VwGH 99/03/0201

VwGH99/03/020116.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden des H in Wien, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 24, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien 1.) vom 31. März 1999, Zl. LGSW/Abs. 10-AlV/1218/56/1998-1794, und 2.) vom 31. März 1999, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-1, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
GmbHG §89 Abs1;
GmbHG §90;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
GmbHG §89 Abs1;
GmbHG §90;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 291,-- und EUR 332,--, insgesamt daher EUR 623,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 10. April 1995 beantragte der Beschwerdeführer mit dem bundeseinheitlich aufgelegten Formblatt Arbeitslosengeld. In dem vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschriebenen Antragsformblatt wurde bei der Frage 4. ("Ich stehe derzeit in Beschäftigung") das für die Antwort "nein" geltende Kästchen angekreuzt. In weiterer Folge machte der Beschwerdeführer mit Antrag vom 9. April 1996 seinen Anspruch auf Notstandshilfe geltend, wobei ebenfalls die Frage, ob der Beschwerdeführer eine Beschäftigung ausübe, verneint wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Bescheid wurde für den Zeitraum vom 11. April 1995 bis 8. April 1996 das dem Beschwerdeführer gewährte Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und ein Betrag von S 122.304,-- als unberechtigt empfangen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof zweitangefochtenen Bescheid wurde für den Zeitraum vom 9. April 1996 bis 14. Mai 1996 die gewährte Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und ein Betrag von S 11.171,-- als unberechtigt empfangen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert.

Beide Bescheide werden in der Sache übereinstimmend damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für die in Frage stehenden Zeiträume zu Unrecht bezogen habe, weil er als Liquidator laufend in einem organschaftlichen Verhältnis zur Firma S GmbH gestanden und somit Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe seit 1. September 1992 die S GmbH als Liquidator vertreten. Sein letztes versicherungspflichtiges Dienstverhältnis bei dieser Firma habe vom 5. Juli 1993 bis 25. Jänner 1995 gedauert. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses sei das organschaftliche Verhältnis aufrecht geblieben. Die organschaftliche Stellung habe erst mit Löschung der Firma mit 15. Mai 1996 geendet. Die Behörde erster Instanz habe keine rechtliche Veranlassung gehabt, den Beschwerdeführer zu seinen Einkommensverhältnissen, insbesondere zum Einkommen aus der Liquidatorentätigkeit, zu befragen, weil der Beschwerdeführer einerseits die Frage nach einer Beschäftigung verneint habe und andererseits auf das aufrechte organschaftliche Verhältnis zur Gesellschaft abzustellen sei. Das Einkommen des Beschwerdeführers sei auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit unerheblich. Da es sich bei der Entscheidungsfindung um die Klärung einer reinen Rechtsfrage gehandelt habe, liege auch keine Verletzung des Parteiengehörs vor.

Hinsichtlich der Rückforderung wird in den Begründungen der angefochtenen Bescheide (übereinstimmend) im Wesentlichen ausgeführt, zu den Angaben des Beschwerdeführers, bereits bei Beantragung des Arbeitslosengeldes am 10. Mai 1995 (offenbar gemeint: 10. April 1995) seine Liquidatorentätigkeit bekannt gegeben zu haben, sei festzustellen, dass sich diesbezüglich im Akt keine Anhaltspunkte finden ließen. Vielmehr habe der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste - nachdem dem Arbeitsmarktservice seine Tätigkeit im Juli 1998 bekannt geworden sei - erstmals am 11. August 1998 telefonisch konkret mitgeteilt, Liquidator zu sein. Anlässlich der persönlichen Vorsprache bei der Berufungsbehörde habe der Beschwerdeführer bekräftigt, bei der Antragstellung dem Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste seine Tätigkeit bekannt gegeben zu haben. Ihm wurde zur Kenntnis gebracht, dass sich seine zuständige Bearbeiterin daran nicht mehr erinnern könne und sich auch im Akt kein diesbezüglicher Vermerk befinde. Lediglich in der EDV des Arbeitsmarktservice finde sich ein Vermerk vom 27. Juni 1995, wonach der Beschwerdeführer bei seiner ex-Firma die Liquidation erledigen müsse. Dies stelle allerdings keine konkrete Meldung im Sinne des § 50 AlVG dar.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

In den gleich lautenden Beschwerden wird vorgebracht, die belangte Behörde hätte nicht nur auf den Umstand abstellen dürfen, ob der Beschwerdeführer die Liquidatorentätigkeit ausübe. Es hätte eine Überprüfung stattfinden müssen, ob er aus dieser Tätigkeit tatsächlich Bezüge von der S GmbH i.L. bezogen habe.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Die Arbeitslosigkeit ist auf Grund des § 7 Abs. 1 und 2 AlVG eine Anspruchsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu Geschäftsführern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausgeführt, dass zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dem Anstellungsvertrag unterschieden werden muss. Durch die Bestellung wird die körperschaftsrechtliche Funktion des Geschäftsführers mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten begründet. Durch den Anstellungsvertrag werden die zusätzlichen, rein schuldrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zur Gesellschaft geregelt. Sein Hauptinhalt auf Seiten des Geschäftsführers ist die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgezeichneten Verpflichtungen zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung. Bereits durch den wirksamen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt ergibt sich im Wesentlichen die Pflicht des Geschäftsführers zur Geschäftsführung, sodass der Anstellungsvertrag eine bloße Ergänzung des Organverhältnisses bewirkt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Slg. Nr. 14.194/A).

Durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird nicht einmal die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers (soweit sie mit der Innehabung der Funktion nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist) zur Gänze ausgesetzt, sondern es wird nur die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgegebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung, also das "Wie" der Ausübung derselben, aufgehoben. Die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses allein vermag daher die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht zu bewirken und den Anspruch auf Arbeitslosigkeit nicht zu begründen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138).

