VwGH 99/15/0253

VwGH99/15/025325.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des TJ in P, vertreten durch Dr. Ernst Goldsteiner und Dr. Viktor Strebinger, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Wiener Straße 14-16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Oktober 1999, Zl. RV/040-07/02/98, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit 13. Dezember 1990 alleiniger Geschäftsführer der S. Handels GmbH (vormals W. GmbH). Über das Vermögen der S. Handels GmbH wurde mit Beschluss vom 26. Februar 1997 das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 23. Juni 1997 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 166 Abs. 2 KO aufgehoben.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 7. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden dieser Gesellschaft im Ausmaß von S 8,570.007,-- herangezogen. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens, Gesetzeszitaten und Hinweisen auf die Rechtsprechung aus, der Beschwerdeführer habe weder behauptet, noch seien aus der Aktenlage Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Gesellschaft keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu deren Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestanden wären. Der Beschwerdeführer habe lediglich eingewendet, dass sich über den gesamten haftungsmaßgeblichen Zeitraum keine Schlechterstellung der Abgabenbehörde ergebe. Der Beschwerdeführer habe zum Beweis für diese Behauptung eine Aufstellung der Verbindlichkeiten und Zahlungen vorgelegt. Eine Darstellung der Einnahmensituation der Gesellschaft habe der Beschwerdeführer aber nicht vorgelegt. Damit habe er aber das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nicht dargetan. Abgesehen davon ergebe sich aus den vom Beschwerdeführer seiner Berufung angeschlossenen Aufstellungen, dass er etwa im September 1996 Honorare an die Kanzlei K. und Dr. G. und selbst noch im Februar 1977 an Dr. G. gezahlt habe. Dadurch seien diese Forderungen, wie sich aus dem Unterbleiben der Anmeldung einer Forderung im Konkurs über das Vermögen der Primärschuldnerin ergebe, zur Gänze entrichtet worden. In der von der Gesellschaft vorgelegten Gläubigerliste seien diese Zahlungen auch als Pauschalhonorar bezeichnet worden. Dadurch, aber auch durch die vorzugsweise Befriedigung der besicherten Forderungen der Banken habe der Beschwerdeführer unter der Annahme tatsächlich fehlender Mittel zur vollständigen Abgabenentrichtung dem bestehenden Gleichbehandlungsgebot nicht entsprochen. Bei Abschluss der Kaufverträge vom 17. Oktober und 7. Dezember 1994 seien die Abgabenschuldigkeiten insofern benachteiligt worden, als der Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin den Treuhandauftrag erteilt habe, die Kaufpreise ausschließlich zu Gunsten der Forderungen der Banken zu verwenden.

Den Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Ergebnisse der Betriebsprüfung vom Oktober 1996 (fehlende Ausfuhrnachweise, formell nicht korrekte Abwicklung hinsichtlich der EUSt im Rahmen der UVA 1/1994, Zuschätzungen im Gastronomiebereich) sei entgegenzuhalten, dass im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben nicht mit Erfolg erhoben werden könnten. Die Abgaben seien gegenüber der Primärschuldnerin bescheidmäßig festgesetzt worden und es habe der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger ohnehin gegen die Abgabenbescheide Berufung eingebracht.

