VwGH 2001/20/0266

VwGH2001/20/026631.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über den Antrag des P G, geboren am 19. Juni 1967, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages für die Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. März 2001, Zl. 202.651/0-V/15/98, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Seinen obgenannten Wiedereinsetzungsantrag vom 27. April 2001 (zur Post gegeben am 30. April 2001) begründet der Antragsteller damit, dass sein vormaliger Rechtsvertreter noch während des anhängigen zweitinstanzlichen Asylverfahrens die Vertretungsvollmacht gekündigt habe und ihn zur Erlangung weiterer Hilfe an den Ausländerhilfe erteilenden Verein P verwiesen habe.

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. März 2001, dem Antragsteller zugestellt am 6. März 2001, sei sein Asylantrag im Instanzenzug abgewiesen worden.

Am 7. März 2001 habe er sich daher, da er aus sprachlichen Gründen auf die Hilfe durch dritte Personen angewiesen sei, an einen Mitarbeiter des Vereines P, Herrn Richard S gewandt, der ihm von seinem vormaligen Rechtsvertreter als kompetent und fachkundig empfohlen worden sei, und der ihm rechtliche Hilfe zugesagt habe. Dass es sich bei dem von Richard S erstellten Schriftstück um einen Verfahrenshilfeantrag gehandelt habe, habe er weder gewusst, noch habe er, da er in Salzburg wohnhaft sei, hinsichtlich der Richtigkeit der Adressierung dieses Antrages an das Landesgericht Salzburg Zweifel gehabt. Noch am 7. März 2001 habe der Antragsteller den Verfahrenshilfeantrag selbst zur Post gebracht.

Mit Beschluss vom 13. März 2001, der dem Antragsteller am 12. April 2001 zugestellt worden sei, habe das Landesgericht Salzburg den Verfahrenshilfeantrag wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Er selbst habe den Inhalt dieser gerichtlichen Entscheidung nicht verstanden, sondern daraus nur entnommen, dass für eine Antwort 14 Tage Zeit bestehe. Als er am 14. April 2001 bei Richard S vorsprechen habe wollen, sei ihm mitgeteilt worden, dass sich dieser auf Urlaub in der Türkei befinde. Dennoch habe er noch am 14. April 2001 telefonisch Kontakt mit Richard S aufnehmen können und sei von diesem beruhigt worden, dass die Sache bis zu dessen Urlaubsrückkehr am 22. April 2001 Zeit habe. Daran habe er im Hinblick auf die Fachkompetenz des Vereinsmitarbeiters sowie im Hinblick auf die im Beschluss genannte 14-Tage-Frist nicht weiter gezweifelt. Erst am 23. April 2001 habe er durch den aus dem Urlaub zurückgekehrten Richard S die Wahrheit über den Inhalt des Beschlusses erfahren und, nachdem er noch am gleichen Tag den nunmehrigen Rechtsvertreter aufgesucht habe, zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Frist zur Anrufung der Höchstgerichte gegen den Asylbescheid bereits abgelaufen sei.

Daher seien jene Umstände und Tatsachen, welche den Antragsteller an der fristgerechten Einbringung des Verfahrenshilfeantrages beim Verwaltungsgerichtshof gehindert hätten, erst am 23. April 2001 weggefallen.

Dem Wiedereinsetzungsantrag schloss der Antragsteller den Verfahrenshilfeantrag an und legte als Bescheinigungsmittel den Aufgabeschein des Verfahrenshilfeantrages an das Landesgericht Salzburg, eine Kopie des Gerichtsbeschlusses samt Zustellkuvert sowie eine eidesstättige Erklärung des nunmehrigen Rechtsvertreters über den Inhalt der mit Richard S geführten Telefonate vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt aufgrund dieser Bescheinigungsmittel keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben des Antragstellers. Ausgehend vom dargestellten Sachverhalt ist der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist ein Antrag gemäß § 46 Abs. 1 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Begriff "Ereignis" wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen, allerdings sei im Einzelfall jeweils die Verschuldensfrage zu prüfen und eine Wiedereinsetzung dann zu verwehren, wenn dem Antragsteller ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden zur Last fällt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, und das Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2001/18/0014). Dass der Antragsteller im vorliegenden Fall bis zum 23. April 2001 rechtsirrig davon ausging, er habe durch die Einbringung des Verfahrenshilfeantrages beim Landesgericht Salzburg die Frist zur Bekämpfung des genannten Asylbescheides gewahrt, woraus sich auch die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ergibt, steht nach dem dargestellten und glaubhaft gemachten Sachverhalt für den Verwaltungsgerichtshof fest.

Im Hinblick auf die (bloße) Hilfeleistung bei der Erstellung des Verfahrenshilfeantrages lag eine Bevollmächtigung des Richard S durch den Antragsteller gegenständlich nicht vor (so ist auch im vorgelegten Beschluss des Landesgerichtes Salzburg kein Rechtsvertreter ausgewiesen), sodass den Antragsteller ein Verschulden des Richard S nicht trifft (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1998, Zl. 97/20/0693).

Ein Auswahlverschulden liegt dem Antragsteller gegenständlich schon im Hinblick auf die Empfehlung des Richard S durch den vormaligen Rechtsvertreter nicht zur Last. Als rechtsunkundigen und der deutschen Sprache nicht mächtigen Fremden trifft den Antragsteller im vorliegenden Fall auch kein Überwachungsverschulden, da für ihn bis zum 23. April 2001 erkennbare Anhaltspunkte, die ihn an der Fachkompetenz des Richard S hätte zweifeln lassen müssen, nicht ersichtlich sind.

Daher liegt im dargestellten Rechtsirrtum des Antragstellers ein unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis, das ihn an der rechtzeitigen Einbringung des nunmehr gestellten Verfahrenshilfeantrages hinderte.

Dem Antrag war daher stattzugeben.

Wien, am 31. Mai 2001

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