Da die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers aber nach wie vor besteht, ist es auch gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin ein Entgelt erhält oder nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/08/0181). Auch auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0205).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ändert es ferner nichts, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Konkurses als aufgelöst gilt. Auch damit wird die Organstellung des Geschäftsführers nicht beendet, mag sich auch der Aufgabenkreis durch den Übergang von der werbenden Gesellschaft zur liquidierenden Gesellschaft geändert haben. Selbst wenn ein großer Teil der Befugnisse des Geschäftsführers zufolge der Konkurseröffnung auf den Masseverwalter übergegangen ist, besteht die Organstellung des Geschäftsführers, wenn auch mit eingeschränktem Pflichtenkreis, fort. Arbeitslosigkeit liegt daher auch in einem solchen Fall nicht vor (vgl. z.B. die hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0380, und vom 8. September 1998, Zl. 98/08/0165).

Von der dargestellten Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst. Insofern ist es aber, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, nicht von Bedeutung, ob er für seine Liquidatorentätigkeit tatsächlich Bezüge von der S GmbH i.L. bezogen hat.

Da die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unbedingte Voraussetzung für die Arbeitslosigkeit ist und schon dadurch, dass die Pflicht zur allfälligen Tätigkeit weiterhin auf Grund der Organstellung gegeben war, vermag auch keine Rechtswidrigkeit der in Beschwerde gezogenen Bescheide aufgezeigt zu werden, wenn weiters vorgebracht wird, im Rahmen einer Befragung des Beschwerdeführers hinsichtlich allfälliger Anrechnungen von Unterhaltszahlungen hätte der Umstand festgestellt werden müssen, dass er für zwei Kinder insgesamt S 6.200,-- zu bezahlen habe.

Dass im Übrigen der Beschwerdeführer während der gesamten Dauer der von der belangten Behörde herangezogenen Zeiträume die organschaftliche Stellung eines Geschäftsführers der S GmbH i.L.

innegehabt hatte, ist unbestritten.

Die Beschwerden sind aber auch nicht begründet, soweit sie

sich gegen die Rückforderung wenden.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des

Arbeitslosengeldes (gemäß § 25 Abs. 1 i.V.m. § 38 AlVG der Empfänger der Notstandshilfe) u.a. bei Einstellung und Widerruf der Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe seine Liquidatorentätigkeit im Rahmen der Antragstellung pflichtgemäß gemeldet. Der Hinweis der belangten Behörde ein bei ihr aufliegender Aktenvermerk wäre nicht konkret genug, hätte zumindest zu einem Auftrag führen müssen, diese Tätigkeit zu konkretisieren. Dieser Aktenvermerk aus 1995 sei ein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer der Sachbearbeiterin sehr wohl diesen Umstand bekannt gegeben habe. Von einem Verschweigen könne somit keine Rede sein.

Mit diesem Vorbringen vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden, hat doch der Beschwerdeführer - unbestritten - in den jeweils den Zuspruch von Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe zu Grunde liegenden Anträgen die Frage nach einer Beschäftigung verneint. Nach den Bestimmungen des AlVG ist jede Antragstellung unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars vorzunehmen. Diese Art der Antragstellung soll sicherstellen, dass durch eine gezielte, schriftliche, mit Erläuterungen in Form von Beispielsfällen versehene Befragung der Antragsteller möglichst alle für Grund und Ausmaß des Anspruches auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bedeutsamen Umstände erhoben werden. Die Angaben im Antragsformblatt sollen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 96/08/0352, und die dort zitierte Vorjudikatur) die zur Entscheidung über diesen Antrag auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung berufene Behörde in die Lage versetzen, ihrerseits auf Grund der im konkreten Antragsformular enthaltenen Angaben zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht.

Mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen vermag die Unwahrheit der in Frage stehenden Angaben des Beschwerdeführers in den jeweiligen Anträgen weder erklärt noch gerechtfertigt zu werden. Ist es doch vor dem diesbezüglich nicht näher konkretisierten Beschwerdevorbringen nicht als schlüssig anzusehen, dass der Beschwerdeführer, wenn er die Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes über seine Beschäftigung informiert haben sollte, dennoch in den Anträgen die diesbezügliche Frage mit nein beantwortet hätte; es wäre - im Gegenteil - eher anzunehmen, dass in einem solchen Fall in den Anträgen die diesbezügliche Frage mit ja beantwortet würde. An der Unwahrheit der in Frage stehenden Angaben des Beschwerdeführers in den jeweils den Zuspruch von Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe zu Grunde liegenden Anträgen ändert auch die Eintragung in der Service-EDV vom 27. Juni 1995 "RS hat fix DV in D in Aussicht, muss jedoch noch Ex-Fa.Liquidation erledigen" nichts.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, und die dort zitierte Vorjudikatur) nicht schon die objektiv unrichtige (den unberechtigten Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe herbeiführende) Verneinung einer relevanten Frage im Antragsformular die Rückersatzverpflichtung nach § 25 Abs. 1 AlVG wegen "unwahrer Angaben" oder "Verschweigung maßgebender Tatsachen" begründet; schon die Wendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "Verschweigen" deutet nämlich auf eine subjektive Komponente hin, das heißt darauf, dass von jenem Arbeitslosengeld nicht zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat. Derartiges hat der Beschwerdeführer aber in Bezug auf die unstrittig von ihm verneinte Frage nach einer Beschäftigung nicht behauptet und ist - nach seinem gesamten Vorbringen - auch auszuschließen.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Vorlageaufwand, der nur einmal zuzusprechen war, weil die Verwaltungsakten gemeinsam zu beiden Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden.

Wien, am 16. Oktober 2002

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