VwGH 97/12/0323

VwGH97/12/032313.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1997, Zl. 130.357/7-II/2/97, betreffend Rufbereitschaft, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §50 Abs3 idF 1997/I/061;
BDG 1979 §50 Abs3 idF 1997/I/061;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1961 geborene Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion Linz, wo er im Zentralinspektorat, Referat 3, Technische Abteilung - Fernmeldegruppe, als Fernmeldetechniker verwendet wird.

Nachdem er für den Monat November 1996 zur Leistung des Rufbereitschaftsdienstes zu drei näher genannten Terminen eingeteilt worden war, teilte er seiner Dienstbehörde mit Schreiben vom 15. November 1996 mit, "ab heutigem Tage" den vorgegebenen Rufbereitschaftsdienst für die Fernmeldegruppe nicht mehr zu leisten. Nach niederschriftlichem Vorhalt am 27. Jänner 1997, dass er ab 1. Februar 1997 die mit näher bezeichnetem Erlass des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 1974 bei der Fernmeldegruppe der Bundespolizeidirektion Linz angeordnete Rufbereitschaft zu leisten habe, daher in die monatliche Einteilung aufgenommen werde und bei Nichtbefolgung der angeordneten Rufbereitschaft die "dienstrechtlichen Maßnahmen gemäß dem BDG 1979" eingeleitet werden würden, ersuchte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. Jänner 1997 um "bescheidmäßige Feststellung", weil die vorgegebene Rufbereitschaft für die Fernmeldegruppe nicht dem § 50 Abs. 3 BDG 1979 entspreche.

Die Bundespolizeidirektion Linz sprach in weiterer Folge mit Bescheid vom 19. Februar 1997 aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 50 Abs. 3 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idgF, wegen zwingender dienstlicher Rücksichten im Rahmen der Diensteinteilung des ZI/Referat 3 Rufbereitschaftsdienst zu leisten habe. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, gemäß dem näher bezeichneten Erlass des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 1974 hätten die Techniker des Fernmeldedienstes fallweise Rufbereitschaft zu leisten, um spontan erforderliche Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten durchführen zu können. Bei der Bundespolizeidirektion Linz sei eine Bereichsknotenanlage für den Fernsprech- und Fernschreibbetrieb situiert. Darüber hinaus bestehe eine KW-Funkstationsanlage für das sicherheitsbehördliche Funksystem. In ZI/Referat 3/TAbt-Fernmeldegruppe würden fernmeldetechnische Sondereinsatzmittel verwahrt, die im Bedarfsfall der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich sowie den Bundespolizeidirektionen Steyr und Wels gemäß Weisung des Bundesministers für Inneres beigestellt werden müssten. Daraus ergebe sich das dienstlich zwingende Erfordernis für die Anordnung einer Rufbereitschaft im Bereich der Fernmeldegruppe bei der Bundespolizeidirektion Linz. Die umgehende Behebung spontan auftretender Störungen im Bereich des Fernsprech-, Fernschreib- und Funkverkehrs sowohl innerhalb des eigenen Behördenbereiches als auch zu den anderen Sicherheitsbehörden durch die bei der erstinstanzlichen Behörde situierte Bereichsknotenanlage sowie hinsichtlich des öffentlichen Fernsprechnetzes sei von der erstinstanzlichen Behörde sicherzustellen. Im Anforderungsfall habe weiters eine rasche Ausgabe fernmeldetechnischer Sondereinsatzmittel durch einen Fernmeldetechniker zu erfolgen. Dieser habe auch bei einem anschließenden Einsatz die Bedienung zu übernehmen. Durch einen Rufbereitschaft versehenden Fernmeldetechniker, der im Anlassfall umgehend einzuberufen sei und der mit der Aufgabe betraut werden könne, werde dies gewährleistet.

