VwGH 99/02/0220

VwGH99/02/022020.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und Hofrat Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des PK in K, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in 9400 Wolfsberg, Freidlgasse 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 4. Juni 1999, Zl. KUVS-K1-228-230/6/99, betreffend Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §31 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §31 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 11. Jänner 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der K. BaugesmbH. mit Sitz in K. zu verantworten, dass - wie anlässlich einer Unfallerhebung am 17. August 1998 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Leoben festgestellt worden sei - auf einer näher bezeichneten Baustelle der Arbeitnehmer J.K. mit Stemmarbeiten in einer Höhe von ca. 2,70 m über Niveau an der südwestlichen Hausfassade des Rohbaues einer näher bezeichneten Wohnung beschäftigt gewesen sei und

"1. die Mauer, bei welcher diese Stemmarbeiten durchgeführt wurden, weder gestützt oder gefangen noch durch andere geeignete Mittel gegen Umfallen gesichert war. Bei einer im rechten Winkel dazustehenden Innenmauer war die umgestürzte Mauer nur einmal eingebunden; Abstützungen, welcher Art auch immer, waren nicht vorhanden, obwohl für die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren die hiefür notwendigen und geeigneten Betriebseinrichtungen, sonstige mechanische Einrichtungen und Betriebsmittel mit den notwendigen Schutzvorrichtungen zur Verfügung zu stellen oder geeignete Schutzmaßnahmen anderer Art zu treffen sind, um einen möglichst wirksamen Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern zu gewährleisten,

2. die oa. Stemmarbeiten von einem ca. 30 cm breiten Holzpfosten aus durchgeführt wurden, der auf die Unterstellungen für die Balkonplatten gelegt wurde, obwohl Standflächen unter Berücksichtigung der auszuführenden Arbeiten ausreichend groß gestaltet sein müssen und

3. auf diesem erhöhten Stand- und Arbeitsplatz (ca. 30 cm breiter Holzpfosten) mit einer Absturzhöhe von ca. 2,70 m keine geeigneten Schutzmaßnahmen wie Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren, obwohl hier Stemmarbeiten durchgeführt wurden und Absturzgefahr bestand."

Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 130 Abs. 1 Z 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994 (ASchG), in Verbindung mit § 118 Abs. 3 ASchG und § 17 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994,

2. § 130 Abs. 1 Z 19 in Verbindung mit § 118 Abs. 3 ASchG und § 6 Abs. 2 BauV,

3. § 130 Abs. 1 Z 19 in Verbindung mit § 118 Abs. 3 ASchG und § 7 Abs. 1 und 2 Z 4 BauV.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer folgende Geldstrafen verhängt: zu 1. S 40.000,--, zu 2. S 20.000,--, zu 3. S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe insgesamt drei Tage).

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass in den Spruchteilen 1 bis 3 an Stelle der verletzten Rechtsvorschrift "§ 130 Abs. 1 Z 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. 450/1994 idgF" durch "§ 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. 450/1994 idgF" ersetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. April 1999 davon aus, dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. BaugesmbH. mit Sitz in K. sei. Am 17. August 1998 habe der Arbeitnehmer der K. BaugesmbH., J.K., im Bereich der südwestlichen Außenmauer des Obergeschosses an einer näher bezeichneten Baustelle in einer Höhe von ca. 2,70 m Stemmarbeiten zwecks Ermöglichung des Einschubes von Fertigbalkonen durchgeführt. Dabei sei die Mauer eingestürzt, da keinerlei Schutzmaßnahmen angebracht gewesen seien. Der Verunfallte sei von Beruf Maurer und seit 1990 bei der K. BaugesmbH. beschäftigt. Er sei ein verlässlicher Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer sei ungesichert auf einem ca. 30 cm breiten Holzpfosten gesessen und sei mit der Mauer umgefallen, die weder gestützt oder gefangen, noch durch andere geeignete Mittel am Unfallen gehindert gewesen sei (an eine im rechten Winkel zustehende Innenmauer sei die Wand nur einmal eingebunden gewesen). Der Arbeitnehmer habe den Arbeitsauftrag gehabt, den Schlussziegel von innen mit einem Montiereisen zu entfernen, damit in der Folge die Fertigbalkone mittels eines Kranes eingeschoben werden könnten.

