VwGH 97/13/0123

VwGH97/13/012325.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des S in Wien, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 11. April 1997, Zl. GA RV/053-15/14/97, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1980 bis 1982, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §280;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §63 Abs1;
BAO §280;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 39,24 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren einen Textilbetrieb und eine Werbeagentur. Außerdem war er als Universitätslektor und Publizist tätig und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im Gefolge dreier abgabenbehördlicher Prüfungen für den Streitzeitraum war mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 2. Oktober 1989 die Einkommen- und Gewerbesteuer festgesetzt worden. Mit dem Vorerkenntnis vom 20. November 1996, 89/13/0259, wurde dieser Bescheid aufgehoben. Der Gerichtshof hatte in sechs vom Beschwerdeführer bekämpften Bereichen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides festgestellt, während zu acht vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen, darunter zur Schätzung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und zum Schätzungsausmaß (der Beschwerdeführer hatte seine Tätigkeit als Werbemittler einerseits, als Schriftsteller, Journalist und Lehrbeauftragter andererseits nicht aufgegliedert, die Behörde hatte 30 % davon den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zugeordnet) und der Vorläufigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1980 bis 1982, die Beschwerde als unbegründet erachtet.

Im fortgesetzten Verfahren gab die nunmehr belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers in all jenen Punkten statt, in denen der Verwaltungsgerichtshof zuvor eine Rechtswidrigkeit des von ihm aufgehobenen Bescheides gefunden hatte. Hinsichtlich der übrigen Berufungspunkte, somit zu Fragen in denen der Gerichtshof die Beschwerde gegen den im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheid für unbegründet befunden hatte, verwies die belangte Behörde auf das Vorerkenntnis sowie die damit aufgehobene Berufungsentscheidung aus dem ersten Rechtsgang. Aus diesem Grund sei auch betreffend Vorläufigkeit der Einkommensteuerbescheide keine Änderung eingetreten. Dementsprechend setzte sie die Einkommen- und Gewerbesteuer für die Streitjahre fest. Insbesondere übernahm sie aus dem ersten Rechtsgang die Schätzung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (aus schriftstellerischer und journalistischer Tätigkeit) mit 30 % und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Werbemittelung) mit 70 %.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde nicht vorläufig, sondern endgültig hätte veranlagen müssen, denn neun Jahre nach Einbringung der ersten VwGH-Beschwerde bestünde keine Ungewissheit mehr. Mangels Parteiengehör habe er auch nicht die innerhalb der letzten Jahre eingetretene "V+V-Einnahmen-Überschussentwicklung" darlegen können.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer führt weder an, welche seit Erlassung des aufgehobenen Bescheides vom 2. Oktober 1989 der belangten Behörde zur Kenntnis gebrachte Umstände betreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von dieser zu berücksichtigen gewesen wären, noch legt er in der Beschwerde dar, in wie weit sich die im aufgehobenen Bescheid dargestellten Verhältnisse geändert hätten und die Ungewissheit über den Umfang der Abgabepflicht hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung weggefallen wäre.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe am 11. März 1994 einen vorbereitenden Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters in einem gegen die R. GesmbH geführten Arbeitsgerichtsprozess übermittelt, aus dem seine monatlich entlohnte Tätigkeit seit 1. September 1973 hervorgehe. In einer Sachverhaltsdarstellung vom 14. März 1994 betreffend die Jahre 1973 bis 1993 habe er dem Finanzamt S. betreffend die R. GesmbH mitgeteilt, dass er beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eine Feststellungsklage hinsichtlich des Bestehens eines Dienstverhältnisses seit 1973 eingebracht habe. Am 28. April 1994 habe er ein Finanzamt in Wien über den Fortgang dieses Arbeitsgerichtsverfahrens informiert und neuerlich der Abgabenbehörde erster Instanz den vorbereitenden Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters mit dem Hinweis auf den gesamten betroffenen Zeitraum seit 1973 übermittelt. Betreffend die Einkommensteuer 1986 bis 1992 habe die belangte Behörde bis zur Beendigung des beim Arbeits- und Sozialgericht anhängigen Verfahrens die Entscheidung gem. § 281 BAO ausgesetzt. Im "bei der belangten Behörde im Akt befindlichen Vorlageantrag vom 12. Dezember 1995 betreffend die Jahre 1986 bis 1992" werde neuerlich auf den Schriftsatz seines Anwalts im Arbeitsgerichtsverfahren hingewiesen. Die belangte Behörde habe ohne weitere eigene Begründung auf das Vorerkenntnis und die damit aufgehobene Berufungsentscheidung verwiesen und die Zuordnung von 30 % der vom Finanzamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellten Einkünfte zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit unverändert übernommen. Tatsächlich sei die im ersten Rechtsgang aus Rechnungen der R. GesmbH abgeleitete journalistische Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt und habe einen größeren Anteil als den von der belangten Behörde bestätigten von 30 % ausgemacht, was den im angefochtenen Bescheid übergangenen Eingaben zu entnehmen sei.

Dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die Begründung des vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorerkenntnis vom 20. November 1996 aufgehobenen Bescheides und auf dieses Erkenntnis verweist, ist zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 89/14/0149, VwSlg 6957/F).

Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist gemäß § 280 BAO Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Im Sinne dieser Bestimmung bedeutet dabei "im Laufe des Berufungsverfahrens" so lange, als es nicht abgeschlossen ist. Abgeschlossen ist ein Berufungsverfahren erst dann, wenn eine wirksame Berufungsentscheidung erging (vgl. das denselben Beschwerdeführer hinsichtlich der Umsatzsteuer für dieselben Streitjahre betreffende hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2000, 97/13/0187, mwN). Dabei ist davon auszugehen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz, deren Bescheid Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist, in den Zuständigkeitsbereich der Rechtsmittelbehörde fällt. Langen daher "neue Tatsachen, Beweise und Anträge" im Laufe des Rechtsmittelverfahrens bei der Abgabenbehörde erster Instanz ein, so befindet sich das entsprechende Anbringen in der der Berufungsbehörde zuzurechnenden Sphäre und ist im Sinne des § 280 BAO von der Rechtsmittelbehörde zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2001, 2000/13/0175).

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit den erwähnten, bei der zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz eingelangten Anbringen nicht auseinandergesetzt, obwohl damit vom Beschwerdeführer offenkundig hinsichtlich eines Teiles seiner Tätigkeit die Selbstständigkeit und damit die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bestritten worden ist.

Zu der an das Finanzamt S., Strafsachenstelle, gerichteten "Sachverhaltsdarstellung" vom 14. März 1994 betreffend die Jahre 1973 bis 1993 ist zu erwähnen, dass in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten eine Ablichtung dieses Schreibens mit dem Eingangsstempel des zuständigen Finanzamtes als Abgabenbehörde erster Instanz vom 25. April 1994 enthalten ist.

Die belangte Behörde verweist in der Gegenschrift darauf, dass der Beschwerdeführer nach dem - einem vorbreitenden Schriftsatz vom 18. März 1994 zufolge - von der R. GesmbH vertretenen Rechtsstandpunkt nicht deren Dienstnehmer gewesen sei. Dazu genügt der Hinweis, dass eine im angefochtenen Bescheid fehlende Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. November 2001, 96/13/0077, und vom 18. Dezember 2001, 99/15/0122).

Soweit sich die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf zurückzieht, dass die Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers vom 14. April 1994 im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung hinsichtlich Einkommensteuer 1992 eingebracht worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Sachverhaltsdarstellung an das Finanzamt S., Strafsachenstelle, gerichtet war und nicht als Antwort auf einen Vorhalt erkennbar ist. Andererseits führt die Sachverhaltsdarstellung ausdrücklich die Jahre 1973 bis 1993 an und wurde - aus dem Eingangsstempel auf der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtung ersichtlich - dem zuständigen Finanzamt als Abgabenbehörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht. Sollte in der Gegenschrift das vom Beschwerdeführer erwähnte Schreiben vom 28. April 1994 gemeint sein, ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass dieses Schreiben in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten ist.

Da sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit den bezeichneten Anbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000 war der Betrag in Euro auszudrücken. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft den Schriftsatzaufwand, für dessen Zuerkennung § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG voraussetzt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Der Beschwerdeführer brachte wohl im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG die Unterschrift eines Rechtsanwaltes bei, war von diesem aber nicht vertreten.

Wien, am 25. September 2002

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