Von einem Fernmeldetechniker würden monatlich, außerhalb der Haupturlaubszeit, etwa vier bis fünf Rufbereitschaftsdienste geleistet. Um eine vorausschauende Freizeitplanung zu ermöglichen, werde von der DF/Fernmeldegruppe eine monatliche Rufbereitschaftseinteilungsliste im Voraus erstellt. Da auch die Möglichkeit eines Tausches oder Verschiebens bestehe, erscheine die mit der Rufbereitschaft verbundene Auslastung zumutbar.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, nach der zitierten erlassmäßigen Anordnung des Bundesministers für Inneres hätten die Techniker des Fernmeldedienstes nur fallweise (Hervorhebung im Original) Rufbereitschaft zu leisten. Die ihn betreffende Regelung sehe jedoch regelmäßig (Hervorhebung im Original) vier bis fünf Rufbereitschaftsdienste pro Monat vor. Von spontanen - also fallweisen - Diensteinteilungen könne somit nicht gesprochen werden. Dies gehe aus den regelmäßig ein Monat zuvor erstellten Dienstplänen hervor. Die zwingenden dienstlichen Gründe seien von ihm nie in Frage gestellt worden.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt, welche Zeiträume von der angeordneten Rufbereitschaft betroffen seien, zu welchen Diensten er im Zeitraum November 1996 bis Jänner 1997 eingeteilt gewesen wäre, diese jedoch nicht geleistet, sondern an andere Fernmeldetechniker weitergegeben habe, und zu welchen Diensten er von 6. Februar bis 27. April 1997 eingeteilt gewesen sei (wobei der Beschwerdeführer in einigen Fällen einen Diensttausch mit anderen Technikern vorgenommen habe).

In seiner Stellungnahme vom 9. Juli 1997 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, allein der Umstand, dass eine monatliche Rufbereitschaftseinteilung bestehe, bedeute, dass es sich hiebei nicht um eine fallweise, sondern um eine regelmäßige Verpflichtung zur Rufbereitschaft handle.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Juli 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend, es werde festgestellt, dass die Befolgung der dem Beschwerdeführer am 27. Jänner 1997 niederschriftlich zur Kenntnis gebrachten Weisung, derzufolge er gemäß § 50 Abs. 3 BDG 1979 idgF wegen zwingender dienstlicher Rücksichten im Rahmen der Diensteinteilung des ZI/Referat 3 Rufbereitschaft zu leisten habe, nach Maßgabe der Bestimmung des § 44 BDG zu seinen Dienstpflichten zähle. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß § 50 Abs. 3 BDG könne der Beamte, sofern es dienstliche Rücksichten zwingend erforderten, fallweise verpflichtet werden, in seiner dienstfreien Zeit seinen Aufenthalt so zu wählen, dass er jederzeit erreichbar und binnen kürzester Zeit zum Antritt seines Dienstes bereit sei (Rufbereitschaft). Dies bedeute, dass Rufbereitschaft nur aus zwingenden dienstlichen Rücksichten und auch dann nur fallweise verfügt werden dürfe. Im konkreten Fall sei nun zunächst das zwingende dienstliche Erfordernis für die Anordnung der Rufbereitschaft zu prüfen. In diesen Zusammenhang sei die Stellungnahme des Leiters des ZI/Referat 2 vom 25. Jänner 1997 als maßgeblich heranzuziehen, worin im Wesentlichen dargestellt werde, welche fernmeldetechnischen Einrichtungen bei der Bundespolizeidirektion bestünden und welche Bedeutung diesen zukomme (Anm.: diese Stellungnahme wird im erstinstanzlichen Bescheid im Anschluss an die Darstellung der erlassmäßigen Anordnung der Rufbereitschaft durch den Bundesminister für Inneres wiedergegeben).

Nach Sicht der belangten Behörde sei evident, dass die Aufrechterhaltung des Fernsprech- und Funkverkehrs für eine Sicherheitsbehörde auch außerhalb der Dienstzeit von 07.30 bis 15.30 Uhr jederzeit gewährleistet sein müsse. Da diesem Erfordernis im Hinblick auf die Auslastung während der außerhalb des Dienstplanes gelegenen Zeit nur durch die angeordnete Rufbereitschaft Rechnung getragen werden könne, sei das Vorliegen der im Gesetz geforderten zwingenden dienstlichen Rücksichten im konkreten Fall als gegeben zu betrachten.