Da die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 12/94 nur mehr mit S 274.886,-- anstatt S 310.746,-- unberichtigt aushafte, sei der Berufung insofern stattzugeben gewesen.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer sei auch davon auszugehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung der Abgabenschuldigkeiten verwendet wurden. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. September 1999, 96/15/0049).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Der Beschwerdeführer bringt sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Auffassung der belangten Behörde, er habe die fehlenden Mittel zur Entrichtung der Abgaben nicht dargelegt, sei unrichtig. Er habe dargelegt, dass die Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Außenstände zu tilgen. Die aufgezeigte Entwicklung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Banken und Lieferanten zeige, dass die Verbindlichkeiten vom 30. November 1991 bis 31. März 1992 auf 117 % und in der Folge bis zum 31. März 1993 auf 174 % angestiegen wären. Demgegenüber würden die Buchungsmitteilungen vom 26. Februar 1993 und vom 15. Juli 1994 ein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft ausweisen und selbst noch am 9. Jänner 1995 zeige die Buchungsmitteilung den Stand des Abgabenkontos mit Null an. Daraus ergebe sich keinesfalls eine Benachteiligung, sondern eine Bevorzugung der Abgabenbehörde.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat diesem bereits im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand entgegengesetzt, dass einerseits der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt hat, dass die Gesellschaft keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gehabt habe und darüber hinaus auch nicht den Nachweis erbracht habe, dass er alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft gleich behandelt habe. Aus seinen Darstellungen könne nämlich die Einnahmensituation der Gesellschaft nicht entnommen werden.

Dieser Beurteilung durch die belangte Behörde ist beizupflichten. Nach der oben dargestellten Rechtslage haftet der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin dann nicht, wenn der Gesellschaft ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben keine Mittel zur Verfügung standen oder aber wenn er die nicht ausreichenden, nämlich zur vollständigen Befriedigung aller Verbindlichkeiten, zur Verfügung stehenden Mittel zur verhältnismäßigen Befriedigung aller Gläubiger verwendet hat. Der belangten Behörde ist nämlich zuzustimmen, dass eine Darstellung der Einnahmensituation der Primärschuldnerin in jenen Zeiträumen, zu welchen die Abgaben nicht in der geschuldeten Höhe entrichtet worden waren, erforderlich war. Das Erfordernis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der Gesellschaft durch deren Vertreter ergibt sich erst als Folge des vom Vertreter im Haftungsverfahren darzutuenden Fehlens ausreichender Mittel zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten. Dass im maßgeblichen Zeitraum der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten die Mittel zu deren vollständiger Entrichtung gefehlt hätten, hätte der Beschwerdeführer tauglich nur durch Darstellung eben auch der Einnahmensituation der Primärschuldnerin aufzeigen können (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, 98/13/0203).

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich darüber hinaus, dass die bei der Primärschuldnerin aushaftenden Abgabenschuldigkeiten zwischen dem 10. Februar 1992 und dem 16. August 1996 fällig wurden und außerdem für einzelne Abgabenschuldigkeiten eine Zahlungsfrist mit 27. Februar, 4. Dezember 1995 sowie 26. Jänner, 19. Februar, 11. Dezember und 12. Dezember 1996 bestand. Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass der Nachweis der Gleichbehandlung auch daran gescheitert sei, dass der Beschwerdeführer im September 1996 und Februar 1997 einzelne Gläubiger zur Gänze befriedigt habe. Die Befriedigung zur Gänze ergebe sich daraus, dass laut den vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufstellungen ein Pauschalhonorar bezahlt worden sei und darüber hinaus aus der vorgelegten Gläubigerliste im Konkurs ersichtlich sei, dass eben diese Gläubiger sich am Konkurs nicht beteiligt hätten.

Der Beschwerdeführer bringt dazu nur vor, es sei nicht ausreichend festgestellt worden, ob die Honorare zur Gänze beglichen worden seien und ob die Zahlung aus dem Vermögen der Primärschuldnerin erfolgt sei. Mit dieser bloßen Behauptung vermag er jedoch einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen.

