemeinen Witterungseinflüsse und damit möglicherweise auch auf die Wasserqualität) zumindest im davon unmittelbar betroffenen Lebensraum, der dem Schutzobjekt des freien Sees zuzuordnen ist, erwarten läßt.

Fazit:

Aufgrund der zu erwartenden nachhaltig negativen Auswirkungen auf den betroffenen Lebensraum und die dort vorhandenen Lebensgemeinschaften ist ungeachtet der Widmungssituation - nach ho. Ansicht das ggstdl. Bauvorhaben im Neusiedler See aus Biotopschutzgründen mit dem naturschutzrelevanten Erhaltungszielkatalog für das Besondere Schutzgebiet (Natura 2000) bzw. gemäß § 2 lit. a der Natur- und Landschaftsschutzverordnung nicht vereinbar und daher naturschutzfachlich eindeutig abzulehnen."

Der Beschwerdeführer habe zu diesem Gutachten in einer Stellungnahme vom 20. September 1999 im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergänzungsbedürftig sei. Dabei sei um die Einholung mehrerer Sachverständigengutachten ersucht worden.

Die zuständige Stadtgemeinde habe sich in einer Stellungnahme für die Errichtung des Wohnhauses ausgesprochen. Die widmungsgemäße Nutzung der Liegenschaft liege im Interesse der Gemeinde und des Gemeinwohles.

Der Sachverständige für Naturschutz habe zu diesen Äußerungen am 21. Oktober 1999 folgende ergänzende Stellungnahme abgegeben:

"Hinsichtlich der naturschutzfachlichen Beurteilung der im Betreff genannten Baumaßnahmen und Örtlichkeit darf auf die einschlägigen Vorbegutachtungen in diesem Bereich, insbesondere auf das letzte SV-Gutachten vom 2.9.1999 vollinhaltlich verwiesen werden.

Begründung

Im obzit. letzten Gutachten wurde bereits in der Begründung darauf hingewiesen, daß Baumaßnahmen (zur Errichtung eines Wohnhauses) einschließlich der Aufschüttung oder Errichtung einer Betonplattform auf duktilen Pfählen auf diesem Grundstück Nr. 5757/114, welches naturräumlich eindeutig dem See zuzurechnen ist, aus Biotopschutzgründen eindeutig abzulehnen sind. Dies trifft naturgemäß auch auf die Aufschüttung von Teilflächen dieses Grundstückes zu, sodaß zum wiederholten Male diese geplanten Eingriffe naturschutzfachlich aufgrund ihrer lebensraumzerstörenden (Aufschüttungen) bzw. ihrer standortsverändernden Wirkung (Plattform über duktilen Pfählen) eindeutig negativ zu beurteilen sind."

Der Beschwerdeführer habe zu dieser Stellungnahme im Wesentlichen ausgeführt, dass diese auf bloßen Vermutungen hinsichtlich der Beeinträchtigung von Vögeln und Amphibien beruhe, ohne dass wissenschaftliche Erhebungen durchgeführt worden seien. Die in der Nähe liegenden Schilfflächen würden auf Grund einer Vielzahl von Nesträubern sowie den im Bereich der Siedlung lebenden Haustieren nicht als Brutflächen genützt. Die Tiere würden vielmehr die naheliegenden unberührten Schilfflächen des Sees nutzen.

Nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen vertrat die belangte Behörde zunächst die Auffassung, das geplante Wohnhaus stünde nicht im Widerspruch zum rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde. Auch eine besondere Beeinträchtigung der von der Burgenländischen Landesregierung der Europäischen Kommission gemeldeten besonderen Schutzgebiete sei nicht gegeben. Im Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom 17. Juni 1999 sei dargelegt worden, dass eine solche Beeinträchtigung im Wesentlichen nur durch größere Projekte erfolgen könne. Verfahrensgegenständlich handle es sich um einen im Verhältnis zur Größe des Natura 2000-Gebietes geringen Eingriff. Auf Grund der eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz, welche als richtig und schlüssig erachtet würden, sei aber davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Maßnahme das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtige. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten schlüssig dargelegt, dass durch den geplanten Eingriff der vorhandene natürliche Lebensraum zerstört und durch eine andere, naturferne Standortsqualität ersetzt werde. Damit würde das geplante Wohnhaus eine nachhaltige Beeinträchtigung dieses Lebensraumes bewirken. Das gegenständliche Areal liege am seeseitigen Rand der Feriensiedlung "Refugium", die ihrerseits am Übergang des Schilfsgürtels zum freien See situiert sei. Das gegenständliche Vorhaben gefährde daher den genannten Schilfbestand auch in seiner Funktion als Lebensraum für darin vorkommende Teichrohrsänger und Bartmeisen sowie andere schilfbewohnende Kleinvögel und eine Vielzahl von schilfbewohnenden Arthropoden. Bei Beurteilung eines bestimmten menschlichen Eingriffes in ein bestehendes Wirkungsgefüge eines Raumes sei entscheidend, ob sich dieser Eingriff harmonisch in den vorliegenden natürlichen Lebensraum einfüge oder nicht. Handle es sich um einen zusätzlichen Eingriff, dann sei entscheidend, ob sich diese weitere Anlage oder Errichtung in das vor ihrer Errichtung gegebene und durch bereits vorhandene menschliche Eingriffe mitbestimmte Wirkungsgefüge der bestehenden Geofaktoren anpasse. Der Sachverständige für Naturschutz beschreibe das betroffene Gebiet des Sees als bereits von Menschen geprägten und beeinträchtigten Raum. Durch diese zahlreichen erfolgten Eingriffe sei der betroffene Seerandbereich, insbesondere die Schilfflächen, bereits wesentlich beeinträchtigt und der Lebensraum zahlreicher Kleinvögel und schilfbewohnender Arthropoden zerstört. Jede weitere Maßnahme, welche zwar in diesem gestörten Ökosystem nur einen Mosaikstein darstelle, verschlechtere insbesondere in Summe gesehen mit den bereits erfolgten Eingriffen die Situation des bestehenden Lebensraumes und habe in weiterer Folge negative Auswirkungen auf den betroffenen Lebensraum des Sees zur Folge.