Für die belangte Behörde sei in der Folge weiters zu prüfen gewesen, in wie weit der Beschwerdeführer nur "fallweise" im Sinn des § 50 Abs. 3 BDG zu Rufbereitschaften herangezogen werde. Der Begriff "fallweise" sei im Gesetz nicht definiert, sodass auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden müsse. Demzufolge bedeute der in Rede stehende Begriff "gelegentlich" oder "gegebenenfalls bzw. in einzelnen Fällen" (siehe Duden, Das Bedeutungswörterbuch, S 235). Der Beschwerdeführer habe durchschnittlich vier Rufbereitschaftsdienste pro Monat zu leisten. Von einer mehr als "fallweisen" Heranziehung zu derartigen Diensten könne sohin nach Sicht der belangten Behörde nicht gesprochen werden. Der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach die Rufbereitschaft jeweils nur "ad hoc" angeordnet werden dürfe, könne in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden, da sich hiefür im Gesetz kein Anhaltspunkt finde. Dies bedeute, dass die Vorausplanung der Rufbereitschaftsdienste, die im Übrigen aus verwaltungsökonomischen Gründen erfolge und letztlich auch für den Beamten im Hinblick auf seine Freizeitplanung durchaus vorteilhaft sei, jedenfalls zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem sich insbesondere aus den §§ 48ff BDG 1979 ergebenden Recht, dass ihm nicht ohne gesetzliche Deckung Dienstpflichten auferlegt werden, insbesondere nicht unter der Deklarierung als Rufbereitschaft, obwohl eine solche nach dem Gesetz nicht gegeben ist, durch unrichtige Anwendung des BDG 1979, insbesondere seines § 50 Abs. 3, sowie durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften betreffend die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, die Begründung der belangten Behörde zur dienstlichen Notwendigkeit für die Anordnung der Rufbereitschaft sei im Bezug auf die Behauptung, dass den dargestellten Anforderungen nur durch die Anordnung von Rufbereitschaften entsprochen werden könne, rein apodiktisch. Das wäre nur dann des Näheren zu beurteilen, wenn das gesamte Dienstsystem wenigstens in den Grundzügen dargestellt worden wäre.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

§ 50 Abs. 3 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, idF BGBl. I Nr. 61/1997,

lautet:

"Soweit es dienstliche Rücksichten zwingend erfordern, kann der Beamte fallweise verpflichtet werden, in seiner dienstfreien Zeit seinen Aufenthalt so zu wählen, dass er jederzeit erreichbar und binnen kürzester Zeit zum Antritt seines Dienstes bereit ist (Rufbereitschaft)."

Die belangte Behörde hat dargelegt, welche fernmeldetechnischen Einrichtungen bei der Bundespolizeidirektion Linz bestehen und welche Bedeutung diesen zukommt. Der weiters vertretenen Ansicht der belangten Behörde, es sei evident, dass die Aufrechterhaltung des Fernsprech- und Funkverkehrs für eine Sicherheitsbehörde auch außerhalb der Dienstzeit (von 7.30 bis 15.30 Uhr) jederzeit gewährleistet sein müsse, kann nicht entgegengetreten werden. Dass diesem Erfordernis allerdings "nur" durch die angeordnete Rufbereitschaft Rechnung getragen werden könne, und zwar - so die belangte Behörde - "im Hinblick auf die Auslastung während der außerhalb des Dienstplanes gelegenen Zeit" ist ohne nähere Begründung nicht verständlich und nicht nachvollziehbar. Wie auch der Beschwerdeführer zutreffend bemerkt, hätte die belangte Behörde unter Berücksichtigung des gesamten Dienstsystems und der Häufigkeit des notwendigen Einsatzes im Rahmen der Rufbereitschaft darstellen müssen, ob und gegebenenfalls welche anderen Möglichkeiten (Bereitschaftsdienst, Journaldienst etc.) als die in Rede stehende Rufbereitschaft für die Aufrechterhaltung des Fernsprech- und Funkverkehrs außerhalb der regulären Dienstzeit bestehen und ob und gegebenenfalls welche Gründe (z.B. gravierende Mehrkosten) derart gegen diese Alternativen sprechen, dass zwingend die Rufbereitschaft anzuordnen ist.

Da mangels derartiger Feststellungen der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage ist zu beurteilen, ob die von der belangten Behörde geltend gemachten dienstlichen Rücksichten zwingend die Anordnung der Rufbereitschaft rechtfertigen, war der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Ein Eingehen auf die weitere Rechtsfrage, inwieweit der Beschwerdeführer "fallweise" herangezogen wurde, erübrigt sich daher.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die vom Beschwerdeführer entrichtete Gebühr von S 2.500,-- war mit dem Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 13. März 2002

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