In der Haftungssumme ist auch die Umsatzsteuer für 12/94 und 5/95, jeweils herrührend aus Liegenschaftsverkäufen, enthalten. Nach dem Akteninhalt trat die Fälligkeit dieser Abgaben zum 15. Februar 1995 bzw. 17. Juli 1995 ein und wurde für die Umsatzsteuer 5/95 eine Zahlungsfrist mit 4. Dezember 1995 vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer meint, diese Umsatzsteuerbeträge seien aus der Haftungssumme auszuscheiden. Der Erlös aus den Liegenschaftsverkäufen sei zur Gänze den kreditierenden Banken zugeflossen. Diesen sei zur Sicherung ihrer Forderung mit Pfandbestellungsurkunde vom 21. Jänner bzw. 12. September 1992 eine grundbücherliche Hypothek eingeräumt worden. Zu diesen Zeitpunkten habe er nicht damit rechnen müssen, durch den Vertragsabschluss der Gesellschaft liquide Mittel zu entziehen, wodurch es ihm in weiterer Folge unmöglich gemacht wurde, Abgabenschulden zu entrichten. Bei den Liegenschaftsverkäufen habe er auf Grund dieser Pfandrechte keine gesetzliche Möglichkeit gehabt, neben der ausschließlichen Befriedigung der Pfandgläubiger auch die Abgaben zu entrichten.

Weiters meint der Beschwerdeführer, die erst auf Grund der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung vom Oktober 1996 vorgeschriebene Umsatzsteuer (fehlende Ausfuhrnachweise, formell nicht korrekte Abwicklung hinsichtlich der EUSt im Rahmen der UVA 1/94, Zuschätzungen im Gastronomiebereich) sei aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden. Er habe seinerzeit die Abgabenerklärungen entsprechend seiner - vertretbaren - Auffassung abgegeben und die Abgaben entrichtet. Der Umstand, dass die Abgabenbehörde seine - wenngleich unrichtige - Rechtsansicht nicht teile, führe noch nicht zu einem haftungsbegründenden Verschulden seinerseits.

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Zunächst ist der Beschwerdeführer daran zu erinnern, dass er gegen die Abgabenbescheide betreffend die Primärschuldnerin nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren Berufung erhoben hat. Wenn Abgaben gegenüber dem Primärschuldner bescheidmäßig festgesetzt sind und der zur Haftung Herangezogene sohin gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid betreffend den Abgabenanspruch Berufung erheben kann (und laut Vorbringen im Beschwerdefall auch getan hat), können im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben nicht mit Erfolg erhoben werden. Gleichwohl ist es aber unter dem Aspekt des dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Verschuldens an der Verletzung der Vertreterpflichten beachtlich, wenn er auf Grund eines Rechtsirrtums die Entrichtung der Abgaben unterlassen hat und ihm ausnahmsweise ein solcher Rechtsirrtum nicht vorzuwerfen wäre. Dass ein derartiger, nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum vorgelegen wäre, wird aber mit dem bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung des Beschwerdeführers in keiner Weise dargetan (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, 96/15/0269).

Schließlich übersieht der Beschwerdeführer, dass die Gesellschaft nach den in einem mängelfreien Verfahren zu Stande gekommenen Feststellungen noch über liquide Mittel verfügte, als die frühere fehlerhafte Selbstberechnung von Umsatzsteuern aufgedeckt (und die Abgaben bescheidmäßig vorgeschrieben) wurde. Solcherart durfte die belangte Behörde auch dann von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgehen, wenn die (nach Ansicht des Beschwerdeführers zunächst unverschuldet verkürzten) Selbstbemessungsabgaben nach Entdeckung der Verkürzung schlechter behandelt wurden als die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies trifft aber auch für die Umsatzsteuerschuld der Gesellschaft aus den Liegenschaftsverkäufen zu. Die dadurch entstandene Umsatzsteuerschuld ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bei Feststellung der gleich zu behandelnden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Lediglich die aus den Verkäufen erzielten Erlöse und deren Verwendung zur Begleichung der pfandrechtlich gesicherten Schulden könnten, wenn die Meinung des Beschwerdeführers zutreffend wäre, bei Prüfung der Gleichbehandlung außer Acht gelassen werden. Da aber nach den Feststellungen noch im September 1996 und Februar 1997 einzelne Gläubiger voll befriedigt wurden, und dies eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter im Sinne der obigen Ausführungen darstellt, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. April 2002

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