VwGH 99/03/0417

VwGH99/03/041713.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des Dr. O in Wien, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 14, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. September 1999, Zl. LGSW/Abs. 10-AlV/1218/56/1999-1786, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe,

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

I) den Beschluss gefasst:

Der Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 5. August bis 16. September 1999 wird zurückgewiesen;

II) zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 472,37 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage wurde mit dem Beschwerdeführer die Niederschrift vom 14. Juli 1999 aufgenommen. Darin heißt es, dass der Beschwerdeführer am 5. August 1999 die Wiedereingliederungsmaßnahme "Gruppencoaching" nicht antreten werde. Als "Stellungnahme zur Nichtannahme" heißt es, dass der Beschwerdeführer "weitere Rechtsträger für sein Forschungsprojekt (und Finanzierung) kontaktieren und zu gewinnen versuchen möchte". Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, seitens des AMS das Projekt zu betreuen bzw. zu managen. Das Kursangebot sei daher seines Erachtens in keiner Weise zielführend, es müsste Rücksprache mit seiner Beraterin Dr. L. gehalten werden.

In der für die "Stellungnahme, mit welchem Ziel die konkrete Maßnahme angeboten wurde, inklusive kurzer Darstellung der Berufslaufbahn bzw. bisherigen Betreuungsaktivitäten" heißt es:

"Gruppencoaching für LZAL - müßte bekannt sein".

Mit Bescheid vom 13. August 1999 sprach das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste (Wien) aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m.

§ 10 AlVG für die Zeit vom 5. August 1999 bis 15. September 1999 verloren habe; eine Nachsicht werde nicht erteilt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid.

Nach der Bescheidbegründung sei im Berufungsverfahren festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice am 1. Juli 1999 ein Gruppencoaching angeboten worden sei, das der Beschwerdeführer nicht angetreten habe. Ziel der Wiedereingliederungsmaßnahme "Jobcoaching" sei es, Arbeitslosen Wege zum optimalen Arbeitsplatz aufzuzeigen. Es handle sich hiebei um eine praxisorientierte Maßnahme, die sich mit nachstehenden Themen befasse:

5.8. bis 16.9. zuzuerkennen. In eventu beantrage ich, den Bescheid aufzuheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 5. August 1999 bis 16. September 1999 genügt der Hinweis, dass gemäß § 42 Abs. 1 VwGG dem Verwaltungsgerichtshof - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Säumnisbeschwerde - lediglich die Befugnis zusteht, entweder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder den angefochtenen Bescheid aufzuheben; reformatorisch kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Bescheidbeschwerde nicht tätig werden.

Im Übrigen ist aber die Beschwerde schon in Ansehung des darin enthaltenen Hinweises auf die hg. Rechtsprechung, wonach die Zuweisung zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Nachweises bedürfe, dass der Arbeitslose ohne diese Wiedereingliederungsmaßnahme nicht in der Lage sei, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen, begründet.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- bzw. umschulen zu lassen oder an einer Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.

§ 10 Abs. 1 AlVG bestimmt (u.a.), dass der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, wenn er sich ohne wichtigem Grund weigert, einem Auftrag zur Nach-(Um-)schulung zu entsprechen oder ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert.

Diese Bestimmungen sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0132, und die dort zitierte Vorjudikatur) ausgeführt, es könne aus den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG nicht abgeleitet werden, dass es im freien Belieben des Arbeitsamtes stünde, einen Arbeitslosen (auch einen Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung vermöge sich insbesondere auch nicht auf die vom Arbeitslosen (auch wiederholt) an den Tag gelegte Arbeitsunwilligkeit, eine ihn durch das Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu stützen. Für eine solche Maßnahme sei vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend seien. Das Arbeitsamt habe diese Voraussetzung zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung -

zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulungsmaßnahme teilzunehmen, könne dem gemäß nur dann gesprochen werden, wenn diese Zuweisung sich konkret auf eine solche Maßnahme beziehe und in objektiver Kenntnis des Inhaltes und der Zumutbarkeit sowie Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolge.

Diese Subsidiarität gilt - angesichts des nach wie vor bestehenden Primates der Eingliederung bzw. Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch seine eigenen, von ihm zu entfaltenden Bemühungen oder durch das Arbeitsamt - in entsprechender Weise auch im Verhältnis zu einer Maßnahme der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dem gemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahmen teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es daher solcher Maßnahmen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsamt das Ergebnis ihres diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme ablehnt (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Davon ausgehend wäre es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erforderlich, dass hinsichtlich der objektiven Notwendigkeit der gegenständlichen Maßnahme dem Beschwerdeführer anlässlich der Zuweisung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und der Notwendigkeit gerade dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung dargelegt worden wäre. Die Niederschrift vom 14. Juli 1999 hält diesbezüglich aber lediglich fest, "Gruppencoaching für LZAL - müßte bekannt sein". Damit ergibt sich aber auf Basis der Bescheidfeststellungen keine rechtswirksame Zuweisung des Beschwerdeführers zu der in Rede stehenden Maßnahme, weil nicht feststeht, dass dem Beschwerdeführer dargelegt worden wäre, welche Fähigkeiten ihm für eine erfolgreiche Vermittlung am Arbeitsmarkt abgingen und inwieweit gerade durch den Besuch der in Rede stehenden Maßnahme diese Fähigkeiten hätten vermittelt werden sollen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 13. November 2002

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