Gemäß § 6 Abs. 5 Bgld NatSchG könne eine Bewilligung im Sinne des § 5 entgegen den Bestimmungen der Absätze 1 bis 4 erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten sei als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang angeführt, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück als "Bauland - Erholung und Fremdenverkehr" im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde ausgewiesen sei. Von der genannten Siedlung gingen wesentliche volkswirtschaftliche und touristische Impulse aus. Weiters bestünde ein öffentliches Interesse an der ungehinderten Einfahrtsmöglichkeit in den Osthafen. Es würden auch Kosten von erforderlichen Entschlammungsarbeiten gesenkt werden. Das geplante Projekt entspreche auch dem Landesentwicklungsprogramm. Bei Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen gemäß § 6 Abs. 5 Bgld NatSchG erachtet die belangte Behörde beim vorliegenden Projekt jedoch das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Seerandbereiches vor zusätzlichen nachhaltigen Eingriffen gegenüber dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Interessen als überwiegend. Im Übrigen liege die Errichtung des Wohnhauses ausschließlich im privaten Interesse des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift mehrere Repliken erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, dass das genannte Grundstück in dem von der (gemäß §§ 15 und 19 des Bgld NatschG 1961, LGBl. Nr. 23, erlassenen) NaturLSchV umschriebenen Gebiet, das zum Landschaftsschutzgebiet sowie zum Teilnaturschutzgebiet (Pflanzen- , Tier- und Vogelschutzgebiet) erklärt wurde, liegt.

Gemäß § 2 lit. a der NatLSchV ist es u. a. verboten, den natürlichen Zustand der Gewässer, Wasserflächen, Sumpf- und Schilfflächen zu verändern.

Nach § 6 der NatLSchV kann die Landesregierung im Einzelfall Ausnahmen von den in den §§ 2, 4 und 5 angeordneten Verboten und Beschränkungen mit Bescheid bewilligen, wenn der Eingriff aus Gründen naturwissenschaftlicher Forschung oder für Heilzwecke oder aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich ist.

Gemäß § 3 NatLSchV bedürfen in dem bezeichneten Gebiet Bauvorhaben aller Art einer Genehmigung der Landesregierung im Sinne des § 19 Abs. 2 des Naturschutzgesetzes (gemeint: Bgld NatSchG 1961, LGBl. Nr. 23).

In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/10/0193, hat sich der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Übergangsbestimmungen des § 81 des Bgld NatSchG idF der Novelle LGBl. Nr. 66/1996 mit dem Verhältnis von NatLSchV und Bgld NatSchG auseinander gesetzt und dabei u. a. die Auffassung vertreten, dass die Verbotstatbestände der NatLSchV (vgl. § 2) wieder in Geltung stehen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage stellt die geplante Errichtung eines Wohnhauses auf dem genannten Grundstück schon im Hinblick auf die dafür vorgesehene Aufschüttung der derzeitigen Wasserfläche bzw. die Errichtung von Piloten samt Betonplatte im See (vgl. dazu das Sachverständigengutachten vom 2. September 1999) eine Veränderung des natürlichen Zustandes der Gewässer, Wasserflächen, Sumpf- und Schilfflächen dar, die gemäß § 2 lit. a NatLSchV verboten ist. Dass ein Ausnahmetatbestand nach § 6 der NatLSchV vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Maßnahme eine nachhaltige Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum (§ 6 Abs. 1 lit. b Bgld NatSchG) darstellt, da der Lebensraum seltener, gefährdeter oder geschützter Tier- oder Pflanzenarten wesentlich beeinträchtigt oder vernichtet werde (§ 6 Abs. 2 lit. b leg. cit.). Die belangte Behörde hat das Vorhaben des Beschwerdeführers somit als bewilligungspflichtiges Vorhaben nach dem Bgld NatSchG beurteilt, mangels Vorliegens entsprechender Voraussetzungen aber letztlich nicht bewilligt. Dadurch ist der Beschwerdeführer allerdings, weil das Vorhaben - wie dargelegt - ohnedies verboten ist, nicht in Rechten verletzt worden (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 16. Dezember 2002, Zl. 99/10/0193).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Dezember 2002

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