Zum Tatzeitpunkt sei die K. BaugesmbH. auf ca. zehn Baustellen tätig gewesen. Die Poliere seien vom Beschwerdeführer angewiesen worden, auf die Arbeitnehmerschutzvorschriften zu achten und diese einzuhalten. Der Beschwerdeführer habe die Baustellen mindestens einmal wöchentlich besucht. Zum Tatzeitpunkt sei er nicht auf der Baustelle gewesen. Er habe nicht mit dem Polier darüber gesprochen, wie im Einzelnen die unfallgegenständliche Mauer zu errichten gewesen wäre. Dies sei in der Selbstverantwortung des Poliers O.W. gelegen. Bei den Baustellenbesuchen seien die technischen Gegebenheiten und die Arbeitnehmerschutzangelegenheiten immer wieder besprochen worden. Die für die Sicherheit der Baustelle erforderlichen Gerätschaften seien vorhanden gewesen. Insbesondere seien auch Schutzbekleidung und Schutzhelme ausgefolgt worden. Bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen handle es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Es müsse durch Maßnahmen, die der Verhütung von beruflich bedingten Unfällen und Erkrankungen der Arbeitnehmer dienen, für eine dem allgemeinen Stand der Technik und der Medizin entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen Sorge getragen werden, um dadurch bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit einen möglichst wirksamen Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu erreichen. Für einen Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG sei es erforderlich, dass der Beschuldigte darlege, dass er im Betrieb ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet habe, von dem mit gutem Grund erwartet werden könne, dass tatsächlich die Einhaltung der gegenständlichen Bestimmungen sichergestellt werde. Der Beschwerdeführer habe auf der Baustelle einen Polier bestellt, diesen jedoch nicht im Sinne des § 23 Arbeitsinspektionsgesetz dem Arbeitsinspektorat als Verantwortlichen gemeldet. Es bleibe daher seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer aufrecht. Da der Beschwerdeführer lediglich ca. einmal wöchentlich die Baustellen besucht habe, könne vom Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht gesprochen werden. Auch das ins Treffen geführte eigenmächtige Handeln des verunfallten Arbeitnehmers entlaste den Beschwerdeführer nicht, weil er nicht den Nachweis zu erbringen vermocht habe, dass von ihm solche Maßnahmen getroffen worden seien, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hätten erwarten lassen.

Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen erheblich sei, da es durch das Umstürzen der Mauer zu einem lebensgefährlichen Arbeitsunfall gekommen sei. Erschwerend seien auch sechs einschlägige Vormerkungen zu berücksichtigen gewesen. Milderungsgründe seien nicht hervorgekommen.

§ 6 Abs. 2 BauV lautet:

"(2) Standflächen sind unter Berücksichtigung der Art der auszuführenden Arbeiten ausreichend groß und tragsicher zu gestalten. Bei vereisten Stand- und Verkehrsflächen müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden, durch die eine Gefährdung der Arbeitnehmer verhindert wird."

§ 7 BauV lautet samt Überschrift:

"Absturzgefahr

§ 7 (1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

(2) Absturzgefahr liegt vor:

1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

2. an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen über Gewässern oder anderen Stoffen, in denen man versinken kann,

3. an Wandöffnungen, an Stiegenläufen und -podesten sowie an Standflächen zur Bedienung oder Wartung von stationären Maschinen bei mehr als 1,00 m Absturzhöhe,

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe...."

§ 17 Abs. 2 BauV lautet:

"(2) Die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren hat derart zu erfolgen, dass unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der technischen Möglichkeiten und der besonderen betrieblichen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen gegeben sind, durch die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. Dementsprechend sind die hiefür notwendigen und geeigneten Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen und Betriebsmittel mit den notwendigen Schutzvorrichtungen zur Verfügung zu stellen oder geeignete Schutzmaßnahmen anderer Art zu treffen."

§ 118 Abs. 3 ASchG lautet:

"(3) Die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. ..."

§ 130 Abs. 5 AschG lautet:

"(5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2 000 S bis 100 000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4 000 S bis 200 000 S zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

1. den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

2. die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält."

Im Beschwerdefall steht fest, dass der Beschwerdeführer keinen für die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlichen Beauftragten (vgl. § 23 ArbIG iVm § 9 VStG) namhaft gemacht hat. Er hat aber ausgeführt, dass der an der betreffenden Baustelle eingesetzte Polier (betriebsintern) für die Einhaltung dieser Vorschriften verantwortlich gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der hg. Judikatur auch der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 2000/02/0022).

Mit dem Vorbringen, der beauftragte Polier habe dem Verunfallten ausdrücklich vor Beginn der Arbeiten eine konkrete Weisung erteilt, wie dieser die vorgemauerten Ziegel zu entfernen habe, gelingt es dem Beschwerdeführer daher nicht, den Bestand eines funktionstüchtigen Kontrollsystems unter Beweis zu stellen. Ebenso wenig kann daraus, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers der Verunfallte die ihm aufgetragenen Arbeiten für die Vorbereitung des Einschiebens von Fertigbalkonen bei 14 von 15 Balkonen ordnungsgemäß erbracht, lediglich am 15. und letzten Balkon aber weisungswidrig gearbeitet habe, auf die Funktionstüchtigkeit eines solchen vom Beschwerdeführer behaupteten Systems geschlossen werden. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht, dass er etwa die Einhaltung der dem verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte.

Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinne der hg. Judikatur vorhanden war (vgl. zum Ganzen abermals das angeführte Erkenntnis vom 23. November 2001).

Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie davon ausgeht, dass sich das Kontrollsystem des Beschwerdeführers als unzureichend erwiesen hat.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde bei der Strafbemessung unrichtig geübtes Ermessen vorwirft, ist ihm entgegenzuhalten, dass Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung dann nicht vorliegt, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Demgemäss obliegt es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0014, mit weiteren Nachweisen). Angesichts eines Strafrahmens von S 2.000,-- bis zu S 100.000,-- und angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach wegen der Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften rechtskräftig bestraft werden musste, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde ihren Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Strafhöhen überschritten hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Zl. 86/10/0164).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Dezember 2002

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